SWB 03/00

European Business Summit:
Filz von Politik und Industrie

Am gestrigen Freitag begann in Brüssel der erste European Business Summit, auf dem die enge Zusammenarbeit von Wirtschaft und Politik weiter ausgebaut werden soll. Neben der EU Kommission mit Romano Prodi an der Spitze und zahlreichen Abgeordneten des Europäischen Parlaments nehmen über 1.000 Vertreter von Unternehmen und Lobbyorganisationen an dem Austausch teil - Gewerkschaften und Verbraucher-Verbände wurden nicht eingeladen. In insgesamt 10 workshops, jeweils geleitet von einem EU Kommissar und einem Industrievertreter, werden Themen wie Privatisierungen, Steuersen-
kungen für Konzerne und Handelsliberalisierungen diskutiert. Selbstbewusst kündigen die Organisatoren an, dass sie "die Umsetzung ihrer Empfehlungen auf dem nächsten Gipfels kontrollieren werden".
Initiativen aus ganz Europa kritisierten das Treffen auf einer Pressekonferenz in Brüssel. Nicht gewählte Vertreter der Wirtschaft würden zu zentralen politischen Entscheidungsträgern aufgewertet. Hinter dem Veranstaltungs-Motto "Innovation und Kreativität" verbergen sich die Rücknahme von Arbeiterrechten, Unterstützung für Risikotechnologien wie die Gentechnik und die weigehende Zerstörung sozialer Sicherungssysteme. Bemängelt werden außerdem die mangelnde Transparenz politischer Entscheidungen auf europäischer Ebene und die Verquickung der EU Kommission mit Lobbyorganisa-
tionen der Wirtschaft.

Erik Wesselius vom Amsterdamer Corporate Europe Observatory: "Der überdimensionale Einfluss der Industrie auf die Entscheidungen der EU ist eine Gefahr für die Demokratie. Wenn politische Entscheidungen allein nach Vorgaben der Wirtschaft gefällt werden, geraten Umwelt- und Verbraucherschutz, die Rechte von Arbeitnehmern und das soziale Netz immer mehr unter die Räder."

Der European Business Summit wird vom europäischen Arbeitgeberverband UNICE, dem EU Komitee der Amerikanischen Handelskammer und dem exklusiven European Roundtable of Industrialists (ERT) organisiert. Dem ERT gehören die 47 größten Konzerne Europas an, prominente Mitglieder sind die Unternehmen Veba, Daimler Benz, Bayer, Siemens, Bertelsmann und Krupp.

Gerade der ERT besitzt einen privilegierten Zugang zu den Entscheidungsträgern auf europäischer Ebene - drei seiner Mitglieder sind ehemalige EU Kommissare. Bei regelmäßigen Treffen mit Politikern werden politische Rahmenbedingungen und Strategiepapiere diskutiert. Der gemeinsame europäische Markt, der Vertrag von Maastricht und das Europäische Verkehrswegeprogramm gehen weitgehend auf Vorgaben des elitären Clubs zurück. Gefordert werden schwächere Umweltgesetze, Privatisierungen in den Bereichen Energie, Telekommunikation und Transport sowie weiterer Steuerabbau für die Wirtschaft. Häufig werden Vorschläge des ERT Wort für Wort in EU-Programme übernommen, so beim "Entwicklungs-, Wettbewerbs- und Beschäftigungsprogramm" der EU, das bis hin zu einzelnen Formulierungen einem zur selben Zeit vorgelegten ERT-Papier gleicht.

Auch der europäische Arbeitgeberverband Union of Industrial and Employers´ Confederation of Europe (UNICE) gehört zu den einflussreichsten Polit-Akteuren in Europa. UNICE kann in Spitzenzeiten bis zu 1000 Mitarbeiter mobilisieren, Vertreter des Verbands legen detaillierte Gesetzesentwürfe vor und bombardieren Abgeordnete und Pressevertreter mit Stellungnahmen. Auch die Ergebnisse des European Business Summit werden wohl schon im Vorfeld abgestimmt worden sein.