KAPITAL & ARBEIT
Logistik-Ausgliederung BAYER gliedert überall dort Unternehmensteile aus, wo es
kostengünstigere Alternativen zu den in der Chemie-Industrie geltenden Tarif-Verträgen gibt. Bei der im Zuge der Logistik-Ausgliederung neu entstandenen BAYER-Tochter CHEMION LOGISTIK GmbH, die Anfang Juli den
Betrieb aufnahm, mussten die Beschäftigten Entgelt-Einbußen von sechs Prozent durch die Erhöhung der Wochenarbeitszeit von 37,5 auf 40 Stunden bei gleichem Lohn akzeptieren. Die Betriebsratsvorsitzende des
Uerdinger BAYER-Werks verteidigt diese Vereinbarung damit, "dass die geltenden Tarife außerhalb der Chemie für die Logistik um 27 bis 42 Prozent (...) niedriger liegen, als wir es jetzt vereinbaren
konnten". Genau dort will der Leverkusener Chemie-Multi in sieben Jahren ankommen. Dann läuft nämlich die im "Standortsicherungsvertrag" niedergelegte Übergangsregelung aus, die noch die Chemie-Tarife
garantiert. Zudem vernichtet die Ausgründung Arbeitsplätze: Waren in der "Zentralen Logistik" von BAYER noch 1.400 MitarbeiterInnen beschäftigt, so sind es bei CHEMION nur noch 1.170.
Die Angst geht um Nach Informationen der Rheinischen Post trauen sich einzelne
BAYER-Betriebsteile nicht mehr, bei der Konzern-Leitung Kredit-Anträge für neue Projekte zu stellen, da sie befürchten, beim Kassensturz im Zuge des Bewilligungsverfahrens ins Visier der Rationalisierungs- und
Arbeitsplatzvernichtungsprofis zu geraten.
700-800 VEKT-Einsprüche Seit diesem Jahr richten sich die Bonus-Zahlungen bei BAYER
nach den erzielten Umsätzen; Richtgröße stellt der Brutto-Cash-Flow dar. Zudem ist die "Variable Einkommenskomponente Tarif" (VEKT) von einer Leistungsbeurteilung durch den jeweiligen Vorgesetzten
abhängig. Der Konzern spart so Geld und fördert zudem noch die Konkurrenz unter den Beschäftigten. Obwohl der VEKT-Topf anno 2000 wegen der großen Umsätze gut gefüllt war, hagelte es Proteste. 700-800 Beschäftige
erhoben Einspruch gegen ihre Bewertung. Ihre Erfolgsaussichten sind allerdings gering, da nur Formfehler geltend gemacht werden können. Der Betriebsratsvorsitzende Erhard Gipperich und die KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN
FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATS- ARBEIT, eine Gruppe alternativer GewerkschaftlerInnen im Leverkusener BAYER-Werk, kritisierten besonders, dass die unteren Einkommensgruppen durchweg eine schlechtere
Beurteilung erhielten als ihre KollegInnen in den mittleren oder höheren Gruppen.
Neue Service-Abteilungen BAYER will die so genannten standort-bezogenen Dienste in
Leverkusen, Krefeld, Wuppertal, Dormagen und Brunsbüttel zusammenlegen. Betroffen sind rund 7.000 MitarbeiterInnen von Werkschutz, Feuerwehr, Umweltschutz und - zu Teilen - zentrale Technik. Allein durch die Fusion
von Werkschutz und Feuerwehr am Standort Leverkusen vernichtet der Konzern 125 Arbeitsplätze, insgesamt werden es bedeutend mehr sein (siehe auch UNFÄLLE & KATASTROPHEN).
Kantine: minus 130 Stellen "Erst langfristig werden sich die sinkenden
Personalkosten bemerkbar machen", schreibt das Fachmagazin gv-praxis über die ausgegliederten BAYER-Wirtschaftsbetriebe. 2007 aber geht's rund bei der neu gegründeten BAYER RESTAURANT + SERVICE GmbH: Dann
brauchen die Entgelte der Kantinen-MitarbeiterInnen nicht mehr an die Entwicklungen der Chemie-Tarife angepasst sein, weil ab diesem Jahr die niedrigeren "Nahrung-Genuss-, Gaststätten"-Tarife gelten. Bis
dahin werden auch 130 Belegschaftsangehörige in den Ruhestand gegangen und ihre Arbeitsplätze damit zum größten Teil vernichtet sein.
Ausgliederung des Media-Service BAYER plant, den Media-Service auszugliedern.
Bisher gehörte die Abteilung mit ihren 210 Beschäftigten zum Zentralen Service-Bereich "Information Systems". Sie war für die Archivierung, das digitale Dokumenten-Management, die Bilder-Verwaltung und die
Business- Grafik zuständig. Für eine Übergangszeit soll die Ausgründung Dienstleistungen in demselben Volumen und zu denselben Konditionen für BAYER erbringen. Dann muss sie mit ihren Konkurrenten auf dem freien
Markt um Aufträge vom Leverkusener Chemie-Multi buhlen. "Wenn die operativen Bereiche des Konzerns im internationalen Wettbewerb erfolgreich sein wollen, müssen sie Leistungen so günstig wie möglich
einkaufen", begründete BAYERs Ausgliederungsbeauftragter Dr. Helmut Bücker diesen Schritt.
Ausgliederung des Travel-Managements BAYER gliedert das konzern-interne Reisebüro,
das Travel- Management, aus, das für MitarbeiterInnen sämtlicher Niederlassungen die Buchung von Flügen und Hotelzimmern übernahm. Die 43 Beschäftigten sollen diese Leistungen nun auch für Fremdfirmen und
Privat-KundInnen anbieten. In welcher Höhe sie durch die Umstrukturierungsmaßnahme Einbußen beim Entgelt und/oder den sozialen Leistungen hinnehmen mussten, wurde nicht bekannt.
Pförtner-Dienste durch Fremdfirmen? Der Leverkusener Chemie-Multi erwägt,
Pförtner-Dienste durch Wach- und Schließgesellschaften ausführen zu lassen und so Arbeitsplätze beim Werkschutz zu vernichten.
Weitere Flexibilisierung der Arbeit Die mit dem Gesamtbetriebsrat geschlossene
Vereinbarung zur Schaffung von Jahresarbeitskonten ermöglicht es BAYER, die Arbeitszeit der MitarbeiterInnen noch flexibler an den Erfordernissen der Produktion auszurichten. Der Betriebsrat muss nicht mehr jeder
Anberaumung von Samstagsarbeit zustimmen, wodurch dieser Wochentag immer mehr zum Regelarbeitstag wird. Wenn der Konzern Mehrarbeit künftig vier Tage vorher ankündigt, gilt sie nicht mehr als "Mehrarbeit",
für die nach Überstunden-Tarif gezahlt zu werden hat, sondern lediglich als Flexibilisierungsmaßnahme. Auch durch die Verlängerung der Kern-Arbeitszeiten um eine Dreiviertelstunde erreicht es der Konzern, den
Begriff "Überstunde" kostengünstig wegzudefinieren. Statt neue Arbeitsplätze zu schaffen, gelingt es BAYER per Jahresarbeitskonten, das vorhandene Arbeitskräfte-Reservoir noch effizienter auszubeuten.
Ostler fordern Lohn-Angleichung Was die Produktivität angeht, so bestehen zwischen
dem BAYER-Werk in Bitterfeld und den Niederlassungen in Leverkusen, Dormagen, Wuppertal oder Brunsbüttel keine Unterschiede. Trotzdem liegen die Entgelte der Chemie-Arbeiter/Ost um rund 20 Prozent unter denen ihrer
KollegInnen aus dem Westen. Deshalb fordert der Bezirk Halle der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) eine Lohnangleichung binnen der nächsten fünf Jahre. Die Chemie-Arbeitsgeber lehnen dieses Ansinnen ab. Moderate
Löhne seien ein Pfund, mit dem die Ost-Chemie auch künftig wuchern müsse, um weitere Investoren anzulocken und zu wachsen, sagte Rolf Siegert, der Geschäftsführer des "Verbandes der Chemischen Industrie"
(VCI)/Bereich Nordost, der Mitteldeutschen Zeitung.
Mehr Umsatz, weniger Beschäftigte 1991 waren noch 720.000 Menschen in der
Chemie-Industrie beschäftigt. Neun Jahre später waren es gerade mal noch rund 470.000. Aber obwohl BAYER-Chef Manfred Schneider in seiner Funktion als Präsident des "Verbandes der Chemischen Industrie" für
das Jahr 2001 branchenweit mit einem Produktionswachstum von zwei Prozent und einer Umsatz-Steigerung von fünf Prozent rechnet, wollen BAYER & Co. erneut Tausende von Arbeitsplätzen vernichten.
"Service-Pool" geht online Für all jene, die infolge von
Umstrukturierungsmaßnahmen ihren festen Arbeitsplatz verlieren, hat BAYER den so genannten "Service-Pool" eingerichtet. Neuerdings können die dort versammelten SpringerInnen für ein deutlich geringeres
Entgelt nicht mehr nur zwischen einzelnen Unternehmensabteilungen oder Niederlassungen herumgeschoben werden, sondern sind auch von Fremd-Firmen ausleihbar. Die moderne Technik macht den Schritt in die Vergangenheit
möglich. Der Leverkusener Chemie-Multi hat die Internet-Arbeitsvermittlung JOB@CTIVE gegründet, die Flexibilisierung ohne Grenzen verspricht. Als erste 100-prozentige BAYER-Tochter gehört sie keinem
Arbeitgeber-Verband mehr an und ist somit nicht an Tarif- Vereinbarungen gebunden. Die Vorzüge von JOB@CTIVE reichen, so schwärmt der Konzern, "vom gegenseitigen Personalaustausch bei Überhängen und Engpässen
bis zu spürbaren Kosten-Vorteilen beim Einkauf von Personal-Service-Leistungen". Aus Sicht der betroffenen Beschäftigten gleicht JOB@CTIVE allerdings eher einem digitalen Sklavenmarkt.
Faser-Ausverkauf geht weiter Der BAYER-Konzern zieht sich Schritt für Schritt aus
der Chemiefaser- Produktion zurück. Nach der Ausgliederung der Sparte in die BAYER FASER GmbH und dem Verkauf des DRALON-Geschäfts an die italienische FRAVER-Gruppe stehen jetzt die DORLASTAN- und die
PERLON-Fabrikation zur Disposition. Laut BAYER-Pressesprecher Günter Forneck kommen sowohl ein Joint Venture als auch ein Verkauf in Frage. Sollte der Leverkusener Chemie-Multi die Faser-Produktion komplett
veräußern, so würde er innerhalb des Konzern-Verbundes an den Standorten Goch, Dormagen und Bushy Park über 1.000 Arbeitsplätze vernichten.
Arbeitsplatzvernichtung in Brunsbüttel Der Werksleiter des Brunsbütteler
BAYER-Werkes, Klaus Starke, hat Ende März auf der Jahres-Pressekonferenz Arbeitsplatzvernichtungen angekündigt. Gestiegene Beschaffungskosten und sinkende Verkaufspreise machten seiner Meinung nach ein
"kompromissloses Kosten-Management" nötig. Den Worten folgten bald Taten: Durch den Verkauf der H-Säure-Produktion wurde die Zahl der Belegschafts- angehörigen auf 1.087 reduziert. Sie ist damit im
Vergleich zu früheren Zeiten fast um die Hälfte gesunken.
Arbeitsplatzvernichtung in Dormagen Im Dormagener BAYER-Werk ist die Zahl der
Beschäftigten von Ende 1999 bis Ende 2000 um 257 auf 6.513 zurückgegangen. Davon arbeiten 766 Belegschaftsangehörige in Altersteilzeit. Und Werksleiter Walter Schulz rechnet mit weiterer Arbeitsplatzvernichtung:
"Es ist anzunehmen, dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird."
BAYER-Berufsschule BAYER-Lehrlinge besuchen keine staatlichen Berufsschulen. Der
Konzern unterhält selbst Berufskollegs. So kann er die LehrerInnen frei auswählen und die Ausbildung auch sonst ganz auf die eigenen Bedürfnisse ausrichten.
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