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Wer hier eine schonungslose Aufarbeitung der BAYER-Vergangenheit erwartet, wird herb enttäuscht. Statt dessen betreiben die "Meilensteine"
Geschichtsklitterung. Sie beschreiben die IG-Manager als "nicht sonderlich politisch engagiert" und - alles nur durch die Brille von Technik und Wirtschaft betrachtend - einzig um ein gutes Verhältnis zu
den lokalen Partei-Organisationen bemüht. Irgendein Verhältnis scheint aber auch zu den nationalen Parteigrössen bestanden zu haben, sonst hätte Hitler zum Tode Carl Duisbergs bestimmt nicht so kondoliert: "Die
deutsche Chemie verliert in ihm einen ihrer ersten Pioniere und einen erfolgreichen Führer, die deutsche Wirtschaft einen ihrer großen Organisatoren. Sein Name wird in Deutschland in Ehren weiterleben."
Einige Jahre vorher hatte Carl Duisberg bei einer Feier anläßlich seiner Pensionierung frohlockt: "Ich freue mich auf einen Lebensabend unter unserem
Führer Adolf Hitler." Die "Meilensteine" dagegen kennzeichnen den faschistischen Terror verharmlosend als die "zwei Gesichter der ,deutschen Revolution`": gemeint sind einerseits Autobahnen
und Arbeitsplätze, andererseits Terror und Verfolgung. Daß Beschäftigung und Repression zwei Seiten der gleichen Medaille sind, kommt der BAYERHistorie dabei nicht in den Sinn. Die IG-Oberen hatten selbstredend nur
mit dem angeblich freundlicheren Gesicht zu tun. Denn rein zufällig entsprachen ihre während der Wirtschaftskrise erhobenen Forderungen nach Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und einer aktiven Konjunkturpolitik genau den
wirtschaftspolitischen Vorstellungen der Nazis. Darum haben die FirmenGeschichtler auch keinerlei Scheu, die belebende Wirkung des Machtwechsels auf die IG-Geschäfte herauszustreichen. Im nüchtern-sachlichen Stil
von Aktionärsbriefen berichten sie von generösen Darlehen sowie Garantieverträgen zur Abnahme bestimmter Kontingente und stellen die positiven Effekte der faschistischen Autarkie-Politik heraus. Sie führte nämlich
Produktions- zweige, die wegen zu hoher Endpreise auf dem Weltmarkt nicht mehr konkurrenzfähig waren, wieder aus der Talsohle. Der Tonfall ändert sich nicht einmal, als die Willfährigkeit des Konzerns gegenüber
den Wünschen der Nazis beschrieben wird, die sich "im inzwischen ausgebrochenen Zweiten Weltkrieg" nicht mehr für Borsten aus Polyurethan interessierten: "Sie wollten besseren Kautschuk haben, und
deshalb erforschte ein weiteres Team die Möglichkeit elastischer PolyurethanGiessmassen."
Wenn es dann lakonisch heißt "Zu einem besonderen Problem im Verlauf des Krieges wurde die Arbeitskräfteversorgung", ahnt der leidgeprüfte Leser
schon, daß man diese Sentenz allen Ernstes für angemessen hält, den Komplex "ZwangsarbeiterInnen" einzuleiten. Natürlich befolgte die IG FARBEN dabei nur die Rechtsvorschriften staatlicher Behörden, die
bis ins kleinste Detail alles festlegten. Das hauseigene Regime, wie es das IG-Vorstandsmitglied Christian Schneider festlegte, kommt daher nicht zur Sprache: "Oberster Grundsatz bleibt es, aus den
Kriegsgefangenen so viel Arbeitsleistung herauszuholen, als nur irgend möglich. Alle diese Menschen müssen so ernährt, untergebracht und behandelt werden, dass sie bei denkbar sparsamsten Aufwand die grösstmögliche
Leistung vollbringen." Die Wahl des Standortes Auschwitz für ein neues IG-Werk hatte laut "Meilensteine" selbstredend auch nichts mit dem "Arbeitskräfte- Reservoir" des dortigen KZs zu
tun. Nein, die gute Lage, die Infrastruktur und die Bodenschatz-Vorkommen gaben angeblich den Ausschlag. Nicht genug dieser Geschmacklosigkeiten, rühmt man sich allen Ernstes noch damit, die SklavenarbeiterInnen
zusätzlich mit einer heißen Mittagssuppe verköstigt zu haben, um sie schlußendlich mit dem IG FARBEN-Gift ZYKLON BAYER umbringen zu lassen.
Wo jede Einsicht in Schuld fehlt, muß auch Strafe als ungerecht empfunden werden. Noch die sehr milden Urteile im Nürnberger IG FARBEN-Prozeß sieht die
BAYERFirmengeschichte als zu hoch an. Sich schnell noch des Beistandes der gesamten Innung versichernd, kommentiert sie die siebenjährige Haftstrafe für Fritz ter Meer so: "In der Industrie war man bestürzt
über dieses Urteil. Man wußte, dass ter Meer kein Nazi gewesen war." Dieser hatte bei den Nürnberger Prozessen ausgesagt, den ZwangsarbeiterInnen sei kein besonderes Leid zugefügt worden, "da man sie
ohnedies getötet hätte."
Aber die "Meilensteine" üben nicht nur Kritik am Urteil des amerikanischen Militärgerichts. Mit mehr als nur klammheimlicher Freude berichten sie,
wie Werksangehörige sich geradezu einen Spaß daraus machten, der Besatzungsmacht gegenüber "passiven Wider- stand" zu leisten und wie die IG-Forscher zumeist "ein erstaunlich schlechtes
Gedächtnis" zeigten, wenn es darum ging, den "Interrogation teams" der Briten Rede und Antwort zu stehen.
In der Zeit von 1933-1945 konnte die IG-FARBEN ihr Firmenvermögen beträchtlich vermehren, nicht zuletzt aufgrund der Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen. Als
die Alliierten den Konzern nach dem Krieg schließlich entflechteten, war BAYER Hauptprofiteur, denn dem Chemie-Unternehmen wurde mit AGFA und WEILER-TER MEER die gesamte ehemalige Niederrheingruppe der IG FARBEN
zugeschlagen. Die von der IG in der Region gebildeten Schwerpunkt-Produktionen "Pharma" und "Agrochemikalien" boten der neugegründeten FARBENFABRIK BAYER "gute Startbedingungen", wie
die "Meilen- steine" unumwunden zugeben. Aus den Erfindungen, Entdeckungen und neu entwickelten Verfahren der IG-Ära wie Perlon, Synthese-Kautschuk, Lackrohstoffen, Sulfonamiden, synthetischen
Gerbstoffen und der Silbersalzdiffusion schlägt BAYER bis heute Profit. So war das dunkle Kapitel für die Menschheit ein lukratives für BAYER.
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN fordert den Konzern auf, sich seiner historischen Verantwortung zu stellen und die ehemaligen ZwangsarbeiterInnen der IG
FARBEN zu entschädigen. Die Existenz der reinen Briefkastenfirma IG FARBEN IN LIQUIDATION entbindet BAYER in keinster Weise von dieser moralischen Pflicht.
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