SWB 01/97 - Ticker

DRUGS & PILLS

BAYER 04 schluckt "Scheiß des Monats"
Der Marburger Apotheker Dr. Gregor Huesmann nimmt seinen Beruf sehr ernst. Statt seinen Kunden jedes neue "Medikament" anzudrehen, setzt er auf Beratung und rationale Therapie. Um über die teilweise abstrusen Mittel der Pillendreher aufzuklären, dekorierte er das Schaufenster seiner Apotheke in einer für seinen Berufsstand eigenwilligen und mutigen Weise. Sogenanten Schlankheitsmitteln und anderen Pülverchen verlieh er das drastische Attribut "Scheiß des Monats". Dies rief den Zorn einer kleinen Firma hervor, die ein dubioses Haifischknorpel-Präparat zur angeblich allgemeinen Stärkung herstellt. Das Pharma-Unternehmen erwirkte eine Einstweilige Verfügung gegen Huesmann mit einem Streitwert von 500.000 Mark, eine für den Apotheker möglicherweise existenzbedrohende Maßregelung.
Unverhoffte Schützenhilfe erhielt der Haifischknorpel-Hersteller (der mit seinem "Produkt" zum Ausrotten einer bedrohten Tierart beiträgt) vom Pharma-Riesen BAYER. Die Konzernkicker des Bundesligisten BAYER 04 nämlich schwören auf Haifischknorpel. In einer eigens eingerufenen Pressekonferenz stellten sie sich vor die "Haifischfirma" und bescheinigten dem zweifelhaften Präparat eine große Wirksamkeit.
Taucht die Frage auf, weshalb sich BAYER so in den Ring wirft? Entweder gehört die Haifisch-Firma zum Konzern oder dem Konzern ist viel daran gelegen, den Pharma-Kritiker mundtot zu machen oder beides.

"Zukunftswerkstatt Krankenhaus"
Um die Einflußmöglichkeiten auf durch Spardiktate gebeutelte öffentliche Krankenhäuser zu sondieren, veranstaltete BAYER im Juni 1996 in Dortmund die erste "Zukunftswerkstatt für das Krankenhaus". Ärzte- und Pflegepersonal sowie medizinisch-technische Dienste und Kranken-
hausmanager diskutierten in Arbeitsgruppen. Der BAYER-Konzern verspricht sich von der - perfiderweise nach dem fortschrittlichen Zukunftsforscher Robert Jungk benannten - Zukunftswerkstatt "neue Konzepte der Zusammenarbeit" und "kundenorientierte Problem-
lösungen", letztlich also mehr Umsatz.

Gesundheits-Chipkarte von BAYER & IBM
BAYER stellte auf der letzten MEDICA Ende 1996 eine zusamen mit IBM entwickelte "Gesundheits-Chipkarte" vor (SWB berichtete). Wie Arne Zumbaum, Chef von BAYER- Pharma Deutschland, mitteilte, werde BAYER die Karte im Raum Leverkusen zusammen mit Schwangeren, jungen Müttern, GynäkologInnen, PädiaterInnen, der Kassenärztlichen Vereinigung, der BKK BAYER und Krankenhäusern testen. Die Karte besitzt auf der Vorderseite einen Mikroprozessor mit relativ großer Speicherkapazität (8 KB) und auf der Rückseite eine mit Laser beschreibbare Schicht, ähnlich einer CD-Rom mit einem Speicherplatz von bis zu 6,6 MB, was einer Textmenge von ca. 1.800 Seiten oder aber 70 Röntgenbildern entspricht. BAYER zufolge sollen Daten zum Krankheitsverlauf, zur Medikation, zu Risikofaktoren, zum jeweils letzten Arztbesuch uws. gespeichert werden. KritikerInnen befürchten jedoch eine totale Überwachung von PatientInnen, die auch auf ArbeitnehmerInen ausgeweitet werden könnte.
Bereits Ende 1993 startete die EU die "Konzertierte Aktion Eurocards", und seitdem sind in sechs Arbeitsgruppen 35 europäische ExpertInnen damit beschäftigt, Technik und Normen europaweit zu vereinheitlichen. Ziel ist es, daß jede, in irgendeinem Land der EU eingesetzte Patienten-Chipkarte in jedem anderen EU-Land, in jeder Gesundheitseinrichtung gelesen werden kann. Außerdem sollen später einmal alle PatientInnendaten über das Internet vermetzt werden.

Teurer Cocktail gegen AIDS
Die Pharmariesen BAYER und HOECHST, in braunen Zeiten Abteilungen des IG FARBEN-Konzerns, arbeiten gemeinsam an einem Medikament gegen AIDS. Der Arbeitstitel lautet HBY 097 (SWB berichtete mehrfach).
Helga Rübsamen-Waigmann, Leiterin der Virusforschung bei BAYER, kündigte schon vor einer möglichen Markteinführung an, daß das Medikament teuer sein wird. Hinzu komme, daß es mit anderen (ebenfalls teuren) Präparaten kombiniert werden müsse. Auch die im Zusamenhang mit HBY 097 notwendigen Bluttests seien kostspielig.
VertreterInnen von AIDS-Hilfegruppen kritisieren immer wieder die astronomischen Preise der Präparate, die einer Zwei-Klassen-Medizin Vorschub leisten. Insbesondere AIDS-PatientInnen in der "Dritten Welt" haben keine Chance auf die teuren Päparate von BAYER & Co.

LIPOBAY gegen Blutfette
Viele Pharma-Konzerne bedienen den wachsenden Markt der Cholesterinsenker. So wurde aus aus BAYER-Sicht höchste Zeit, daß auch der Leverkusener Multi sich ein Stück vom Kuchen abschneidet.
Er "entwickelte" LIPOBAY mit dem Wirkstoff Cerivastatin, das bereits in Amerika, Japan und Europa ist zur Zulassung beantragt ist und noch 1997 auf den Markt kommen soll. BAYER erwartet durch LIPOBAY Umsätze in Höhe von 700 Millionen Mark pro Jahr. Doch auch ohne LIPOBAY sind die Pharma-Umsätze von BAYER trotz Gesundheits-
reform um 7 % gestiegen!

BAYTRIL schädigt Schwein und Mensch
Immer mehr Menschen werden durch Antibiotika, die in der mit artgerechter Tierhaltung nicht in Einklang zu bringenden Tiermast verwendet werden, gesundheitlich zum Teil schwerwiegend geschädigt. Sogar von Todesfällen ist die Rede. Die dem Futter zumeist routuinemäßig beigemischten Substanzen können über den Fleischverzehr in den Blutkreislauf des Menschen gelangen und dort bei Krankheitserregern Resistenzen gegen Antibiotika erzeugen.
Trotz dieser Erkenntnis verzögerte das das dem Bundesgesundheits-
ministerium unterstehende "Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin" Verbote. Selbst dann, wenn die Präperate als krebserregend gelten.
Auch BAYER als führender Hersteller sog. Veterinär-Produkte ist in den Skandal verwickelt. Ende 1995 ließ das Institut für Veterinärmedizin das Mittel BAYTRIL zu, ein Antibiotikum gegen Husten und Durchfall bei Schweinen, das fast 100 % aller Masttiere (präventiv) verabreicht wird. BAYTRIL gehört zu der Gruppe der Chinolone, die auch beim Menschen gegen schwere Entzündungen eingesetzt werden. Im Fall von Resistenzbildungen kann der Einsatz von Chinolonen beim Menschen zum Tod durch Nicht-Wirkung führen. Da die Resistenzen mit üblichen Tests kaum festgestellt werden können, ein nicht gerade geringes Risiko.

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN fordert strengste Indikationsbeschränkungen für BAYTRIL, die Hinwendung zu artgerchten Aufzuchtverfahren, ein Verbot von chemischen Mast-Präperaten und eine strikte Kontrolle des Antibioitika- Einsatzes im Veterinär-Bereich.

Arzneimittelspenden als profitabler Müllexport
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 1996 Leitlinien für Arzneimittelspenden erstellt, die nun auch in deutsch erschienen sind. Sie sind notwendig, weil ans Licht gekommen ist, daß die meisten Medikamenten-Sammlungen in den Industrieländern nur selten eine Hilfe für die kranken Menschen in den Export-Regionen sind. Pharmafirmen verschiffen gleich palettenweise Chargen aus Überproduktionen, größtenteils überaltert oder sogar durch Verbote aus dem Verkehr gezogen.
Für die Firmen ist eine solche Möglichkeit zu "helfen" doppelt reizvoll, verleiht sie doch ein uneigennütziges Image und entsorgt preiswert Sondermüll. Gleichzeitig hilft der Pharma-Müllexport durch Spendenquittungen auch noch Steuern sparen.
Die WHO-Leitlinien verweisen u. a. auf bestehende nationale bzw. WHO-Listen über unentbehrliche Arzneimittel und veröffentlichen eine Checkliste, die die HelferInnen in den Empfängerländern über Sinn und Unsinn der "Spenden" aufklären. Die Leitlinien sind veröffentlicht vom Deutschen Institut für ärztliche Mission und Miserior.

Viel Geld für weniger Gesundheit
Trotz des Gesundheitsstrukturgesetzes haben BAYER & Co gut verdient. 1995 sind die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherungen für Arzneimittel wieder angestiegen und haben beinahe das Rekordniveau von 1992 wieder erreicht. Der Gesamtumsatz von Arzneimitteln ist 1995 um 7,1 % auf 33,1 Milliarden Mark gestiegen (die für 1996 prognostizierte Zahl lag bei Redaktionsschluß bei 35,7 Milliarden Mark).
Einerseits dokumentieren die steigenden Umsätze im Bereich Generika, daß ÄrztInnen wie PatientInnen bereit sind, auf kostengünstigere Alternativen auszuweichen. Andererseits haben gerade die Einführung neuer, patentgeschützter Präparate die Ausgaben um 950 Millionen ansteigen lassen.
Die Vermarktung sog. "Me-Too-Präparate" brachte 3 Milliarden Mark ein. Weiteres Einsparpotential in Höhe mehrerer hundert Millionen, wenn nicht gar Milliarden Mark besteht im Bereich der irrationalen und Alltarzneimittel. Hier einschneidende Veränderungen zu realisieren, z. B. durch das Verbot aller (Alt-)Arzneimittel ohne Wirksamkeitsnachweis durch die politisch Verantwortlichen, verhindert die bisher erfolgreich Lobby-Arbeit der Pharma-Industrie, allen voran BAYER.

Zu hohen Preisen verGATTert
Ende 1996 veranstaltete die BUKO-Pharma-Kampagne ein internationales Seminar zu den Folgen der GATT-Vereinbarungen (GATT = Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen) für die Arzneimittelversorgung der "Dritten Welt". Seit 1995 sind die Länder der "Dritten Welt" gezwungen die Patente für Arzneimittel aus den Industrieländern für 20 Jahre zu respektieren. Das hat zur Folge, daß die Länder, die bisher selbst keine Patente kannten, gezwungen werden, Patentgesetze zu erlassen. Der einheimischen Industrie, die Arzneimittel sehr viel billiger und dem Technologieniveau des jeweiligen Landes eher angepaßt auf den Markt bringen konnte, droht nun der Kollaps.
Da die Möglichkeiten einer Zwangsverpflichtung zur Erlaubnis der Produktion patentgeschützter Medikamente an sehr enge Voraussetzungen geknüpft sind, droht dem Pharmamarkt der "Dritten Welt" die Verdrängung der einheimischen Produktion durch Tochterfirmen transnationaler Pharmafirmen. Der Verstoß gegen diese Regelungen ist mit Schadenersatzleistungen in Höhe des (imaginären) Einnahmeverlustes der Patentbesitzerin sanktioniert.
Die Auswirkungen für die Länder der "Dritten Welt" liegen auf der Hand: Die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung wird teurer. Mangels Schätzungen für die Länder des Südens eine Zahl für Deutschland:
Die Krankenkassen geben für ein patentgeschütztes Medikament durchschnittlich dreimal soviel aus wie für ein patentfreies Mittel.
Da Arzneimittel in den Ländern des Südens billiger sind, wird der Preisunterschied zwischen beiden Medikamentenklassen noch größer ausfallen.
Der ehemalige Vizepräsident des US-Pharmakonzerns ELI LILY, Edgar G. Davis, lobte die NAFTA Patentregeln als "Meisterleistung", die "zeigt, was die Industrie erreichen kann, wenn sie gemeinsam handelt." Die Lobby der Global Player der Pharma-Industrie wie z. B. BAYER schert sich kein bißchen um eine sinnvolle Arzneimittelversorgung in den armen Ländern.