SWB 01/99

25 Jahre gebrochene Versprechen:

Das Bayer-Werk Brunsbüttel

Die Welt ist heil rund um das Bayer-Werk in Brunsbüttel. Keine Kritik stört die Sektlaune der Honorationen beim Festakt zum 25jährigen Jubiläum. Die Gäste, darunter Bayer-Chef Manfred Schneider, lauschen den betriebseigenen Philharmonikern, der Werksleiter beschwört den Aufbruch ins neue Jahrtausend und Heide Simonis überbringt die Glückwünsche der Landesregierung. Dabei gibt es genügend Ungereimtheiten bei der Ansiedlung dieses jüngsten Bayer-Werkes, auf die es hinzuweisen lohnt.

1.000 Menschen mußten einst für das Industriegebiet Brunsbüttel umgesiedelt werden. Jahrelanger Protest von Bewohnern und Elbfischern wurde erstickt, das jahrhundertealte Dorf Ostermoor schließlich eingeebnet. 420 Hektar wurden vom Land Schleswig- Holstein enteignet und erschlossen. Mehr als eine Milliarde Mark investierte die öffentliche Hand für Grunderwerb, Geländeaufschüttung, Hafen- und Straßenbau, um das Gelände dann praktisch weiterzuver-
schenken: gerade einmal 4,50 DM zahlte die Bayer AG pro Quadratmeter Land, wobei der Kaufpreis mit einem "Grundstücksbewirt-
schaftungszuschuß" von 26 Mio DM verrechnet wurde. Reingewinn für Bayer: ein 376 Hektar großes Industriegebiet mit Gleis-, Straßen- und Seeanbindung plus neun Mio DM obendrauf. Zur Beruhigung der Öffentlichkeit wurde zynischerweise in einen der enteigneten Höfe ein "Bayer-Info Zentrum" eingerichtet. Da der Leverkusener Konzern zudem öffentliche Investitionszulagen, staatliche Förderprogramme und Infrastrukturbeihilfen erhielt, ist bis heute unklar, ob das Unternehmen in Brunsbüttel überhaupt eigenes Geld investieren mußte.

Doch die Gegenleistung blieb bescheiden. Nur 20% des geschenkten Geländes wurden bis heute bebaut, statt der versprochenen 4.500 Arbeitsplätze gibt es gerade 1.350 Bayer-Werker, die zum großen Teil auch noch von anderen Werken nach Brunsbüttel versetzt worden waren. Durch Zulieferbetriebe sollten bis zu 20.000 Arbeitsplätze entstehen, tatsächlich sind es 4.500. Die CDU-Landesregierung, die seinerzeit Forderungen nach einer vertraglichen Absicherung der Arbeitsplatz-
zusage als "weltfremd" bezeichnet hatte, verhinderte konkrete Vereinbarungen. So können die Subventionen heute nicht zurückgefordert werden.

Die ökologische Bilanz sieht nicht viel besser aus. 100 Mio cbm Wasser verbraucht das Werk jährlich, die umliegenden Wasserwerke pumpen was das Zeug hält. In den benachbarten Gemeinden fallen Brunnen trocken, vertrocknen Weiden und sind Bodensackungen alltäglich. Großzügig genehmigte die Landesregierung einst Emissionen in Luft und Wasser: 21 Kubikmeter Wasser darf das Werk pro Sekunde in die Elbe einleiten, soviel wie die Weser im Sommer mit sich führt. Bis zu 650 to Schwermetalle, 130 to Blei und 20.000 to Schwebstoffe können so jährlich entsorgt werden. Die Abluft der betriebseigenen Müllverbrennungsanlage darf bis zu 250 Stoffe enthalten, darunter Dioxin. Verbrannt werden dürfen auch Stoffe, die bei Bayer gar nicht anfallen-die Müllbranche ist schließlich ein lukrativer Zweig. Und um "Planungssicherheit" zu erhalten, erhielten die Emissionsgenehmigungen Gültigkeiten von bis zu fünfzig Jahren.

In den 80er Jahren kam es zu zahlreichen Demonstrationen in Brunsbüttel, Greenpeace forderte vehement eine Verringerung der Einleitungen. Sogar CDU-Bürgermeister sprachen sich auf Kundgebungen gegen die Chemiefracht in der Elbe aus. Auch gegen die MDA-Anlage, in der das hochtoxische Gas Phosgen zum Einsatz kommt, wurden Eingaben gemacht. Doch waren Proteste noch vor zehn Jahren an der Tagesordnung, so kommen mittlerweile ökologische Probleme kaum noch in die Öffentlichkeit. Der als Umweltschützer aktive Pastor Martin Pustowka wurde auf Druck von Bayer versetzt-der damalige Werksleiter Klaus Kleine-Weischede, aktiv in der evangelischen Landeskirche, hatte erfolgreich bei der Kirchenführung interveniert.

Bayer-Gelder fließen heute in jeden Sportverein und in die Gemeindehaushalte, Polit-Prominenz gibt sich öffentlichkeitswirksam die Tür in die Hand. Die Öffentlichkeitsabteilung des Unternehmens produziert tonnenweise Propaganda, die alle Haushalte der näheren Umgebung erreicht. Und zum jetzigen Jubiläum liess Bayer dem größten Lokalblatt, der Dithmarscher Landeszeitung, eine 7seitige "Sonderver-
öffentlichung" beilegen. Die Zeitung zeigte sich entsprechend erkenntlich und gratulierte dem Konzern auf einer ganzen Seite mit einer Glückwunsch-Anzeige. Von dieser Art Presse hat Bayer nichts mehr zu befürchten.

Philipp Mimkes