SWB 03/01 - Ticker

GENE & KLONE

DFG-Skandal
Es ist ein forschungspolitischer Skandal allerersten Ranges: Die Kehrtwende der "Deutschen Forschungsgemeinschaft" (DFG) in der Frage der Forschung mit embryonalen Stammzellen hat mit dem Genforscher Oliver Brüstle ein Wissenschaftler eingeleitet, der selber handfeste Interessen damit verbindet. Auf Brüstle gehen die "Empfehlungen zur Forschung mit menschlichen Stammzellen" im Wesentlichen zurück, und er hat sie passgenau so verfasst, dass sie seinem eigenen, bei der DFG eingereichten Antrag auf Import dieses Zell-Typs aus Israel die moralischen Schleusen öffnen. Diese Interessen-Kollision hat beim DFG Tradition. Ihr Vorsitzender, Ernst-Ludwig Winnacker, sitzt bei BAYER im Aufsichtsrat und ist Mitgründer der Biotech-Firma MEDIGENE. Kein Wunder, dass die Institution da den Antrag des Essener Professors Hans-Werner Denker abgelehnt hat. Dieser wollte erforschen, ob aus embryonalen Stammzellen nicht doch ganze Lebewesen entstehen können, sie also nicht nur pluri-, sondern totipotent sind. Damit wäre das ganze Fundament der Stammzell-Forschung erschüttert. Zellen, aus denen ein Mensch entstehen kann, dürfen nämlich laut Gesetz nicht als Steinbruch zur "Zucht" von Gewebe-Arten benutzt werden.

BAYER forscht mit Stammzellen
"Die Möglichkeiten sind grenzenlos", schwärmt BAYERs Pharma-
forschungsleiter Wolfgang Hartwig über die Stammzellen-Forschung. Mit Stammzellen aus dem Gewebe Erwachsener arbeiten die Wissen-
schaftlerInnen in den US-Labors des Konzerns bereits. Sie wollen mit ihrer Hilfe Nervenzellen für die Therapie der Parkinson'schen Krankheit "züchten". "Vor allem bei Erbkrankheiten, bei denen es noch keine konventionellen Therapien gibt, ist das Markt-Potenzial groß", weiß Wolfgang Hartwig. Und wenn sich dieses Markt-Potenzial bequemer mit embryonalen als mit adulten Stammzellen erschließen ließe, würde er auch zu diesen greifen, verriet er BÖRSE ONLINE. Moralische Skrupel vor der Benutzung von Zellen, für deren Gewinnung Embryos getötet werden müssten, hat Hartwig keine. Kein Wunder also, dass der BAYER-Aufsichtsrat und Präsident der "Deutschen Forschungsgemein-
schaft" (DFG) Ernst-Ludwig Winnacker sich in dieser Institution für den Dammbruch in Sachen "embryonale Stammzellen" einsetzte und dass BAYER-Büttel Wolfgang Clement sich für einen Import solcher Zellen nach Bonn, an die dortige, BAYER traditionell sehr verbundene Universität aussprach.

Test-Stopp für Asthma-Mittel
Vollmundig kündigte der Leverkusener Chemie-Multi in seinem Hochglanz-Magazin BAYER report unter dem Titel "Bald schon aufatmen?" 1999 die Entwicklung eines Gentech-Präparats gegen Asthma an. Es sollte die für diese Krankheit charakteristische Überreaktion des Immunsystems durch eine Blockade des Botenstoffes Interleukin-4 verhindern. Jetzt gab BAYER den Abbruch der Erprobung bekannt. Der Wirkstoff habe die "für eine erfolgreiche Vermarktung geforderten Produkt-Eigenschaften" nicht gehabt, hieß es kleinlaut. Eine Weiterverwendung der Substanz als Mittel gegen eine chronische Lungenkrankheit will der Pharma-Riese prüfen, wenn alle klinischen Tests ausgewertet sind.

KOGENATE-Stopp wg. Bakterien
Wieder einmal haben sich die Versprechungen der Gen-Industrie, gentechnisch hergestellte Blutprodukte seien sicherer als konventionell auf der Basis von Spender-Blut gefertigte, nicht erfüllt. Bei einer Inspektion des BAYER-Werkes in Berkeley entdeckte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA  Bakterien- Verunreinigungen bei der Produktion von KOGENATE (siehe auch PRODUKTION & SICHERHEIT).

Einstieg in "grüne Gentechnik"
Durch den Erwerb der Agro-Sparte von AVENTIS steigt BAYER in ganz großem Stil in das Geschäft mit gen-manipulierten Pflanzen ein (siehe auch SWB 3/01).

Leere Versprechungen
Kaum ein Tag vergeht, an dem die große Ankündigungswissenschaft "Gentechnik" nicht von sich reden machte. Da mag auch der Leverkusener Chemie-Multi nicht zurückstehen. BAYERs Forschungs-
vorstand Frank Morich versprach ins Blaue (und in die AktionärInnen- Ohren) hinein, dass binnen der nächsten zehn Jahre mit Fortschritten in der Krebs-Behandlung zu rechnen sei. Zudem instrumentalisierte er die heimtückische Krankheit dazu, Stimmung für Deregulierungen bei den Zulassungsverfahren zu machen. Da es sich bei einem gerade in der vorklinischen Prüfungsphase befindlichen Arznei-Stoff um ein Krebs- Therapeutikum handle, könnten die Behörden bereit sein, die Zulassungsphasen zu verkürzen, spekulierte er in einem Interview mit Euro am Sonntag. Ein Fall LIPOBAY reicht dem Konzern offensichtlich nicht.

Leere Seiten im Buch des Lebens
Nach der Entschlüsselung des menschlichen Genoms zeigten sich die Gen-ForscherInnen von BAYER & Co. recht bald ernüchtert, setzten sich die Erbanlagen doch nicht wie erwartet aus 100.000 Genen, sondern nur aus 30.000 zusammen. 95 Prozent des Genoms enthielt keinerlei Information. Das viel beschworene "Buch des Lebens" besteht also zu einem Großteil aus leeren Seiten. Womit sich die Gen-Metaphorik vom "Code", der sich aus "Buchstaben" zusammensetzt, die zu "entziffern" sind, als substanzlos erweist, und die sich auf diese Mythologie gründende Gentechnik in Legitimationszwänge gerät.

60 Mio. für Proteom-Forschung
Nach der Genom-Entschlüsselung konzentrieren die Pharma-Konzerne ihre Energie jetzt auf die Entschlüssung der Bauweise der menschlichen Proteine, des so genannten Proteoms (siehe Ticker 2/01). BAYER hat sich an einem entsprechenden Forschungsprojekt des Berliner Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin beteiligt. Da unter Kanzler Schröder, der in seiner bekannten Genwende-Rede lediglich das von BAYER-Aufsichtsrat Ernst-Ludwig Winnacker verfasste Manuskript vortrug,  die Gentechnologie unter das Ressort "Standort- Politik" fällt, fördert die Regierung die Proteom-Forschung und die Bio-Informatik mit 60 Mio. Mark.

Vertrag mit ANALYTICON
BAYER hat mit dem Potsdamer Biotech-Unternehmen ANALYTICON einen Kooperationsvertrag geschlossen. Der Chemie-Multi sicherte sich so das Recht, aus Naturstoffen, die nach Untersuchungen der ANALYTICON-WissenschaftlerInnen pharmakologisch wirksam sind, Arzneimittel zu entwickeln.

CURAGEN findet Ziel-Proteine
Das Biotech-Unternehmen CURAGEN hat für BAYER 12 Ziel-Proteine identifiziert, die angeblich eine Rolle bei Diabetes und Fettsucht spielen sollen. Deshalb könnten sie nach BAYER-Angaben zum Wirkort für neue  Medikamente werden. Die langwierige Forschungs- und Entwicklungs-
phase, die nur die wenigsten Pharma-Stoffe überstehen, hat noch gar nicht begonnen, aber der Chemie-Multi weiß bereits eines ganz genau: Der Umsatz von Diabetes- und Fettsucht-Präparaten beträgt weltweit 98 Mrd. Dollar.

Kooperation mit PHARMAGENE PCL
BAYER hat mit dem britischen Biotech-Unternehmen PHARMAGENE PCL einen Vertrag über die Zusammenarbeit auf den Gebieten Atemwegs- und Krebs-Erkrankungen geschlossen. PHARMAGENE will für BAYER eine Gewebe-Datenbank erstellen, die Aufschluss über bestimmte Gene geben soll, die als Zielpunkte von Medikamenten gegen Atemwegs-Erkrankungen dienen könnten. Von der Entschlüsselung der Gene gesunder und krebs-befallener Haut-Partien erhofft sich der Leverkusener Chemie-Multi Erkenntnisse zur Entwicklung von Krebs-Therapeutika. Diese Hoffnungen haben schon oft getrogen. Nachdem 1999 bereits klinische Prüfungen mit einem Gentech- Medikament zur Lungenkrebs-Behandlung eingestellt werden mussten, brach der Konzern im Juli dieses Jahres Tests mit einem Asthma- Präparat auf Gentechnik-Basis ab.

Krankmachende & kranke Klone
Die schottische Gentech-Firma PPL THERAPEUTICS wurde durch das Klon-Schaf "Dolly" berühmt-berüchtigt. Vorläufer von "Dolly" war die im Auftrag von BAYER geschaffene "Tracy", die noch nicht aus erwachsenen, ausdifferenzierten Euter-, sondern aus Keimbahn-Zellen entstand. Jetzt klonte die Firma fünf Schweine. Schon in fünf Jahren könnten Nieren, Herzen und andere Organe der Tiere Menschen transplantiert werden, kündigte das unter Finanz-Problemen leidende Unternehmen an. Der Gen-Forscher Ian Wilmut, der einst das "Dolly"-Verfahren an PPL verkaufte, ist da skeptischer: "Man ist heute weniger optimistisch, ob sich Tiere in dieser Weise nutzen lassen. Was uns Sorge macht, sind hauptsächlich unbekannte Viren. Es ist denkbar, dass es Viren gibt, die wir nicht kennen und die so auf Menschen übergreifen könnten." Von US-WissenschaftlerInnen durchgeführte Untersuchungen lassen noch mehr Zweifel an der "Zukunftstechnologie" aufkommen. Die ForscherInnen haben an Klon-Tieren massive Gesundheitsstörungen wie Herz- und Lungen-Schäden, Störungen des Immunsystems sowie Fettsucht festgestellt.

Gentech senkt Pestizid-Verbrauch nicht
Ein Standard-Argument der BefürworterInnen der "grünen" Gentech- Landwirtschaft lautet immer, durch sie werde die Ausbringung von Pestiziden reduziert. Wie wenig von dieser Ansicht zu halten ist, machte am 8. Mai die in Frankfurt stattfindende Presse-Konferenz des "Industrie-Verbandes Agrar" deutlich. Der Verbrauch von Ackergiften gehe nicht in dem gleichen Maße zurück, wie der Flächen-Anteil von gen-manipulierten Nutzpflanzen zunehme, sagte der Sprecher des auch den BAYER-Konzern zu seinen Mitgliedern zählenden Verbandes, Hans Theo Jachmann. Das sei auch gar nicht das vorrangige Ziel der Gentechnik, führte er weiter aus. Deshalb rechnet Jachmann auch in den kommenden Jahren nicht mit einem Umsatz-Rückgang bei den Agro-Chemikalien.