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STICHWORT BAYER 03/2009

Indien vs. BAYER-Gentechnik

„Hände weg von unserem Reis!“

BAYER führt in Indien Freisetzungsversuche mit gen-manipuliertem Reis durch. Wegen der damit verbundenen Risiken und Nebenwirkungen statteten GREENPEACE-AktivistInnen dem Gen-Gigant einen Hausbesuch auf den Feldern ab. Sie stellten „Biohazard“-Warnschilder auf und errichteten spezielle Vogelscheuchen, damit die „Zukunftstechnologie“ sich vom Acker mache. Der Leverkusener Multi zeigte sich wenig dialogfreudig und reichte eine Klage gegen 35 Personen ein.

Von Jan Pehrke

Vor zwei Jahren hat die indische Regierung abrupt Freisetzungsversuche mit gen-manipuliertem Basmati-Reis gestoppt: Der Gen-GAU made by BAYER hatte sich globalisiert und Asien erreicht. Seinen Ausgang hatte er Anfang 2006 in den USA genommen, als ein Verarbeitungsunternehmen eine Verunreinigung seiner Chargen mit der noch gar nicht zugelassenen Sorte LL601 bemerkte. Im Frühjahr 2007 erreichte der Skandal schließlich bundesdeutsche Supermärkte. Bei ALDI & Co. fand sich die gegen das Herbizid LIBERTY resistente LL-Laborfrucht in normalem Handelsreis wieder. Die EU reagierte und erließ ein Import-Verbot für US-amerikanischen Reis. Indien als zweitgrößtem Reis-Produzent der Welt führte das die Gefahr einer Kontamination seiner Ernten vor Augen. Zu deren Schutz verhängte der Staat deshalb in den hauptsächlich für den Export arbeitenden Agrar-Hochburgen ein Genreis-Moratorium.

Der Leverkusener Multi hatte schon 2004 davon Abstand genommen, Indien als Versuchsfeld für seine Gen-Pflanzen zu benutzen. Allerdings nicht ganz freiwillig. Vorausgegangen waren massive Proteste von GREENPEACE. So hatten sich AktivistInnen elf Stunden lang an das Eingangstor der BAYER-Zentrale in Mumbai gekettet und das Transparent „BAYER vergiftet unsere Nahrung“ hochgehalten. Dieser Gegenwehr konnte der Konzern letztlich nicht standhalten. Wenig später verkündete er: „BAYER gibt die Forschung an gen-manipulierten Pflanzen in Indien auf“. Man wolle seinen Schwerpunkt künftig auf die normale Pflanzen-Züchtung verlegen, hieß es in der Erklärung.

Dieses Versprechen hielt gerade mal zwei Jahre. Ab 2006 testete der Multi in dem Dorf Chinnakanjarla, das 45 Kilometer von Hyderabad im Bundesstaat Andhra Pradesh liegt, LIBERTYLINK-Reis. Er hielt es dabei weder für nötig, die örtlichen Behörden um eine Genehmigung zu ersuchen noch die PächterInnen oder BesitzerInnen des umliegenden Farmlandes über etwaige Gefahren zu informieren. Für GREENPEACE ein klarer Fall von „Corporate Crime“, weshalb die Initiative dem Global Player erneut einen Besuch abstattete. „Hände weg von unserem Reis“, lautete die Forderung der Umweltorganisation, der die Organisation Nachdruck verlieh, indem sie „Biohazard“-Warnschilder aufstellte und Vogelscheuchen gegen die Gentechnik-Plage errichtete.

Europäischen Reisanbau-Ländern mochte der Agro-Riese seine Gentech-Pflanzen nicht zumuten. „Es ist unethisch von BAYER, die wenigen reis-anbauenden EU-Staaten zu schützen, indem der Konzern in Spanien, Italien, Griechenland, Portugal oder Frankreich keine Zulassung beantragt. Das Unternehmen gefährdet lieber die Nahrungsmittelsicherheit in den armen Ländern“, empörte sich deshalb Dr. Suman Sahai von der indischen Initiative GENE CAMPAIGN. „Das Risiko exportieren, den Reis importieren“ heißt die Devise des Gen-Giganten. Und diese Geschäftsstrategie erlaubt es dem Konzern nicht nur, dem Akzeptanz-Problem der Risiko-Technologie in Europa auszuweichen, sie erspart ihm auch das aufwändige Zulassungsprozedere. Für eine „Heimholung“ des Reis‘ reicht nämlich eine EU-Importgenehmigung.

Aber selbst diese erhält BAYER nicht so einfach. Mehrere Staaten verweigerten die Zustimmung, und eine ursprünglich für April geplante Entscheidung verschob der EU-Ausschuss für Lebensmittel und Tiergesundheit einstweilen (SWB 2/09). Dabei spielen bestimmte „Nebenwirkungen“ bei der Bewertung gar keine Rolle. So empfahl die „Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA) eine Bewilligung des Antrages, obwohl sie das Auskreuzungsrisiko als hoch einschätzte - aber damit sollen sich nach Meinung der EFSA allein die Anbau-Länder herumschlagen.

Wie auch mit der Bedrohung der Artenvielfalt. Drückt der Leverkusener Chemie-Multi den LL-Reis nämlich mit all seiner Wirtschaftsmacht auf den Markt, so bleibt den LandwirtInnen nur die Alternative: Friss oder stirb. Das damit verbundene Aussterben von Arten ist jedoch nicht nur vom Standpunkt reiner Naturliebe aus bedauerlich, es hat auch dramatische praktische Folgen. Die Bauern und Bäuerinnen haben über Generationen hinweg ihre Saaten aufbewahrt und so eine ganze Reis-Bibliothek zusammengetragen. Wenn sich dann eine Sorte mal als besonders anfällig erweist, konsultieren sie ihre Sammlung und suchen eine widerstandsfähigere aus. Diese Biodiversität droht zu verschwinden - schon jetzt gibt es bloß noch zwei gegen eine weit verbreitete Pflanzen-Krankheit gewappnete Reis-Sorten.

Indien müsste auch die sozio-ökonomischen Folgen der LIBERTYLINK-Kultivierung tragen, wenn es zu einem kommerziellem Anbau käme. Da die „grüne Gentechnik“ kapitalintensiv ist, verlangt sie nach großen Anbauflächen - zu große für viele Reisbauern und -bäuerinnen. Deshalb zwingt die „Zukunftstechnologie“ viele FarmerInnen dazu, die Feldwirtschaft aufzugeben und in die Elendsgürtel rund um die Megacitys ziehen. Weit davon entfernt, dem Hunger Einhalt zu gebieten, verstärkt Gentech auf dem Acker die soziale Misere in den Ländern des Südens also noch.

Die Folgen des BAYER-Reis‘ für das körperliche Wohl sind auch nicht ohne. Der LIBERTY-Wirkstoff Glufosinat, den der Leverkusener Multi in Kombination mit dem Reis vertreiben will, weil er die Pflanze per Gentechnik gegen die Substanz immun gemacht hat, hat es nämlich in sich. Er gehört zu den 17 Ackergiften, die wegen erwiesener Gefährlichkeit unter das neue Pestizidgesetz der Europäischen Union fallen (SWB 1/09) und keine Zulassung mehr erhalten dürfen.

Da kommt also eine Menge zusammen. „Die unbeantworteten Fragen zu den gesundheitlichen, ökologischen und sozio-ökonomischen Effekten der gentechnischen Veränderung des Grundnahrungsmittels für zwei Drittel des Landes“ führte der indische GREENPEACEler Rajesh Krishnan dann auch zur Begründung des Lokaltermins auf dem BAYER-Feld in Chinnakanjarla an.

Die Fragen beantwortete der Konzern auch diesmal nicht. Stattdessen schaltete er die Justiz ein und verklagte 35 ProtestlerInnen wegen Hausfriedensbruchs, Sachbeschädigung und Einschüchterung. Sofort setzte eine große Solidarisierungskampagne ein. Hunderte Menschen fotografierten sich mit einem Schild „Sperrt mich auch ein, ich sage nein zu Gen-Reis“ - in der Hand. Am 24. Juli präsentierten junge Gentechnik-GegnerInnen den BAYER-ManagerInnen der Niederlassung in Tolichowki diese Selbstanklagen. „Hunderte Bürger aus allen Teilen des Landes, die sich sogar verhaften lassen würden, um unseren Reis zu retten, stehen für die große Angst der indischen Öffentlichkeit vor der gentechnischen Veränderung unseren Reises“, sagte Rajesh Krishnan auf der Kundgebung vor den Toren des Agro-Multis.

Auch die bekannte Schauspielerin Amala Akkineni bekannte sich schuldig. „Der Vater unserer Nation, Mahatma Ghandhi, gab uns ein Beispiel vor und zeigte, dass bestimmte Bürgerrechte nicht verhandelbar sind. Das Recht auf sichere Nahrung ist eines davon“, so Akkineni. Bei der derzeitigen Regierung in New Delhi stößt das nicht auf ungeteilte Zustimmung. Während der Umweltminister Gen-Food ablehnt, spricht sich der Landwirtschaftsminister dafür aus. Vor der Umweltbewegung liegt also noch eine Menge Arbeit. Von BAYERs Einschüchterungsversuchen wird sie sich dabei jedoch nicht abhalten lassen. „Sie können die Aktivisten einsperren, nicht aber den Aktivismus“, gibt sich Jayakrishna von GREENPEACE kämpferisch.

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