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Produktionsstätte in Lateinamerika steht in Zarate bei Buenos Aires. Hauptsächlich von dort aus beliefert der Konzern das Land und darüber hinaus die Region
mit der ganzen BAYER-Produktpalette: Pestizide, Arzneien, Veterinär-Produkte, Chemikalien und Kunststoffe. Und mit noch ein bisschen mehr. Ökologisch so Unappetitliches wie Ledergerb-
stoffe lassen sich in der Pampa halt weit unbehelligter herstellen. Mit diesem Sortiment machte der in Argentinien 1.640 MitarbeiterInnen beschäftigende Konzern 1997 einen Netto-Umsatz von 335 Mio. Euro.
Besonders der Arznei-Bereich sorgt in dem Staat mit dem zehngrößten Pharma-Markt der Welt für hohe Profite. Dank ASPIRIN nimmt der Leverkuser Chemie-Multi dort auf dem Gebiet der rezeptfreien Medikamente eine
unangefochtene Spitzen-Stellung ein.
Deshalb ist der Konzern auch voll des Lobes über die so genannte Strukturanpassungspolitik. In der Hochglanz-Postille BayerReport heißt es: "Anfang der
90er Jahre kam mit dem wirtschaftlichen Reform-Kurs der Regierung unter Staatspräsident Carlos Saúl Menem die Wende: Die öffentlichen Finanzen wurden saniert, das große Haushaltsdefizit der Vergangenheit
entscheidend verringert, die Rückzahlung der hohen Auslandsschulden geregelt. So entstand eine freie, stabile und wachstumsorientierte Marktwirtschaft. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten Import-Zölle die inländische
Industrie vor dem internationalen Wett- bewerb geschützt. Im Zuge des Reform-Kurses wurden sie verringert und teilweise völlig abgeschafft. Ebenso die Export-Zölle, die der Industrie bislang eine Ausfuhr ihrer
Produkte erschwerten oder unmöglich machten." Weiteres Lob gibt es für die Senkung der Inflationsrate; auch die 1:1-Bindung des Peso an den Dollar findet den Segen des Chemie-Multis.
So sehr sich diese Maßnahmen betriebswirtschaftlich rechneten, so sehr führten sie volkswirtschaftlich ins Desaster. Die multinationalen Konzerne nutzten die
Dollar-Parität des Peso dazu, Argentinien gigantische Geld- Mengen in harter Währung zu entziehen. Für die einheimische Wirtschaft verteuerte die Koppelung hingegen die Exporte. Durch die Senkung der Import-Zölle
darüber hinaus vermehrter Konkurrenz von seiten der nicht-argentinischen Konzerne ausgesetzt, gingen zahlreiche Unter- nehmen bankrott. Diese Deindustrialisierungswelle verstärkte wiederum die Abhängigkeit von
Einfuhren und ließ das Außenhandelsdefizit steigen. So erhöhte sich der Schuldenberg kontinuierlich.
Entwicklungspolitisch wäre es ratsam gewesen, genau umgekehrt vorzugehen und die dem Weltmarkt nicht gewachsene Wirtschaft durch hohe Zölle so lange zu
schützen, bis sie der Konkurrenz hätte stand- halten können, wie es Schwellenländer wie Taiwan und Südkorea und in der Vergangenheit auch die europäischen Länder und die USA mit ihren Industrien gemacht haben
und teilweise heute noch machen (Stahl, Landwirtschaft). Aber der Internationale Währungsfonds (IWF) ist halt alles andere als eine unabhängige Entwicklungshilfe-Institution. Der US-Wirtschaftsprofessor Arthur
MacEwan schreibt in ila (Nr. 252): "Tatsächlich hat der IWF über die Jahre weitgehend als eine Abteilung des US-amerikanischen außenpolitischen Apparates funktioniert, der versucht, ein Klima im Interesse der
Wirtschaft zu schaffen - d.h. der in den Vereinigten Staaten ansässigen transnationalen Firmen. Dasselbe Klima dient auch jenen Multis, die in Europa, Japan und anderswo beheimatet sind, so dass die USA im
Allgemeinen von den mit ihnen verbündeten Regierungen bei der Leitung des IWF unterstützt werden."
Während BAYER & Co. darum vom IWF-Rat, die Steuern umfassend zu senken, profitierten, kam er dem Land teuer zu stehen. Allein die Reduzierung des
Arbeitgeber-Anteils an den Sozialversicherungsbei- trägen sorgte für Einnahme-Verluste in Höhe von acht Milliarden Dollar. Und die verordneten Privatisierungen vernichteten nicht nur zehntau-
sende von Arbeitsplätzen, sie beförderten zudem die Korruption. "Die institutionelle Korruption in Argentinien ist jedoch nicht zu verstehen, wenn man ihre Grundlage außer Acht lässt: die Vorherrschaft
überwiegend ausländischer Großkonzerne. Deren horrende Gewinne verdanken sich einer fortgesetzten Ausplünderungspolitik, die nur in der Komplizenschaft mit dem Staat möglich ist", schreibt der in Buenos Aires
lehrende Professor Jorge Beinstein.
"Schöpferische Zerstörung" nennen Ökonomen das, was BAYER & Co. in Argentinien betrieben haben. Jetzt, da ihr lukratives Zerstörungswerk
vollendet ist, stellen sie sich als Opfer dar, die dank ihrem bedächtigen Vorgehen noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen sind. "Das Land zählt eindeutig nicht zu unseren Top Ten", gibt die BAYER-
Zentrale Entwarnung und befördert das Land, in dem die Peso-Dollar nicht mehr fließen, durch ihr Krisen-Management gleich noch ein paar Plätze tiefer. "Um Währungsverlusten bei der Peso-Abwertung vorzu-
beugen, hat BAYER seine Lager-Kapazitäten drastisch zurückgefahren", heißt das im Unternehmer-Deutsch der Welt.
In dem Andenstaat verbrannte Erde hinterlassend, schauten sich BAYER & Co. in der Nachbarschaft nach einem neuen Opfer um und sind auch schon fündig
geworden. Mexiko gilt jetzt die vermehrte Aufmerksamkeit. Pünktlich zum Südamerika-Trip des Kanzlers gab BAYER bekannt, die ASPIRIN-Produktion in dem Land verdreifachen zu wollen. Selbstverständlich gehörten die
BAYER-Bosse dann auch zum Reise-Tross des Genossen. Schröder lobte bei den offiziellen Terminen genau das, was den BAYER-Managern einst in Argentinien so gut gefallen hatte: die stabile Währung, die niedrige
Inflationsrate, die Privatisierungspolitik und die vielen Investitionsanreize. Er wartete sogar mit einer Rechnung auf, wonach die Senkung der Import-Zölle die bundesdeutschen Exporte in das Land um 23 Prozent habe
steigen lassen. Das Spiel kann also von vorne losgehen. Ein kleines Hindernis stellt es in den Augen von Braunleder lediglich dar, dass es dem Präsidenten Vicente Fox bisher nicht gelungen ist, die Kosten für
die gesammelten Unternehmensbeglückungen per Mehrwertsteuer- Erhöhung der gesamten Bevölkerung in Rechnung zu stellen. Aber das wird schon noch.
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