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Bayer und Monsanto: 'Fakten statt Vorurteile'

Süddeutsche Zeitung, 29. April 2017

Bayer wirbt bei den Aktionären für die Fusion mit Monsanto und provoziert die Demonstranten draußen mit einem Plakat.

Büschemann/Dostert| Bonn Kurz nach sieben Uhr heizt Gerhard Portz ein. Er stopft Stroh in den Ofen seines rostigen Kartoffeldämpfers, dann dicke Holzscheite, um das Wasser im Kessel zum Kochen zu bringen. Portz hat Kartoffeln von seinem Hof an der Mosel mitgebracht, er will Pellkartoffeln machen. Eine braune Wolke zieht aus dem hohen Rohr in Richtung des Zeltes, durch das später die Aktionäre des Chemie- und Pharmakonzerns Bayer zur Hauptversammlung eingelassen werden. Portz ist kein Aktionär. Die Maschine ist sein Protest gegen die Übernahme des US-Konzerns Monsanto.

Portz befürchtet, dass in seiner Region noch mehr Bauern ihre Existenz verlieren und die Dörfer veröden, wenn die Agrochemie-Konzerne immer größer werden und bestimmen, was die Bauern auf ihren Äckern säen und ausbringen. "Wir scheißen auf euer Saatgut", ruft Portz später bei den Protestveranstaltung.

Der Leverkusener Konzern ist auf die Aktivisten vorbereitet, die das Aktionärstreffen nutzen, um ihre Kritik loszuwerden. Früher kamen ein paar Dutzend, am Freitag sind es ein paar Hundert. Das Polizeiaufgebot ist groß. Es bleibt friedlich. In den vergangenen Jahren fand die Hauptversammlung in den Messehallen in Köln statt, dieses Mal sind sie in eine Kongresshalle im alten Bonner Regierungsviertel umgezogen. Hohe Metallzäune schirmen das Gebäude ab, als sei massive Gefahr im Verzug. Es gibt die Demonstranten draußen - Bauern, Imker, Ärzte, Kirchenleute, Globalisierungskritiker, Politiker - und kritische Aktionäre im Saal. Es gibt keine gerade Frontlinie, und es gibt auch Lob, Aktionäre, die gut finden, was Bayer tut. Ein paar junge Leute, die die Rede von Bayer-Vorstandschef Werner Baumann gleich am Anfang von der Empore herab mit lauten Zwischenrufen stören, werden schnell und rüde von Sicherheitskräften aus dem Saal geschafft. Schon am frühen Nachmittag schließt Versammlungsleiter und Aufsichtsratschef Werner Wenning die Liste der Wortmeldungen, später begrenzt er rigoros die Redezeit. Bayer hat einen Zeitplan. Diese Versammlung soll in acht Stunden zu Ende sein. Wennings Tonfall ist schneidend und bestimmt.

Werner Baumann, der seit Anfang Mai 2016 Vorstandschef ist, verteidigt seine Pläne. Er tut es in moderatem Ton. Baumann hatte Aktionäre und Mitarbeiter nur wenige Wochen nach seinem Amtsantritt mit der Ankündigung überrascht, Monsanto für 66 Milliarden Dollar übernehmen zu wollen. Das ist auch für die Verhältnisse von Bayer eine stolze Summe. Zudem hat der US-Konzern gerade in Europa ein katastrophales Image. Monsanto ist nicht nur der Hersteller des umstrittenen Pflanzengiftes Glyphosat, dem Konzern wird auch vorgeworfen, Bauern in Schwellenländern mit Monopolpreisen zu knechten. Baumann versuchte, den 2500 Aktionären "die Attraktivität des Vorhabens" vorzustellen, obwohl Monsanto, wie er selbst sagt, "in einigen Ländern - vor allem in Europa - keinen guten Ruf hat".

(Demonstranten verbrennen in einem alten Kartoffeldämpfer symbolisch Patente)

Er dagegen sehe den neuen Partner aus St. Louis im US-Bundesstaat Missouri als "modernes, hoch innovatives und hervorragend geführtes Unternehmen". Das Lob reißt nicht ab. "Wir können gemeinsam mit Monsanto erheblichen zusätzlichen Wert schaffen." Baumann gibt sich als Wohltäter und Chef eines Konzerns, der eines der drängendsten Probleme der Gesellschaft lösen kann: die Versorgung der wachsenden Weltbevölkerung mit Lebensmitteln.

Das sieht André Leu, Präsident des Öko-Landbau-Verbandes Ifoam, draußen vor der Halle, ganz anders. Die Ackerflächen der Welt reichten aus, um zwölf Milliarden Menschen ökologisch zu versorgen. Heute lande zu viel Getreide in den Futtertrögen und im Tank von Autos. Die agroindustrielle Landwirtschaft, wie sie Konzerne wie Bayer und Monsanto darstellten, sei kein Modell für die Zukunft.

Baumann betont drinnen geduldig, dass der Konzern den Austausch mit den Kritikern suche. Aber draußen provoziert der Konzern mit einem Banner, das am Zelt hängt, sodass es die Demonstranten sehen müssen. "Liebe Demonstranten. Nutzt doch mal Fakten statt Vorurteile." Leu ärgert das. "Ihr behauptet, ihr könnt' die Welt ernähren! Könnt ihr nicht, sonst würden nicht immer noch Hunderte Millionen Menschen Hunger leiden." Monsanto sei "der giftigste Konzern der Welt", schimpft Leu. Er betreibt einen Öko-Betrieb in Australien.

Von den Aktionären gab es zum derzeit wichtigsten Thema bei Bayer nur wenig Kritisches zu hören. Sie sind weitgehend einverstanden mit dem Plan, der noch in diesem Jahr zum Ende gebracht werden soll. Baumann erwartet Einsparungen von 1,5 Milliarden Euro im vierten Jahr nach dem Zusammenschluss. Monsanto sei "ein Unternehmen mit einer erstklassigen Forschung". Von den Kunden habe Bayer nur wenig Kritik an der Übernahme gehört, sagt Baumann. "Die Stimmung hat keine erkennbare Auswirkung auf unsere Geschäftsentwicklung." Und was ist mit der umstrittenen Marke Monsanto?, wollen Aktionäre wissen. Baumann deutet an, dass der umstrittene Name voraussichtlich keine Zukunft haben wird. "Unsere Aktionäre und Mitarbeiter haben verstanden, wofür der Name Bayer steht", sagt er diplomatisch.

Aber die Aktionäre wollen auch wissen, wie sich Baumann die Schuldenentwicklung bei Bayer vorstellt, wenn eine so große Übernahme gestemmt werden müsse. Kein Problem, wiegelt Baumann ab. Der Aktionärsvertreter Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Union Investment gab öffentlich "Bauchschmerzen" zu Protokoll. Die Aktionäre, sagt er, seien von dem Großvorhaben sehr kurzfristig und überraschend informiert worden.

Aber die Aktienbesitzer sind nachsichtig. Sie verzeihen dem Vorstand sogar, dass der die Anteilseigner über die Übernahme nicht in der Hauptversammlung abstimmen lassen will. Das muss er auch nicht. Rechtlich ist das nicht vorgeschrieben. Offen gesteht Baumann ein, dass ihm die Abstimmung in der Aktionärsversammlung zu unsicher sei. Die Eigentümer zu fragen wäre mit erheblichen Risiken verbunden. "Wir müssten mit Anfechtungsklagen rechnen." Das wäre nicht im Interesse der Aktionäre. Die meisten Aktionäre gaben sich damit zufrieden. Aber einer nicht: Anton Hofreiter, der Vorsitzende der Grüne-Bundestagsfraktion, der sich auf die Rednerliste hat setzen lassen, sagt Nein. "Wir lehnen diese Fusion ab", hatte der Politiker den Demonstranten schon am frühen Morgen zugerufen. Monsanto sei ein großes Übel. "Bayer macht einen ganz schweren Fehler."

Der Konzern mache einen großen Fehler. Es geht um Emotionales: Ernährung

Draußen vor dem Zaun bietet an diesem Freitag Bauer Reinhard Nagel Milch und Buttermilch von der Upländer Bauernmolkerei an. Die Leute sollen wissen, wie bäuerliche Landwirtschaft schmeckt, sagt er, Vanille, Schoko, Himbeer-Lemon. Nagel hat die Bioland-Molkerei Mitte der Neunzigerjahre zusammen mit einem guten Dutzend anderer Landwirte gegründet. Der 63-Jährige ist Sprecher der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) in Hessen. "Wir müssen nach den Regeln der Natur leben", sagt er.

Als er vor 30 Jahren seinen Betrieb umstellte, habe er als Spinner gegolten. Heute bewirtschaftet er 150 Hektar Ackerland, 50 Hektar Grünland, im Stall stehen 50 Kühe. Die fressen das Kleegras, das er auf seinen Äckern als Zwischenfrucht anbaut. Bei ihm gibt es keine synthetischen Spritzmittel auf dem Acker. Er will kein genetisch verändertes Saatgut. "Mein Geld kriegen die nicht", sagt er.

Bayer wird das verschmerzen.