SWB 04/99

Konzerne fordern Freihandel, der Kanzler hält die Tischrede

Globalisierungsgipfel in Berlin

Der einflussreiche Lobbyverband Trans Atlantic Business Dialogue kam Ende Oktober in Berlin zusammen, um die Spielregeln für die internationale Handelspolitik neu zu definieren. Der BAYER-Konzern war durch sein Vorstandsmitglied Werner Spinner an zentralen Stelle vertreten: Spinner leitete den Ausschuss Globale Themen, der von der Klimapolitik bis zur Erweiterung der Welthandelsorganisation WTO für die wichtigsten Bereiche zuständig war.

Von Philipp Mimkes

Getagt wurde im noblen Hotel Inter-Conti, zum Gala Diner sprach Gerhard Schröder. Neben 120 Konzern-Bossen von beiden Seiten des Atlantiks waren beim Treffen des Trans Atlantic Business Dialogue (TABD) auch einige ausgewählte Politiker geladen: der amerikanische Handelsminister William Daley, WTO-Generaldirektor Mike Moore, der EU-Ministerratspräsident Kimmo Sasi und zwei EU-Kommissare.

Nach Angaben des US-Handelsministeriums "geht fast jede Marktöffnung in den USA und der EU in den letzten Jahren auf Vorschläge des TABD zurück". Auf dem Berliner Treffen sprach sich der Verband gegen US-Restriktionen beim Export von militärisch und zivil nutzbaren dual-use-Gütern und gegen das Verbot klimaschädigender Kühlmittel durch die EU aus. Außerdem wurde mit der Politik die letzte Abstimmung vor der WTO-Ministerkonferenz in Seattle vorgenommen, der sogenannten Millenium Round. Wer dabei das Sagen hatte, zeigt unmissverständlich ein Vorbereitungspapier zum Kongress: "Der TABD erwartet von den Regierungen eine befriedigende Umsetzung aller Beschlüsse". Die EU zeigt sich gegenüber den Industrie-Wünschen denn auch aufgeschlossen und will in Seattle ein internationales Investitions-
regelwerk - im Geiste des 1998 gescheiterten MAI - vorschlagen.

Der enorme Einfluss des TABD, der in Kontrast zum geringen Bekanntheitsgrad steht, liegt in dem exklusiven Zugang zur Politik begründet. Täglich werden in Brüssel Informationen ausgetauscht und Ziele abgeglichen, häufig werden Industrie-Vorschläge direkt in offizielle EU-Programme übernommen. Routinemäßig nimmt der Verband auch an den europäisch-amerikanischen Gipfeltreffen teil. Beim letzten Zusammenkommen am 21. Juni in Bonn übergaben die TABD- Vorsitzenden ihre Forderungen zur Handels- und Investitionspolitik an Bundeskanzler Schröder und US Präsident Clinton. Am nächsten Tag bekräftigten der neue Kommissionspräsident Romano Prodi und die Noch-Kommissare Brittan und Bangemann die Unterstützung der TABD-Ziele. Jérome Monod, Europa-Vorsitzender des TABD vor dem EU-Parlament: "Wir sind zweifellos diejenige Nichtregierungs- Organisation mit dem größten Zugang zu politischen Institutionen auf beiden Seiten des Atlantiks."

Regierungsunabhängige Organisationen wie das Amsterdamer Corporate Europe Observatory kritisieren diese Symbiose von Politik und Wirtschaft, denn weder Gewerkschaften noch Umweltverbände werden in änlicher Weise angehört. Die Vorstellungen der Industrie-
vertreter führen zu Sozialdumping, vermindertem Verbraucherschutz und größeren Verkehrsströmen. Die Kritiker monieren die undemokratische Einstellung von Politikern, die Interessen von Konzernen zur einzigen Basis politischer Entscheidungen zu machen.

Verschiedene Berliner Gruppen demonstrierten am Tagungsort gegen die ungezügelte Globalisierung, für die der TABD steht. In einer Podiumsdiskussion sprachen sich Olivier Hoedeman vom Corporate Europe Observatory und Philipp Mimkes von der CBG für eine Beschneidung des Konzern-Einflusses aus.

Der Trans Atlantic Business Dialogue
Auf Initiative der EU-Kommission und der amerikanischen Regierung wurde 1995 der Trans Atlantic Business Dialogue aus der Taufe gehoben. Dem Forum gehören 120 Vorstandsvorsitzende multinationaler Konzerne an, auf europäischer Seite u.a. die Bosse von SIEMENS, PHILIPS, ERICSSON, OLIVETTI, BAYER und BERTELSMANN. Die amerikanische Wirtschaft wird durch Schwergewichte wie BOEING, IBM, FORD, GM, MOTOROLA und XEROX vertreten.

Der wichtigste Wunsch des illustren Gremiums ist die Einführung einer transatlantischen Freihandelszone. Als Vorraussetzung dafür gelten einheitliche Verbraucher-, Umwelt- und Arbeitsschutzgesetze - am besten auf dem niedrigen amerikanischen Niveau. Internationale Umweltabkommen, zum Beispiel zum Klimaschutz, lehnt die Runde vehement ab, stattdessen werden Selbstverpflichtungen der Industrie propagiert. Handelsbeschränkungen zur Umsetzung politischer Ziele (wie das langjährige Embargo gegen Südafrika) sollen verboten werden. Im Agrar-Bereich plädieren die Industrievertreter für den ungehinderten Export gentechnisch veränderter Nahrungsmittel und Saatgüter und kritisieren das Importverbot der EU für hormonbehandeltes Rindfleisch.