Ermittlungen wg. Preis-Tricks bei Arzneien
“Gangster-Unternehmen” BAYER
Von Udo Hörster
BAYER kann es nicht lassen. Obwohl Abrechnungsmanipula- tionen bei den US-amerikanischen Arznei-Programmen für sozial Schwache “Medicare”
und “Medicaid” den Leverkusener Chemie-Multi 14 Millionen Dollar Strafe gekostet haben, blieb seine kriminelle Energie ungebrochen. Wegen erneuter Täuschungsaktionen zu Lasten “Medicaids” ermitteln jetzt die
Staatsanwaltschaften von Massachusetts und Nevada gegen das Unternehmen.
In den USA ist mittlerweile gegen jeden großen Pillen-Konzern mindestens ein Verfahren anhängig. Seitdem die Justiz-Behörden mehr
Arznei-SpezialistInnen eingestellt haben und gegenwärtig dreimal so viel FBI-BeamtInnen wie noch zu Beginn der 90er Jahre im Pharma-Milieu ermitteln, stieg die Anzahl der Strafsachen um das Dreifache. Zu den
beliebtesten Opfern von BAYER & Co. zählen die staatlichen Pharma- zeutika-Programme für Bedürftige “Medicare” und “Medicaid”. Die Institutionen ordern bei den Pharma-Multis Medikamente in großen Mengen
und bekommen dafür Sonder-Konditionen eingeräumt. Berechnungsgrundlage der Rabatte sind die durchschnittlichen Großhandelspreise. Und hier wird’s kriminell. BAYER und andere Hersteller haben Krankenhäusern und
anderen Abnehmern Präparate weit unter den vereinbarten Durchschnittskosten verkauft. Die Kunden rechneten mit “Medicare” und “Medicaid” aber die vollen Listen-Preise ab und behielten die Differenz ein. Da diese
Differenz bei teuren Medikamenten besonders groß ausfiel, bestellten die MedizinerInnen mit Vorliebe die kostenträchtigsten BAYER-Pillen. Ein gutes Geschäft also für beide Seiten; den Gesundheitsprogramme entgingen
so hingegen eine Milliarde Dollar. Durch einen Informanten aus der Arznei-Industrie flog der Schwindel schließlich auf. Im Januar 2001 musste BAYER dann 14 Millionen Dollar Strafe zahlen.
Aber abschreckend hat das offenbar nicht gewirkt. Der Leverkusener Chemie-Multi trieb das Spiel munter weiter und verheimlichte “Medicaid”
Billig-Geschäfte mit Pharma-Produkten, um die als Kalkulationsgrund- lage für die Rabatte dienenden Durchschnittspreise in die Höhe zu treiben. Nun ermitteln die Staatsanwaltschaften von Massachusetts und Nevada
gegen BAYER und die anderen üblichen Verdächtigen. Die üblen Machenschaften der Konzerne veranlassten die Staatsanwalt- schaft von Nevada dazu, BAYER & Co. als “racketeer enterprises”,
Gangster-Unternehmen, zu bezeichnen. Nach Ansicht des mit den Untersuchungen befassten Juristen Jere Beasley handeln die Pillen- Riesen sogar noch verschlagener als die in den Vereinigten Staaten generell als
bösesten Industrie-Buben angesehenen Tabak-Konzerne. “Sie sind vielleicht die mächtigste politische Kraft im Land”, meint Beasley.
Diese Macht könnte künftig ein klein wenig schrumpfen. Nicht nur die binnen der letzten zwei Jahre auf das Doppelte gestiegenen “Medicaid”-
Kosten, auch die allgemein exorbitant hohen Pillen-Preise haben die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Pharma-Giganten gelenkt. Die beiden Juristen Eric H. Holder Jr. und Ethan M. Posner glauben deshalb,
dass sie in Zukunft auf der Agenda der Strafverfolgungsbehör- den den vordersten Platz einnehmen werden.
BAYER schweigt derweil zu den Vorwürfen. Nur den AktionärInnen gegenüber gibt man sich auskunftsfreudiger - gezwungenermaßen, denn die Vorschriften
verlangen, den ShareholderInnen jede möglicherweise kursrelevante Information mitzuteilen. Und kursrelevant vermögen die zu erwartenden Strafen schon sein. In einem Bericht an die US-Börsen- aufsicht SEC rechnet
der Pharma-Multi schlimmstenfalls sogar damit, aus den Programmen von “Medicare” und “Medicaid” herauszufliegen.
Aber dazu kommt es höchstwahrscheinlich nicht. Die Aufsichtsbehörden dürften die Gunst der Stunde, da BAYER & Co. in der Defensive sind, ganz
pragmatisch lediglich dazu nutzen, ihnen eine Senkung der Pillen- Preise abzutrotzen.
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