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STICHWORT BAYER 01/2005

Lanxess-Börsengang: schlechte Aktien für Beschäftigte

Für den Leverkusener Bayer-Konzern stimmte im Jahr 2003 die Chemie nicht mehr. Die Geschäfte mit Plaste & Elaste, Farbstoffen und anderen Substanzen blieben hinter den ehrgeizigen Rendite-Zielen zurück. Deshalb entschieden die Manager, die Chemie- und Teile der Kunststoff-Sparte abzuspalten und unter dem Firmen-Namen “Lanxess” an die Börse zu bringen. Am heutigen Montag beginnt der Handel mit dem Papier. Auf allzu großes Interesse dürfte es vorerst nicht stoßen. Das Lanxess-Sortiment bietet nämlich nicht gerade den Stoff für das, was die Börsianer eine “story” nennen. Es umfasst unter anderem für den Massen-Markt bestimmte und entsprechend margen-schwache Kunststoffe, Spezial-Chemikalien für die Leder-, Papier- und Textil-Industrie sowie Materialschutz-Produkte. Noch dazu hat die Mutter-Gesellschaft der Tochter den Weg in die Selbstständigkeit zusätzlich erschwert. Der Chemie-Multi entsorgte kurzerhand 1 Milliarde Euro Schulden bei ihr und betrieb damit Kurs-Pflege in eigener Sache. Das Grundkapital bekam der Börsen-Neuling nur mit Hilfe eines 1,5 Milliarden-Kredites und einer Bayer-Wandelanleihe zusammen.

Aus diesen Gründen kommen auf die rund 20.000 Mitarbeiter drastische Rationalisierungsmaßnahmen zu. “30 Prozent der Geschäfte von LANXESS haben keine strategisch haltbare Position, keine Top-Position”, befand das Vorstandsmitglied Ulrich Koemm und kündigte schon Schließungen und Verkäufe an. Der Vorstandsvorsitzende Axel Heitmann will 20 Millionen Euro an Personalkosten einsparen. Betriebsbedingte Kündigungen kann er bis 2007 wegen des auch für die Lanxess-Mitarbeiter geltenden Bayer-Beschäftigungspaktes nicht vornehmen. Deshalb setzt er auf “kreative Lösungen”. “Das können die Arbeitszeiten sein oder Arbeitszeit-Konten - aber es kann auch Stellenabbau sein. Wir müssen weltweit die gesamte Bandbreite ausnutzen”, drohte er. Zunächst nahm Heitmann sich die übertariflichen Leistungen vor, was sofort die IG BCE auf den Plan gerufen hat. 2.500 der 3.900 bundesdeutschen Belegschaftsangehörigen protestierten gegen die beabsichtigten Streichungen. Schließlich einigten sich Gewerkschaft und Betriebsführung darauf, die übertariflichen Leistungen mit den kommenden Lohn-Erhöhungen zu verrechnen - ein fauler Kompromiss. Vielleicht war das auch von vornherein das Verhandlungsziel der Geschäftsleitung, denn Heitmann versteht sich aufs Taktieren. “Um die Arbeitnehmer-Seite beim geplanten Börsen-Gang der Chemie-Sparte LANXESS nicht zum Störfaktor werden zu lassen, wurde ein Erfolg für den Betriebsrat arrangiert. Nur noch 3.000 statt der geplanten 4.000 Stellen sollen an den deutschen Standorten des Konzerns bis Ende 2005 abgebaut werden”, so beschrieb die Berliner Morgenpost das Vorgehen des Lanxess-Vorstandes.

Aber eine Befriedung der Betriebsangehörigen erreichte das Management durch solche Coups nicht. Als Axel Heitmann den Beschäfigten in Leverkusen seine Pläne vorstellte, kam es zu tumultartigen Szenen. Die Video-Übertragung zu den anderen Standorten musste abgebrochen werden. Nach dem Bericht einer Lokalzeitung hatte der Werkschutz alle Mühe, die Massen unter Kontrolle zu halten. Die “blanke Angst” stand Heitmann nach den Beobachtungen des Journalisten auf dem Gesicht geschrieben.

Auch heute dürfte er nicht viel glücklicher dreischauen, denn die Ordensleute für den Frieden und die Coordination gegen Bayer-Gefahren werden parallel zum Börsengang eine Kundgebung durchführen.

Jan Pehrke