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STICHWORT BAYER 03/2009

BAYERs Patentklage scheitert

„Ein spekulativer Vorstoß“

Ende letzten Jahres wollte der Leverkusener Multi in Indien die Zulassung einer Nachahmer-Version seines Krebsmedikamentes NEXAVAR verhindern und ging deshalb juristisch gegen den Hersteller CIPLA und die Genehmigungsbehörde vor. Das Gericht wies die Klage im August 2009 jedoch ab und stellte so die Versorgung armer Menschen mit billigen Arzneien sicher.

Von Jan Pehrke

„Das Gericht muss beobachten, dass das vorliegende Verfahren eines ist, dass als spekulativer Vorstoß charakterisiert werden könnte, als ein Versuch, der Politik durch gerichtliche Entscheidungen das Leben schwer zu machen“, so ereiferte sich der Richter Ravindra Bhat vom High Court in New Delhi über einen von BAYER angestrengten Prozess. Bhat sorgte dafür, dass es bei einem Versuch blieb und wies die Patent-Klage ab, mit welcher der Leverkusener Multi die Zulassung einer billigen Generika-Version seines Krebsmedikamentes NEXAVAR unterbinden wollte. „Wir sind sehr glücklich, dass das Gericht die Bedeutung des Zugangs zu Medikamenten erkannt und BAYERs Versuch, einen Politik-Wechsel herbeizuführen, verhindert hat“, sagte YK Sapru von der Krebs-Selbsthilfegruppe CPAA, die in der juristischen Auseinandersetzung an der Seite der Zulassungsbehörde und des Generika-Unternehmens CIPLA stritt. Der Leverkusener Multi war hingegen von der Aussicht, dass sich bald auch Arme NEXAVAR leisten können und die patent-geschützten Extra-Profite bald etwas spärlicher fließen, alles andere als begeistert. „BAYER HEALTHCARE ist enttäuscht, lehnt das Gerichtsurteil ab und prüft die Einlegung von Rechtsmitteln“, so ein Sprecher.

Die vom Pharma-Riesen Ende letzten Jahres eingereichte Klage stellte ein Novum in der Geschichte der Justiz dar. Niemals vorher hatte ein Unternehmen versucht, mit Verweis auf angeblich verletzte Patentrechte in ein Zulassungsverfahren einzugreifen. Darum erkannten die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Initiativen inner- und außerhalb des Subkontinents sofort die gesundheitspolitische Dimension des Vorstoßes und protestierten vehement. „BAYER versucht nicht nur, seine eigenen Monopolrechte zu wahren, das Unternehmen will auch einen Präzedenzfall schaffen und so andere Firmen davon profitieren lassen“, kritisierte etwa Amit Sen Gupta vom indischen PEOPLE‘S HEALTH MOVEMENT.

Dabei erlaubt das TRIPS-Abkommen, das streng über den Schutz geistigen Eigentums im internationalen Güterverkehr wacht, ausdrücklich die Zulassung von Nachahmer-Medikamenten, auch wenn das Patent für das Ursprungspräparat noch gilt. Eine Lizenz zum Vertrieb der Pharmazeutika haben die Generika-Hersteller damit freilich noch nicht, die Regelung will nur eine rasche Verfügbarkeit der Medikamenten-Kopien nach Ablauf der Schonzeit sicherstellen. Der Leverkusener Multi kannte diesen Paragraphen natürlich und versuchte, ihn mit juristischen Winkelzügen zu umgehen. So behauptete er, das von CIPLA hergestellte NEXAVAR-Double hätte einen anderen Wirk-Mechanismus als das Original. Ein durchsichtiges und leicht zu vereitelndes Manöver, das seinen Zweck dennoch nicht ganz verfehlte, wie Ravindra Bhat feststellte. „Selbst wenn solche Klagen nicht zum Erfolg führen, haben sie jedoch häufig den kurzfristigen Effekt, dass Konkurrenten durch einstweilige Verfügungen blockiert werden. Dies geschah auch im vorliegenden Fall. Der Antragsteller hat eine unabhängige Bewertung von CIPLAs Antrag erfolgreich verzögert“, erläuterte der Richter.

Diese Verzögerungstaktik wendet BAYER fast schon routinemäßig an. Aktuell prozessiert der Pillen-Riese gerade gegen das Generika-Unternehmen TEVA - bereits zum dritten Mal. Aber auch sonst lässt sich Big Pharma nicht lumpen. 700 entsprechende Gerichtsverfahren zählte ein EU-Bericht zwischen 2000 und 2007. Die Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes sah darin ein Indiz dafür, „dass die Pharma-Märkte nicht so gut funktionieren, wie sie sollten“ und kündigte Maßnahmen gegen die unlauter auf dem Rechtsweg erstrittenen Patent-Verlängerungen an. Nicht zuletzt die immensen Kosten von ca. drei Milliarden Euro, die BAYER & Co. den Gesundheitssystemen damit aufbürden, haben sie zu diesem Schritt bewogen.

Im Prinzip hat die Europäische Union jedoch gar nichts gegen die Privatisierung von Wissen, wie sie im Patentrecht zum Ausdruck kommt. In ihrer Außenhandelspolitik setzt sie sich sogar für länger währende Copyrights ein - nur eben ohne juristische Tricks. So dringt die EU derzeit in Verhandlungen mit Kolumbien auf eine Verlängerung der Patentlaufzeiten für Medikamente von 20 auf 25 Jahre. Die den Zulassungen vorausgegangenen Arznei-Tests will Brüssel nicht mehr wie bisher nach fünf, sondern erst nach elf Jahren zugänglich machen. „Gerade in Zeiten der Krise muss die EU neue Instrumente suchen, um ökonomisch zu wachsen“, sagt Marianne Gumaelius von der „Generaldirektion Handel“ der EU-Kommission zur Begründung der Standort-Politik.

Diese betreibt Brüssel auch gegenüber Indien. Darum nahm Dr. Dieter Lehmkuhl vom Vorstand der deutschen Sektion der ÄRZTE ZUR VERHÜTUNG DES ATOMKRIEGES (IPPNW) die Niederlage BAYERs vor dem High Court zum Anlass, an die EU zu appellieren, ihrerseits die PatientInnen-Interessen stärker zu berücksichtigen. „Die EU-Kommission ist nun aufgefordert, in ihren Verhandlungen über bilaterale Handlungsbeziehungen und geistige Eigentumsrechte mit Indien dem Menschenrecht auf Gesundheit Vorrang vor Handels- und Gewinninteressen einzuräumen“, so Lehmkuhl.