SWB 03/98 - Ticker

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Pestizid-Absatz floriert
Die bundesdeutsche Ackergift-Industrie konnte für das Geschäftsjahr 1997 eine positive Bilanz ziehen. Im Inland stieg der Umsatz um 6,8 % auf 1,9 Milliarden Mark; der Auslandsumsatz steigerte sich um 15,2 % auf 4 Milliarden Mark. Auch die produzierte Wirkstoffmenge wuchs, von 91.097 Tonnen im Jahr 1993 auf 103.336 Tonnen im Jahr 1997. Eine Trendwende hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft ist also nicht zu beobachten, die Gefährdung von Mensch und Umwelt durch Pestizide wird weltweit noch zunehmen.

Pestizide in der EU
Im Rahmen des 5. EU-Umweltaktionsprogramms fand in Brüssel ein Workshop zur europäischen Pestizid-Politik statt. TeilnehmerInnen waren PolitikerInnen, ForscherInnen, Industrie-SprecherInnen und VertreterInnen von Umweltverbänden. Konsens bestand darin, daß es zur existierenden EU-Gesetzgebung im Pestizid- Bereich ergänzende Handlungsinstrumente geben müsse. Bei konkreten Vorschlägen, etwa dem eines europaweiten Reduktionsprogramms für Pestizide, blockte die Ackergift-Lobby allerdings ab. Einigen konnte man sich lediglich auf Unverbindliches wie die Entwicklung einer "guten landwirtschaftlichen Praxis" sowie eine bessere Schulung der Pestizid-AnwenderInnen.

Pestizid-Imperialismus
Ein Bericht im Global Pesticide Campaigner beschreibt detailliert das ausbeuterische Regiment, dem Tabak-Bauern in Brasilien ausgesetzt sind. Formal unabhängig, sind sie de facto den großen Tabak- Konzernen wehrlos ausgeliefert. Diese schreiben den Farmern die Größe der Anbau-Fläche vor, zwingen sie, bestimmte Kontingente an Samen, Dünger und Pestiziden abzunehmen und treiben sie über die Vergabe von Krediten für den Bau von Tabak-Trocknungshallen in die finanzielle Abhängigkeit. Da die Konzerne direkt an den Pestiziden verdienen, stieg der Verbrauch in den letzten Jahren stark an. Die Folge: eine steigende Anzahl von Pestizid-Vergiftungen. Ihre Zahl belief sich in dem Zeitraum von 1986 bis 1997 auf ca. 10.000 Fälle, davon verliefen 919 tödlich. Dazu kommt noch eine hohe Dunkelziffer, weil die medizinische Versorgung auf dem Land sehr schlecht ist, und längst nicht alle Betroffenen einen Arzt aufsuchen. Schon 12jährige Kinder, die ihren Eltern bei dem arbeitsintensiven Tabak-Anbau helfen müssen, leiden an Vergiftungserscheinungen.  Die Tabak-Industrie fördert diese Kinderarbeit bewußt, indem sie gegenüber den Behörden "arbeits-
freundlichere" Stundenpläne in den Schulen durchsetzte. Ein Glied in der Ausbeutungskette: das BAYER-Insektizid CONFIDOR.

989 Pestizid-Opfer in Costa Rica
1996 wurden in Costa Rica 989 Kontaminationen durch Pestizide offiziell registriert. In 633 Fällen waren ArbeiterInnen von Bananen- Plantagen betroffen, wo u.a. die Wirkstoffe Chlorpyrifos, Glyphosate, Imazalil und Diuron zum Einsatz kommen, enthalten in den BAYER- Produkten RIDDER, KEEPER, RAPIR, BAYTAN und DIURON BAYER. Die Dunkelziffer der Vergiftungen liegt noch um einiges höher. Auch sind Langzeitschäden wie Asthma, Allergien oder Krebs von der Statistik ebensowenig erfaßt wie die gesundheitlichen Folgen von pestizid-
verseuchtem Trinkwasser. Costa Ricas Landwirtschaft ist von Bananen- Monokulturen beherrscht, was die Regierung gezielt fördert, beispielsweise durch Zollfreiheit für eingeführte Ackergifte. Da die Bananen-Produktion ständig steigt und die in den Industrieländern so beliebte Norm-Banane einen besonders intensiven Einsatz von Agrochemikalien verlangt, wächst auch der Pestizid-Verbrauch von Jahr zu Jahr.

Mehr Pestizide in Europa
Die europäische Pestizid-Industrie verzeichnete nach eigenen Angaben von 1994 bis 1996 stetig steigende Umsätze und Verkäufe. Während die Zahlen seit 1992 rückläufig gewesen waren, konnte 1994 eine Trendwende eingeleitet werden. Höhere Getreidepreise, mehr Anbauflächen und gute Witterungsbedindungen sorgten für einen Nachfrage-Anstieg.

Pestizide BSE-Verursacher?
1982 ordnete das britische Landwirtschaftsministerium an, Rinder durch das Insektizid PHOSMET vor der Vogelfliege zu schützen. Eine Untersuchung des Londoner Institute of Psychiatry ergab nun, daß ein Zusammenhang zwischen der Ausbringung von PHOSMET und der Ausbreitung des Rinderwahnsinns BSE besteht. Es bestätigte damit die These des Biobauern Michael Purdey. Er weigerte sich damals, das Insektizid zu benutzen, und hat bisher in seinen Beständen, trotz der Verwendung von als infektiös angesehenem Futter, keinen einzigen BSE-Fall zu beklagen. Seine entsprechenden Mitteilungen an das Landwirtschaftsministerium wurden vorher lange als Außenseiter- Meinung abgetan.

Wasserwerker für DIURON-Verbot
Nach Messungen der Stadtwerke Münster überschreitet das BAYER- Pestizid DIURON in den Sommermonaten den Grenzwert der Trinkwasser-Verordnung um das Drei- bis Fünffache. Einzelmessungen ergaben sogar eine Überschreitung um das 21fache! Aufgrund der Trinkwasser-Belastung mußten die Stadtwerke Münster extra eine Aktivkohle-Filteranlage bauen, Kostenpunkt: sechs Millionen Mark. Trotz eines Verbotes und entsprechender Hinweise in der Gebrauchsanleitung wird das Unkrautvernichtungsmittel hauptsächlich von Privatpersonen auf versiegelten, befestigten Flächen wie Verbundsteinpflaster, Plattenwegen und Garagenhöfen ausgebracht. Von da aus spült es der Regen in Gewässerläufe wie die Ems. Sogar im Grundwasser konnte schon DIURON nachgewiesen werden. BAYER will für die Umweltbelastungen durch das Herbizid keine Verantwortung übernehmen und sieht darin ein reines "Handhabungsproblem". Ohne dieses "Handhabungsproblem" würde der Absatz des Mittels aber empfindlich sinken, denn in der Landwirtschaft wird es kaum noch verwendet. Nach Meinung des Betriebsleiters der Münsteraner Stadtwerke, Hermann Gaupels, muß dagegen der Hersteller eine ausreichende Handhabungssicherheit gewährleisten. Da diese im Fall von Diuron nicht gegeben ist, fordert er ein Verbot.

ASPIRIN als Pestizid?
Da bahnt sich ja mal wieder ein Synergie-Effekt allergrößten Ausmaßes an: WeinbauforscherInnen haben festgestellt, daß die Salicylsäure, ein Grundstoff von ASPIRIN, als Pestizid-Wirkstoff im Einsatz gegen den "Falschen Mehltau" gute Dienste tut. Jetzt wird geprüft, ob die Substanz Risiken und Nebenwirkungen für Trauben und Wein hat. Sollte das nicht der Fall sein, steht der Entwicklung bis zur Marktreife nichts mehr im Wege. Vielleicht fallen dann auch bald die lästigen Kopfschmerzen nach dem Weingenuß weg.