SWB 01/97

Taiwan: Proteste gegen BAYER-Projekt

ANTI-BAYER ACTION UNION wehrt sich gegen Herstellung von Isocyanaten

Schwere Proteste begleiten die aktuell größte BAYER-Investition in Asien, den Bau einer Anlage zur Herstellung von Toluoldiisocyanat (TDI). Am geplanten Produktionsort nahe des Zentrums der taiwanesischen Großstadt Wu-Chi bildete sich die Bürgerinitiative ANTI-BAYER ACTION UNION (ABAU), die scharf mit BAYER und den Genehmigungsbehörden ins Gericht geht. Die ABAU organisierte mehrere Demonstrationen mit einer Beteiligung von bis zu 4.000 Menschen und erreichte eine staatliche Überprüfung des Projektes.

Ende 1996 erreichte die COORDINATION GEGEN BAYER- GEFAHREN e.V. aus Taiwan eine dringende Bitte um Unterstützung: die Firma BAYER plane handstreichartig die Errichtung einer riesigen TDI-Anlage (Jahreskapazität 100.000 to) durchzudrücken, ohne die Öffentlichkeit über mögliche Gefahren zu informieren. Das hochgefähr-
liche TDI sei in Taiwan kaum bekannt und eine behördliche Überprüfung des Projekts hätte nicht stattgefunden. BAYER habe für die Genehmi-
gung lediglich den Betrieb einer Referenzanlage in Deutschland nachgewiesen und daraufhin einen Pachtvertrag von 125 Jahren beantragt! Dieses Vorgehen erinnere manche Taiwanesen allzusehr an die erniedrigenden ausländischen Konzessionen im neunzehnten Jahrhundert. In der Vergangenheit sei die Bevölkerung häufig vom Baubeginn neuer Fabriken überrascht worden und offenbar plane auch BAYER ein solches Hau-Ruck-Verfahren.

TDI, das als Vorprodukt in der Kunststoffproduktion verwendet wird, gehört zu der Gruppe der Isocyanate. Bei seiner Herstellung entstehen die gefährlichen Kuppelprodukte Phosgen (Kampfstoff im ersten Weltkrieg) und Methylisocyanat (verantwortlich für die Katastrophe von Bhopal). BAYER ist der größte europäische TDI-Produzent, die größte deutsche Anlage in Brunsbüttel erzeugt 55.000 to jährlich. Auch in Brasilien wird der Basisstoff für Polyurethane (Kunststoffe) hergestellt, dort hatte sich 1992 ein schwerer Unfall in der Produktion ereignet. Zudem trat dort mehrmals in den letzten Jahren Phosgen aus.

Die Zusammenarbeit zwischen der BAYER-Tochter BAYER Far East Polyurethane Co Ltd und den taiwanesischen Genehmigungsbehörden verlief offenbar wie geschmiert. Schon nach wenigen Wochen wurde das brisante Projekt vom Wirtschaftsministerium in Taipeh durchgewunken. Die staatliche Umweltbehörde EPA, die Bedenken anmeldete und eine 6monatige Umweltverträglichkeitsprüfung vorschlug, konnte sich zunächst gegen die wirtschaftlichen Interessen nicht durchsetzen.
Die Investitionssumme von über einer Milliarde DM ließ alle restlichen Bedenken verblassen, weshalb sich BAYER auch nicht um eine Information der Bevölkerung kümmerte.

Nachdem aber Gefahren der TDI-Produktion und Details über die Genehmigung der Anlage an die Öffentlichkeit gelangten, hagelte es Proteste. Eine zeitgleiche Störfallserie in der taiwanesischen Chemie- Industrie ließ das Vertrauen in die Regierung und in das neue BAYER- Projekt auf den Nullpunkt sinken, es formierte sich ein breites Opposi-
tionsbündnis. Im Herbst ´96 wurde die Bürgerinitiative Anti-Bayer Action Union (ABAU) gegründet, die regen Zulauf von AnwohnerInnen, StudentInnen und AnhängerInnen der Oppositionspartei Democratic Progress Party erhielt und starke Gegendemonstrationen organisierte. Für die Gouverneurswahlen im Herbst ´97 stellt die ABAU einen eigenen Kandidaten auf, da sie hofft, daß das Wirtschaftsministerium während des Wahlkampfes keine endgültige Genehmigung aussprechen wird. Auch lokale Behörden und Bürgermeister der umliegenden Gemeinden wandten sich nun gegen das Projekt. Fast die Hälfte aller Abgeordneten der Provinzversammlung stimmte nun dafür, das BAYER-Projekt von drei Voraussetzungen abhängig zu machen: vollständige Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen Prozedur zur Einschätzung der Umweltver-
träglichkeit, ein fairer und angemessener Pachtvertrag sowie die Wiederherstellung des Vertrauens der Bürger. Auf den großen Protest aus der Region mußte das Wirtschaftsministerium reagieren und beschloß nun doch eine ausführliche Prüfung des Projekts und eine Serie von öffentlichen Anhörungen.

Derweil intensiviert BAYER die Bemühungen: auf Politiker wurde unmißverständlicher Druck ausgeübt (auch von finanziellen Zuwendun-
gen ist die Rede), Journalisten und Entscheidungsträger wurden nach Deutschland eingeladen und die lokale Protestbewegung wurde als "kommunistisch unterwandert" diffamiert. Mit dem selben "Argument" wurde die Zusammenarbeit mit der COORDINATION GEGEN BAYER- GEFAHREN torpediert, die die ABAU mit ihrer BAYER-spezifischen Erfahrung unterstützt. In Taiwan, das offiziell noch immer im Kriegszu-
stand mit China steht, verfängt diese Vorgehensweise leider bis heute.

Das gemeinsame Ziel von ABAU und COORDINATION ist es nun, die taiwanesische Öffentlichkeit über den Multi BAYER und die Risiken der geplanten Produktion zu informieren. BAYER ist in Taiwan kaum bekannt und behauptet auf Anfrage, in seinen Werken habe sich noch nie (!) einen Störfall ereignet, da BAYER die sichersten Fabriken der Welt baue. Eine Aussage, die es gründlich zu widerlegen gilt!