SWB 03/00

Milliarden-Schaden durch fingierte Preise

Von Udo Hörster

Auf dem US-amerikanischen Pharma-Markt lassen sich weltweit die höchsten Preise für Arzneimittel erzielen. Doch rund 20 Herstellern, darunter die Leverkusener Firma Bayer und die Pharma-Riesen Glaxo-Wellcome und Smithkline Beecham, reichten diese Profite offenbar nicht: Durch unlautere Geschäftspraktiken auf Kosten der staatlichen Einrichtungen "Medicare" und "Medicaid" verdienten sich die Multis noch ein paar Dollar-Millionen dazu. "Medicare" und "Medicaid" übernehmen für Bedürftige die Arznei-Kosten.

Grundlage der Abrechnungen von Krankenhäusern, Ärzten und Apotheken mit der staatlichen Gesundheitsfürsorge bilden die vom Pharma-Hersteller festgesetzten Großhandelspreise. Zu diesen Preisen ist allerdings nie ein Medikament gehandelt worden. In der Praxis gewährten die Produzenten den Abnehmern großzügige Abschläge, wovon beide Seiten profitierten: Die Kunden ließen sich von Medicare den vollen Listen-Preis zurückerstatten und behielten den Differenz- Betrag ein. Die Produzenten steigerten künstlich die Nachfrage nach den teuersten Präparaten, weil diese das meiste "extra-Geld" versprachen. Billigere Konkurrenz-Produkte hatten so keine Chance. "Medicare" und "Medicaid" erlitten einen jährlichen finanziellen Schaden von rund einer Milliarde Dollar. Kürzlich flog der Schwindel auf: Den US-Behörden fielen geheime Firmen-Dokumente in die Hände, in denen die Manipulationen als bewährte "Marketing-Instrumente" beschrieben wurden.

Mit der Drohung, ansonsten eine Schadensersatz-Klage anzustrengen, zitierten Ministerial-Beamte Vertreter von Bayer und anderen Herstellern nach Washington. Viel zu befürchten haben die Konzerne allerdings nicht: Die Gesundheitsadministration will lediglich pragmatisch die Gunst der Stunde nutzen, in der die Pillen-Produzenten in der Defensive sind, um ihnen eine Neuregelung des Erstattungssystems abzutrotzen. Aber "Einbußen beim Pharma-Umsatz werde es nach einer Neugestaltung nicht geben", gab sich Bayer-Sprecher Daniel McIntyre zuversichtlich. Ob die Pharma-Industrie Geld zurückerstatten muss, gilt als eher unsicher.

Trotzdem könnte die Luft im Pharma-Paradies USA für die Hersteller nach dem Betrugsfall dünner werden. Es wächst dort nämlich die Einsicht, dass es die Verbraucher mit ihren Aufwendungen für Medikamente sind, die den Garten Eden bestellen. Der Kongress- Abgeordnete Bernhard Sanders präsentierte dem US-Parlament eine Untersuchung, die belegt, dass die Pharmapreise in den USA zu den höchsten weltweit gehören. Er begründet damit eine Gesetzes-Initiative, die den Re-Import von anderswo günstiger gehandelten Arzneimitteln in die Vereinigten Staaten ermöglichen soll. 81 Kongress-Vertreter aus beiden politischen Lagern schlossen sich seinem Vorhaben an. Nach Bekanntwerden der jüngsten Machenschaften der Arznei-Konzerne dürfte ihre Zahl noch gestiegen sein.