SWB 01/00 - Ticker

IG FARBEN & HEUTE

Weiter Streit um Entschädigungen
Wer gedacht hatte, dass mit der Einigung über die finanzielle Ausstattung des Entschädigungsfonds (10 Milliarden Mark) nun endlich mit den Auszahlungen an die ehemaligen ZwangsarbeiterInnen begonnen würde, sah sich getäuscht. Nach wie vor werden unwürdige und beschämende Debatten darüber geführt, wer überhaupt ein "Zwangsarbeiter" ist und deshalb Ansprüche auf eine Entschädigung hat. Die Verhandlungsteilnehmer streiten noch immer darüber, ob nur solche, die nach 1937 aus ihrem Heimatland ins Deutsche Reich deportiert wurden oder z.B. auch ÖsterreicherInnen und Opfer medizinischer Versuche Zahlungen erhalten sollen. Uneinigkeit besteht auch darüber, ob die ganzen 10 Milliarden Mark für Entschädigungen aufgewandt werden sollen oder ein Teil für den so genannten Zukunftsfonds, für die Begleichung von Vermögensschäden nach "Arisierungen" und für die Anwaltshonorare abgezweigt wird. Auch stößt die Höhe des für den Zukunftsfonds vorgesehenen Betrages auf Ablehnung, da sie zu Lasten der ohnehin schon geringen Entschädigungssumme geht. Die bundesdeutsche Wirtschaft hat es noch nicht einmal vermocht, ihren - läppischen und zudem noch steuerabzugsfähigen - Fonds-Anteil zusammenzubekommen, pocht dagegen aber beharrlich auf eine Garantie, in Zukunft von Sammelklagen verschont zu bleiben. Ob die hoch betagten und dringend auf finanzielle Unterstützung angewiesenen NS-Opfer im Sommer die ersten Gelder erhalten werden, ist also noch äußerst unklar.

Fonds ohne IG FARBEN i.A.
Die IG FARBEN i. A. (in Auflösung) wird sich nach Aussagen ihres Liquidators Volker Pollehn nicht an dem Entschädigungsfonds der bundesdeutschen Wirtschaft beteiligen. Auch die Gründung einer eigenen Stiftung mit der Aufgabe, ZwangsarbeiterInnen zu entschädigen, verzögert sich. Ursprünglich war Ende 1999 als Termin geplant, jetzt ist als Zeitpunkt April 2000 angesetzt, da vorher angeblich "die rechtlichen und finanziellen Schwierigkeiten nicht zu überwinden" seien. Erste Zahlungen sollen aber noch im 1. Halbjahr 2000 erfolgen. Über die Höhe der Summen schwieg sich Pollehn aus. Auf der Hauptversammlung am 18.8.99 hieß es, man wolle für diesen Zweck die Zinsen des Stiftungskapitals von drei Millionen Mark zur Verfügung stellen. Dieses Angebot wäre allerdings eine Verhöhnung der Sklavenarbeits-Opfer.

Zwangsarbeit in Leverkusen
Gegen Ende des Krieges lebten noch 9.451 ZwangsarbeiterInnen in Leverkusen. Etwa die Hälfte von ihnen leistete ihren Frondienst bei den damals zur IG FARBEN gehörenden BAYER-Werken. Das berichtet die Historikerin Eva Wolff in ihrem Buch "Nationalsozialismus in Leverkusen". Ein BAYER-Sklavenarbeiter war es auch, an dem ein besonders grausames Exempel statuiert wurde: eine öffentliche Hinrichtung. Sein "Verbrechen" bestand darin, Kontakt zu einer deutschen Frau gehabt zu haben. Die widerliche Zeremonie sollte seinen LeidensgenossInnen eine Warnung sein; kolonnenweise führte die Leverkusener Polizei die SklavenarbeiterInnen an dem Schauplatz nationalsozialistischer Menschenverachtung vorbei.