SWB 02/97

Liebe Leserinnen und Leser,

am 17. Februar dieses Jahres besuchte der Bundestagsausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten das Pharmaforschungszentrum der BAYER AG in Wuppertal-Elberfeld. Der Anlaß: die gerade in der parlamentarischen Beratung befindliche Novellierung des Tierschutz-
gesetzes. Die Vertreter von BAYER, Hoechst, Schering und anderen versuchten der Bundestagsdelegation erwartungsgemäß klarzumachen, warum die juristischen Barrieren für Tierversuche auf keinen Fall angehoben werden dürften. Überraschend war eigentlich nur, daß gegen einen schärferen Tierschutz keineswegs mit fehlenden Alternativen oder mit der Abwägung von Gesundheitsinteressen des Menschen gegen die Lebensrechte der Tiere argumentiert wurde. Nein, ethische oder naturwissenschaftliche Argumente spielten überhaupt keine Rolle -in Wuppertal wurde die Standortkeule geschwungen: Man habe sich mit dem geltenden Recht arrangiert, aber jede Verschärfung treibe die Pharmaforschung außer Landes. Denn: "Es muß für die Firma attraktiv sein, im Land zu bleiben." Die Vertreterin von Höchst argumentierte mit Zeitverlusten. Zirka vier Monate Genehmigungsverfahren für Tierver-
suche (bei einer durchschnittlichen Entwicklungsdauer eines neuen Medikaments von 12 Jahren) würden Zeit, also viel Geld kosten.

Der Tierschutzbeauftragte der BAYER AG wurde noch deutlicher. Das Tierschutzrecht behindere nicht direkt die Pharmaforschung, aber es verhindere, daß im Forschungswettbewerb mit den anderen Konzernen, "das Maximale rausgeholt werden kann". Die Forschung brauche entsprechende Rahmenbedingungen, sonst sei sie weg. Und wo nicht geforscht würde - sprich, wo die Politik den Unternehmen zuviel tier-
schützerische Auflagen macht, ergänzte der Leiter der BAYER-Pharma- Forschung - dort fände in der Regel auch nicht die Erstproduktion der neu entwickelten Medikamente statt. Und dies koste dann tausende Arbeitsplätze.Was wir hier sehen ist nichts anderes als der Übergriff der von den Unternehmen ideologisch inszenierten Standortdebatte auf den Tierschutz. Wo alles mobil ist oder gemacht wird - Kapital, Waren und angeblich auch Arbeitskräfte - da wächst der Druck auf jegliche Standards, seien es soziale oder ökologische. Wen wundert es dann noch, daß Industrie und Bundesregierung die Zeit für reif halten, das Tierschutzgesetz in wesentlichen Punkten, beispielsweise bei den Genehmigungsverfahren, auszuhöhlen. Daß die meisten Tierversuche überflüssig und nicht übertragbar sind, also prinzipiell verboten werden müssen, interessiert da wenig. Herhalten muß dagegen wiedermal der "wachsende internationalen Konkurrenzkampf". Ein Druck also, den Wirtschaft und Politik mit ihrem Liberalisierungswahn immer wieder selber erzeugt und welcher der starken deutschen Wirtschaft in der Regel international Vorteile bringt. Die Forderung nach Deregulierung von Sozial,- und Umweltstandards aus Wettbewerbsgründen ist nur die andere, leicht durchschaubare Seite dieser Gewinnmaximierungs-
konzeption.

Eva Bulling-Schröter ist umweltpolitische Sprecherin der PDS-Bundestagsgruppe, seit 1995 Mitglied der Coordination gegen Bayer-Gefahren und Mitglied der Tierversuchsgegner e.V.