SWB 01/01 - Ticker

KAPITAL & ARBEIT

Mitbestimmung als Co-Management
Standort-Vereinbarung kritisiert
Die KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT, eine alternative Gewerkschaftsgruppe im Leverkusener BAYER-Werk, kritisieren in ihrem Januar-Flugblatt die "Standortsicherungsverein-
barung" scharf, die zwischen Gesamtbetriebsrat und Konzern-Leitung geschlossen wurde. Die DURCHSCHAUBAREN sprechen sich insbesonders dagegen aus, dass betriebsbedingte Kündigungen möglich sind, wenn MitarbeiterInnen ein Arbeitsplatz- Angebot an einem anderen Standort ablehnen, sie nicht in einen ausgegliederten Betrieb wechseln möchten oder als SpringerInnen im so genannten "Flexipool" landen wollen. Die Schaffung eines solchen Pools für Beschäftigte, deren Arbeitsplätze "Umstrukturierungsmaßnahmen" zum Opfer gefallen sind, lehnen die DURCHSCHAU-
BAREN ebenso ab wie die Streichung von drei Urlaubstagen für Wechselschicht-ArbeiterInnen und die Samstagsarbeit.

DAG kritisiert Standort-Vereinbarung
Auf der BAYER-Betriebsversammlung am 14.12.00 rief die "Standortsicherungsverein-
barung" heftigen Widerspruch hervor. VertreterInnen der DEUTSCHEN ANGESTELLTEN-GEWERKSCHAFT (DAG) nannten den Abschluss in Teilen rechtswidrig und erhoben in diesem Zusammenhang schwere Vorwürfe gegen den Gesamtbetriebsrat. Das Gremium hätte vom Leverkusener Betriebsrat kein Verhandlungsmandat betreffs Streichung von Urlaubstagen für WechselschichtlerInnen erhalten, so die DAG. Desweiteren warf die Gewerkschaft dem Gesamtbetriebsrat vor, in das Vertragswerk einen Passus eingebracht zu haben, der das Mitbestimmungs-
recht der örtlichen Betriebsräte bei Versetzungen beschneide.

BAYER kündigt Krankem
Der Leverkusener Chemie-Multi hat einem Mitarbeiter, der wegen lebensbedrohlicher Krankheiten oft fehlen musste, gekündigt. Der Betriebsrat hat keinen Widerspruch gegen diese Entscheidung eingelegt. Das berichtet die BELEGSCHAFTSLISTE, eine alternative Gewerkschaftsgruppe im Wuppertaler BAYER-Werk, in ihrem Belegschaftsinfo vom Februar 2001. Die Belegschaftsvertretung schrieb aus Anlass der gerichtlichen Anhörung zwar eine Stellungnahme zum Fall, diese war aber so schlecht ausgeführt, dass der Richter sie zu Ungunsten des Betroffenen auslegte. Sie versäumte es auch, den Mann von seiner Kündigung zu unterrichten. "Wir glauben, das Teile des Betriebsrats die Unternehmenslogik und die miese Rechtssprechung so weit verinnerlicht haben, dass für die Nöte der Belegschaft häufig kein Platz mehr ist", heißt es im Belegschaftsinfo abschließend.

Brasilien: Gewerkschaftler gefeuert
BAYER hat in Brasilien einem Gewerkschaftler grundlos gekündigt. Das berichtet die BELEGSCHAFTSLISTE, eine alternative Gewerkschaftsgruppe im Wuppertaler BAYER-Werk, im Herbst in ihrem Belegschaftsinfo (siehe auch ERSTE & DRITTE WELT).

Einschnitte bei der Konzern-Sparte "Chemie"
In einem Interview mit der Wirtschaftszeitschrift capital kündigte BAYER-Chef Manfred Schneider an, den Anteil des Geschäftsbereiches "Chemie" am Konzern-Umsatz in der nächsten Zeit von 15 Prozent auf 10 Prozent zu reduzieren. Es stehen also Verkäufe oder Ausgliederungen an, die zu Arbeitsplatzvernichtung führen werden.

BAYER gegen Gleichstellungsgesetz
Noch immer ist keine einzige Frau im BAYER-Vorstand. Trotzdem rühmt sich das Unternehmen seiner angeblichen Erfolge bei der Frauen-Förderung. Dafür verweist der Chemie-Multi darauf, dass sich der Anteil weiblicher Mitarbeiter in Führungspositionen innerhalb von sage und schreibe zehn Jahren(!) von 4,8 Prozent im Jahr 1989 auf 9,8 Prozent anno 1999 gesteigert habe. Angesichts dieses Schneckentempos, mit dem die Emanzipation im Konzern fortschreitet, ist es nur verständlich, wenn der BAYER- Personalchef Wolfgang Böckly das beschleunigende Verfahren des Gleichstellungs-
gesetzes fürchtet. In einem Beitrag für die Rheinische Post kritisierte er das Vorhaben in altbekannter Manier als eine "Reglementierung und Bürokratisierung" und ermahnte die Politik, Unternehmen "ihren eigenen, auf ihre spezifischen Bedürfnisse ausgerichteten Weg" in der Frage der Chancengleichheit von Mann und Frau am Arbeitsplatz gehen zu lassen.

Weniger MitarbeiterInnen in Europa
Die Zahl der weltweit bei BAYER beschäftigten MitarbeiterInnen stieg von Ende 1999 bis zum September 2000 geringfügig von 117.700 auf 118.200 an. In Europa reduzierte der Chemie-Multi die Belegschaften allerdings um 900, während er sie in der Asien/Pazifik-Region um 1.000 und in den USA um 400 aufstockte. Dieser Trend ist schon länger zu beobachten. Trotz des Zuwachses stiegen die Personalkosten nur minimal, wenn man die Mehraufwendungen aufgrund von Währungskurs-Schwan-
kungen nicht mitrechnet.

Berufskrankheit Depression
Nicht nur der Umgang mit gefährlichen Stoffen am Arbeitsplatz kann krank machen. Die INTERNATIONAL LABOUR ORGANISATION (ILO), eine Unter-Organisation der UNO, führte in der Bundesrepublik und vier anderen Ländern eine Untersuchung durch, nach der immer mehr Menschen durch ihre Arbeit Depressionen oder andere psychische Krankheiten bekommen. Die ArbeitswissenschaftlerInnen sehen dies als eine Reaktion auf die Veränderung der Arbeitsmärkte und der Arbeitsprozesse infolge der Globalisierung an.

Ausgliederung des Rechnungswesens
BAYER will sein gesamtes europäisches Rechnungswesen ausgliedern. Der Konzern plant, es künftig in zwei selbstständig operierende Gesellschaften zusammenzu-
fassen. Der "Service Center" mit Sitz in Leverkusen soll die Finanzangelegenheiten der bundesdeutschen Niederlassungen bearbeiten, der "Service-Center" mit Sitz in Barcelona die der übrigen europäischen Werke. Die effizientere Organisation setze Ressourcen frei, so dass Dienstleistungen für Dritte angeboten werden können. Konkrete Pläne gebe es in dieser Hinsicht aber noch nicht, sagte eine Konzern- Sprecherin. Konkreter werden da schon die Entlassungspläne sein. 1.300 Menschen waren bisher im Rechnungswesen des Unternehmens beschäftigt.

Ausgliederung des Medien-Bereichs
BAYER plant die Ausgliederung des Medien-Bereichs. Das berichten die KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT, eine alternative Gewerkschaftsgruppe im Leverkusener BAYER-Werk, in ihrem Januar-Flugblatt.

Teil-Ausgliederung des Lager-Bereichs
Die Ansiedlung des Hamburger Logistik-Betriebs HOYER auf dem Gelände des Dormagener BAYER-Werks ist auch mit einer Teil-Ausgliederung des Lager-Bereichs verbunden. HOYER wickelt nämlich nicht nur den Transport von Gütern ab, das Unternehmen macht sie auch "reisefertig". Anfang Dezember 2000 nahm das Unternehmen eine hochmoderne Silo-Anlage in Betrieb, die 500 Tonnen Kunststoff- Granulate am Tag weitgehend automatisiert abfüllen kann. Deshalb werden rund um die Silos nur noch 25 Arbeitskräfte benötigt. Diese sind künftig nicht mehr bei BAYER, sondern bei HOYER angestellt, werden also nach ÖTV-Tarif und nicht mehr nach dem höheren Chemie-Tarif bezahlt.

Pestizid-Ausgliederung?
Im Oktober letzten Jahres kündigten NOVARTIS und ASTRAZENECA an, ihr Agrochemie-Joint Venture SYNGENTA an die Börse zu bringen. BAYER-Chef Manfred Schneider veranlasste das ebenfalls zu Ausgliederungsüberlegungen. "Wir sehen keinen Zwang zu handeln, sind aber immer offen für alle Überlegungen", kommentierte Schneider die jüngsten Entwicklungen im Pestizid-Geschäft (s.o.) und fuhr fort: "Es ist spannend zu sehen, wie bewertet der Markt ein Pflanzenschutz-Unternehmen."

AGFA: Trennung von Film-Sparte?
Im letzten Jahr hat die 30-prozentige BAYER-Tochter AGFA 450 Arbeitsplätze im Bereich "Consumer Imaging" vernichtet, der das Geschäft mit Laborgeräten, Desktop Publishing und Kleinbildfilmen umfasst. Jetzt existieren Überlegungen, die Film-Sparte ganz abzustoßen oder in diesem Feld eine Partnerschaft mit anderen Anbietern einzugehen, obwohl dieser Sektor im Geschäftjahr 2000 hohe Profite zu verzeichnen hatte. Mit weiteren Arbeitsplatz-Verlusten ist also zu rechnen.