SWB 01/98

Geplante BAYER-TDI-Anlage in Taiwan
vor dem Aus !

Die Kritiker der geplanten BAYER-Werksansiedlung in Taiwan, Politiker und örtliche Bevölkerung haben einen großen Erfolg errungen. Unterstützt durch die internationale Arbeit der Coordination gegen BAYER-Gefahren, den Ausgang der Kommunalwahlen in Taiwan im Dezember und die Verzögerund der Baugenehmigung durch die Provinzversammlung von Taichung wurde der Konzern gezwungen, seine Pläne zu stoppen. Die 500 Millionen DM-Investitionssumme wurde auf Eis gelegt, zugleich wurden Ausbaupläne für den Chemiekomplex in Baytown/USA angekündigt. Eine für dieses Frühjahr angekündigte lokale Volksbefragung zum BAYER-Projekt in Taiwan kann die sicherheits-
sensible Anlagenplanung endgültig zu Grabe tragen.

Wie "Stichwort BAYER" mehrfach berichtete, wollte der Konzern spätestens im vierten Quartal 1996 mit dem Bau dieser weltweit zweitgrößten Anlage (Kapazität ca. 100.000 Jahrestonnen) in der taiwanesischen Hafenstadt Taichung beginnen, um die gesamte ostasiatische Region mit Kunststoff-Vorprodukten zu beliefern. Doch das Vorhaben, das schon in der ersten Ausbaustufe Investitionen in Höhe von 450 Millionen Mark erforderte, liegt seitdem auf Eis. Der lokale Widerstand vor Ort sowie die internationale Öffentlichkeitsarbeit der Coordination haben letztendlich bewirkt, daß sich der BAYER-Konzern nun auf Raten von diesem strategischen Projekt verabschiedet. Bereits auf der letzten BAYER-Hauptversammlung am 30. April 1997 trug Frau Uie-Liang Liou als Vertreterin des Bürgerbündnisses Anti-Bayer Action Union (ABAU) die Fragen und Forderungen der Betroffenen in Taiwan vor. Zudem hatte Uwe Friedrich vom Vorstand der Coordination im Mai letzten Jahres Gelegenheit, als Gast der ABAU Gespräche vor Ort zu führen, Politikern und Medien über Erfahrungen mit der Betriebssicher-
heit, Störanfälligkeit und Genehmigungspraxis deutscher TDI-Anlagen zu informieren.

Die Folge: Immer noch ist erst ein Drittel des Werksgeländes im Hafen von Taichung aufgeschüttet und planiert. Der Planungs- und Genehmigungsprozeß verzögert sich, obwohl die im Januar 1997 beschlossene - auf sechs Monate angelegte -Umweltverträglichkeits-
prüfung für das Projekt inzwischen durchgeführt und der Antrag auf Errichtung der Anlage von der Provinzregierung in Abstimmung mit der Zentralregierung genehmigt wurde. Am 15. Dezember schloß die Provinregierung mit BAYER ein Pachtabkommen ab, das allerdings der Bestätigung des Provinzparlaments bedarf. Denn das letzte Wort hat die Provinzversammlung in Taichung, die auf Druck der Bevölkerung und der lokalen Selbstverwaltungsgremien die schon genannte Umweltverträg-
lichkeitsprüfung erst veranlaßte. Zudem haben die Kommunalwahlen vom 2. Dezember mit dem Sieg der bisherigen Oppositionspartei DPP in Taichung County die Situation grundlegend verändert. Die Provinz-
versammlung trug dem veränderten Kräfteverhältnis Rechnung und verweigerte auf seiner Sitzung am 19. Dezember eine definitive Entscheidung des Projekts ohne Einbeziehung lokaler Bürgerinteressen. Der Grund dafür liegt auch in der Tatsache, daß der dem Projekt kritisch gegenüberstehende neue Kreismagistrat noch für dieses Frühjahr ein Referendum zum BAYER-Projekt angekündigt hat - und damit ein zentrales Wahlversprechen von Mr. Liao, dem gewählten Landrat, und der Anti-BAYER Action Union (ABAU) - umsetzt.

BAYER reagierte auf diese Nachricht umgehend: Nachdem der Konzern noch am 30. November auf einer Pressekonferenz in Hongkong behauptete, mit dem Bau des TDI-Werks könne ab Februar 1998 begonnen werden, kam am 18. Dezember aus Leverkusen das kategorische STOP für weitere Verhandlungen. BAYER-Presssprecher Reinert: “Die Verhandlungen in Taiwan sind unterbrochen....Wir sind tief enttäuscht, daß unsere intensiven Bemühungen, die taiwanesischen Behörden von den Vorteilen einer Ansiedlung von Bayer in Taiwan zu überzeugen, erfolglos geblieben sind. Die vorbereiteten Alternativpläne am Standort Baytown/USA werden umgehend angestoßen."

Der Konzern plant somit den Ausbau der weltgrößten TDI-Anlage in Baytown in Texas (aktuelle Kapazität: 140.000 Jahrestonnen) und fährt trotzdem zweigleisig. Denn einen solch lukrativen Markt wie den ostasiatischen - mit stetig wachsendem Bedarf an Massenkunststoffen - läßt sich BAYER nicht entgehen. Eine erhoffte spätere Entscheidung der Provinzversammlung soll die Tür für die Investition offenhalten. Die große Unbekannte in diesem Spiel ist jedoch das Votum des lokalen Volksbegehrens. Sein Ergebnis wird die endgültige Entscheidung für das Projekt bringen.