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Erst Tracy, dann Dolly
Klon-Schaf von BAYER?
(taz/ho) Ende Februar 1997 schockierten schottische Wissenschaftler die Weltöffentlichkeit mit der Nachricht, erstmals aus Körperzellen eines erwachsenen
Schafes ein genetisch identisches Lamm erzeugt zu haben. Es waren die gleichen Forscher, die 1992 bereits im Auftrag von BAYER den "Bioreaktor" Tracy schufen. Doch der Leverkusener Chemieriese streitet ab,
an der Herstellung von Dolly beteiligt zu sein.
Der 24. Februar 1997 ist ein schwarzer Tag in der Entwicklungsge- schichte. Wie die New York Times berichtete, ist es der schottischen Firma PPL erstmals
gelungen, die genetisch identische Kopie eines erwachsenen Schafes zu klonieren. Der Zellkern einer Euterzelle wurde in eine unbefruchtete Eizelle eingepflanzt, die wiederum in den Uterus einer
"Leihmutter" plaziert wurde. Der Erfolg des Verfahrens stellte sich nicht gleich ein: aus 277 Zellfusionen entstanden 29 Embryos, von denen nur eines überlebte. Doch: "Wer ein transgenes Schaf
klonieren kann, der hat den Durchbruch geschafft", meint der amerikanische Forschungsanalytiker Viren Mehta. Und KritikerInnen sehen längst die Horrorvision des genetisch maßgeschneiderten Menschen in
greifbarer Nähe. Immerhin: Nur wenige Tage nach der aufsehenerregenden Times-Veröffentlichung über Dolly gestand der US-amerikanische Wissenschaftler Don Wolf, daß in seinem Labor bereits im August 1996 zwei
geklonte Affen zur Welt gekommen sind. Seine Versuche hätten gezeigt, daß die Methode auch beim Menschen funktionieren müsse, denn schließlich seien Affen die engsten Verwandten des Homo Sapiens. Wolf meinte zudem,
daß es bei Affen (und somit auch beim Menschen) gelingen könne, von einem Erwachsenen eine identische Kopie herzustellen. Dolly-Schöpfer Ian Wilmut: "Es gibt im Prinzip keinen Grund, daß wir dies nicht auch bei
Menschen können." Kleinlaut fügt er
vorerst hinzu: "Doch wir finden es alle abstoßend." Zwar findet auch Bauernpräsident und BAYER-Aufsichtsrat Konstantin Freiherr von Heeremann, daß "bei allem Verständnis für den technischen Fortschritt und die biotechnischen Meisterstücke der Wissenschaft eine ethische Grenze erreicht" ist. Doch die allgemein verbreitete Abscheu aus dem Munde von ansonsten stets gentechfreundlichen Funktionären und Politikern klingt unglaubwürdig. Bisher jedenfalls wurden die Grenzen des Machbaren nicht durch gesellschaftlichen Konsens sondern durch den "wissenschaftlichen Fortschritt" in den Laboren der Konzerne definiert.
Übrigens: Ganz so überraschend, wie allgemein dargestellt, kam das Schaf Dolly in Edinburgh nicht zur Welt. Die Arbeitsgruppe am schottischen Roslin-Institut
in Edinburgh, mit EU-Geldern finanziell großzügig ausgestattet, sorgte schon vor einem Jahr für Schlagzeilen, als sie zwei geklonte Schafe vorstellte, die mit jenem Verfahren hergestellt wurden, das dann später der
US-Forscher Wolf an seinen Affen ausprobierte. Diese wurden noch aus Keimbahnzellen erzeugt. Das Neue an Dolly ist, daß sie aus erwachsenen, ausdifferenzierten Euterzellen entstanden ist.
Das Interesse des BAYER-Konzerns an Klon-Tieren ist überaus groß, ethische Rücksichtsnahmen sind nicht zu erwarten. Denn mit Dolly & Co winken
astronomische Gewinne, und BAYER-Vorstandschef Manfred Schneider hat immer wieder betont, daß sein Unternehmen mit gentechnischen Produkten - wie derzeit bereits mit Faktor-VIII-Präpa-
raten gegen die Bluterkrankheit - eine weltweite Führerschaft über- nehmen wolle. Zur Herstellung von Medikamenten sei der Rückgriff auf geklonte Tiere ethisch nicht bedenklich, sagte Schneider noch auf der sog.
Innovationspressekonferenz des Konzerns am 26. Februar. Dies findet auch Prof. Dr. Peter Stadler, Leiter des Geschäftsbereiches Biotechnik beim Leverkusener Chemieriesen. Stadler ist durch geschicktes Marketing von
BAYER und dem Konzern nahestehenden Pro-Gentech-Initiativen quasi zum obersten Klon-Experten der Republik avanciert. Wenn in den 20.00-Uhr-Nachrichten über Dolly diskutiert wird, hat Stadler als sog. Experte ein
Wörtchen mitzureden. Seine Meinung schließlich hatte auch Gewicht, als die Bundesregierung - ganz im Sinne von BAYER & Co - das ohnehin lasche Gentechnikgesetz noch weiter lockerte. Heute, so jubilieren Stadler
und Schneider, ist Deutschland eines der gentechnikfreundlichsten Länder der Welt. Dies attestierte unlängst auch das renommierte Prognos-Institut.
Der BAYER-Konzern hat längst eine Spitzenstellung im Bereich "Gene-Pharming", wie die Herstellung von Arzneimitteln mit Hilfe transgener Tiere
genannt wird, eingenommen. Zwischen den Leverkusenern und der schottischen Firma PPL bestanden (bzw. bestehen) geschäftliche Verbindungen. Schon 1992 kaufte BAYER von PPL das in Kooperation mit dem Roslin-Institut
manipulierte Schaf Tracy. Das Tier wurde mit Hilfe der Gentechnik derart verändert, daß es mit der Milch ein menschliches Protein, Alpha-1-Antitrypsin, aussondert, ein Eiweißstoff, der zur Behandlung der
Lungenkrankheit "zystische Fibrose" genutzt wird. Auf Anfrage der taz, ob die geschäftlichen Verbindungen zu PPL noch bestehen, gab die BAYER-Pressestelle bekannt: "Wir haben die Zusammenarbeit ...
inzwischen eingestellt." Es spricht jedoch einiges dafür, daß diese Aussage lediglich unter dem Druck des öffentlichen Entsetzens über die Klonierung von Dolly gemacht wurde. Auf alle Fälle gab es langjährige
Kontakte und finanzielle Beteiligungen, die sicherlich jederzeit wieder aufgefrischt werden könnten. Ein Multi wie BAYER ist jederzeit in der Lage, kleinere, innovative Firmen zu schlucken bzw. deren Patente zu
kaufen. Und das "Patent Dolly" paßt sicherlich gut in die langfristige Strategieplanung des Konzerns. Denn schon läuft die Forschung in den Gen-Laboren der drei wichtigsten Forschungszentren von BAYER -
Japan, USA und Deutschland - auf Hochtouren.
Währenddessen wird die Forderung nach einem internationalen Verbot für das Klonen von Menschen immer stärker. "Den geklonten Menschen darf und wird es
nicht geben", sagte Forschungsminister Jürgen Rüttgers. Parallelen zu der Diskussion um Keimbahneingriffe werden immer deutlicher. Obwohl wiederholt (auch von BAYER) betont wurde, es bestehe weltweiter Konsens
darüber, daß die Manipulation menschlicher Fortpflanzungszellen tabu bleiben solle, weigern sich die PolitikerInnen, ein Verbot unmißverständlich festzuschreiben. Erst nach heftigen Protesten wurde in der (bei
Redaktionsschluß noch nicht verabschie- deten) Bioethikkonvention des Europarates ein halbherziges Verbot aufgenommen - wenn die technischen Möglichkeiten weiterentwickelt und die Methoden nicht mehr so unsicher
sind, soll es überprüft werden.
Auch der BAYER-Gentechniker Stadler ist bemüht, der allgemeinen Besorgnis entgegenzutreten. Niemand werde, so gibt er sich zuversichtlich, aus krankhafter
wissenschaftlicher Neugier die Dolly-Methode am Menschen ausprobieren. Jedenfalls nicht in Deutschland, schränkt er umgehend ein: "Die biomedizinische Szene ist hier sehr kompakt und transparent."
Abwiegelungen solcher Art klingen wenig glaubwürdig. Denn die Versuche in den Hochsicherheitstrakten der Gen-Industrie unterliegen gemeinhin der höchsten Geheimhaltungs- stufe. Immerhin: Auch Klon Dolly war
bereits sieben Monate alt - und zuvor fünf Monate im Bauch des Leihmutter-Schafes - als die Forscher des Roslin-Institutes mit ihrem Geschöpf an die Weltöffentlichkeit gingen. Wer weiß, was in BAYER- und anderen
Laboren der Welt alles geschieht, ohne daß es die Öffentlichkeit jemals erfährt.
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