AKTION & KRITIK
Jahrestagung 2002 Als die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) sich
im Januar auf das Thema „Corporate War® - Krieg, Konzerne und demo- kratische Bewegungen“ festlegte, ahnte kaum eine/r, wie aktuell es am 23. November sein würde. So konnten die zahlreichen TeilnehmerInnen
zeitnah über die aktuellen Entwicklungen und ihre historischen und ökonomischen Hintergründe diskutieren. Der Kölner Rechtsanwalt Detlev Hartmann machte an dem vom Ökonomen Joseph A. Schumpeter geschaffenen Begriff
der „schöpferischen Zerstörung“ das dem Kapital innewohnende destruktive Potential zur Schaffung neuer Märkte, neuer Arbeitsregime sowie neuer politischer und ökonomischer Konstellationen deutlich. Axel
Köhler-Schnura illustrierte dies am Beispiel des BAYER-Konzerns, der im Ersten Weltkrieg die Chemie- Waffen entwickelte und das ZwangsarbeiterInnen-System erfand, im Zweiten Weltkrieg ein konzern-eigenes KZ betrieb
und sogar heutzutage noch von militärischen Auseinandersetzungen wie dem Bürgerkrieg im Kongo profitiert. Felix Oekentorp von der DFG VK (DEUTSCHE FRIEDENSGESELLSCHAFT/VEREINIGTE KRIEGSDIENST- GEGNER) skizzierte mit
dem Interesse an der Erschließung neuer Öl-Vorräte im Irak die ökonomischen Motive des geplanten US-Angriffs. Der Kölner Journalist Paul Kranefeld-Wied gab einen Überblick über die neue Politik der Inneren
Sicherheit, für deren Umsetzung der 11. September eine günstige Gelegenheit bot. Sowohl im gesellschaftlichen Bereich als auch auf der betrieblichen Ebene haben sich Kranefeld- Wied zufolge vielfältige neue
Möglichkeiten der Bespitzelung und der Kontrolle unliebsamer politischer AktivistInnen ergeben.
Trotzdem überwog bei der Abschluss-Diskussion über den Spielraum, der Gegen-Bewegungen bei der veränderten Weltlage bleibt, der Optimismus. Der
frisch aus Florenz vom Europäischen Sozialforum zurückgekehrte Axel Köhler-Schnura konnte nämlich von der beeindruckenden Massen-Demonstration mit über einer Million TeilnehmerInnen und dem sich dabei anbahnenden
Schulterschluss von sozialen Bewegungen und Kräften der traditionellen Arbeiterbewegung berichten.
Glaeske für effizientere Pharma-Politik Der Pharmakologe Gerd Glaeske
vom „Zentrum für Sozialpolitik“ der Universität Bremen hat Vorschläge für eine effizientere Pharma-Politik gemacht. Er sprach sich für die Einrichtung einer industrie-unabhängigen Arznei-Informationsstelle für
ÄrztInnen aus und forderte, dass BAYER & Co. ihre Aufwändungen für Werbung öffentlich machen müssen. Darüber hinaus verlangte er eine markt-begleitende, 2-jährige Überprüfungs-
phase von neu zugelassenen Medikamenten. Eine solche Verbrauche- rInnenschutz-Maßnahme hätte wahrscheinlich vielen der über 100 Opfer des BAYER-Cholesterinsenkers LIPOBAY das Leben retten können.
84.000 Unterschriften gegen Gen-Food Auch in den USA formiert sich
zunehmend Widerstand gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel, in denen sich Spuren der Gen- Pflanzen von BAYER & Co. finden. Im Bundesstaat Oregon starteten die Gentech-KritikerInnen von OREGON CONCERNED
CITIZENS FOR FOOD SAFETY eine Initiative zur Kennzeichnungspflicht von gen- manipulierter Nahrung und sammelten 84.000 Unterschriften. Ziel der Gruppe ist es, eine Volksabstimmung über Vorschriften zur Information
der VerbraucherInnen zu erreichen.
Schöndörfer kritisiert BAYER Der Pharmakologe Peter Schöndörfer hat die
Pharma-Unternehmen scharf kritisiert. „Die Medizin hat in der Industrie im Vergleich zum Marketing fast nichts mehr zu sagen“, monierte Schöndörfer. BAYERs Cholesterin-Senker LIPOBAY, der über 100 Menschen das Leben
kostete, nannte er als herausragendes Beispiel für ein Präparat, dass aus Marketing-Gründen nach zu wenigen Tests in zu hoher Dosis in die Apotheken kam, ohne firmen-interne Warnungen zu berücksichtigen: „Alle Daten
waren da, dass das schief geht.“
Feld-Besetzung in Belgien Im belgischen Florennes haben
Gentechnik-KritikerInnen ein Feld besetzt, auf dem BAYER einen Freisetzungsversuch mit gentechnisch manipulierten Nutz-Pflanzen durchführt.
Proteste gegen Bäder-Schließung Die Globalisierung soll schuld daran
sein, dass BAYER in Leverkusen das Carl-Duisberg-Bad dicht machen muss. Zur Begründung der Schließung sagte der Werksleiter des Leverkusener BAYER-Werkes, Heinz Bahnmüller: „Im Rahmen des weltweiten Kosten-Drucks
ist eine Weiterführung unwirtschaftlich.“ Nach Bekanntwerden der Absicht brach eine Welle des Unmuts über Leverkusen herein. Über 1.000 ungeladene Gäste verdarben BAYER mit ihren Protesten die festliche Zeremonie
zur Einweihung der neuen Konzern-Zentrale am 22. Oktober. „Glas-Päläste sprießen, CD-Bad will man schließen“ stand auf ihren Transparenten unter anderem zu lesen. Auch bei der „feierlichen Eröffnung“ des
Gesundheitshauses am 6. November ging es dank vieler Demonstran- tInnen alles andere als feierlich zu. Zudem gingen zahlreiche erboste Briefe in der BAYER-Zentrale ein und trugen sich Tausende in die
Unterschriften-Listen zum Erhalt des CD-Bades ein. Aber der Chemie- Multi ließ sich nicht erweichen. Jetzt überlegen CDU und SPD, das Schwimmbad in kommunaler Regie weiterzuführen.
Big Brother BAYER Für hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der
Bespitzelung und Überwachung von Beschäftigten hat BAYER den diesjährigen BigBrotherAward erhalten. Der „Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e.V. (FoeBuD) verlieh dem
Chemie-Multi die „Auszeichnung“, weil er bei BewerberInnen Drogen- Tests durchführt (SWB 4/02).
„Eine andere Welt ist möglich“-Demo Die COORDINATION GEGEN
BAYER-GEFAHREN (CBG) hat am 14. September in Köln an der „Eine andere Welt ist möglich“-Demonstration teilgenommen und rund 2.000 Flugblätter verteilt.
50.000 Postkarten gegen WTO Auf dem Welternährungsgipfel, der vom 8.-13.
Juni in Rom stattfand, protestierten FarmerInnen und FischerInnen des Südens, das PESTICIDE ACTION NETWORK sowie andere Nicht-Regierungs- organisationen (NGOs) gegen BAYER und andere Agro-Multis sowie die
Politik der Industrie-Länder, die das Hunger-Problem immer weiter verschärft. In einer Erklärung der NGOs heißt es: „Es wird keinen Fortschritt in den Anstrengungen gegen den Hunger geben, wenn es nicht zu einer
anderen Politik kommt. Die Liberalisierung des Welthandels (...) hat das Recht des Menschen auf Nahrung ausgehöhlt.“ Die AktivistInnen starteten in Rom die Kampagne „Get the World Trade Organisation out of
Agriculture“ und überreichten den Verantwortlichen des UN-Welternährungsprogramms FAO 50.000 Protest-Postkarten.
Überflug-Verbot gefordert Ein Leverkusener machte in einem Leserbrief an
die Rheinische Post auf die große Gefahr aufmerksam, die von etwaigen Flugzeug-Abstürzen über dem BAYER-Werk ausgehen (siehe auch Ticker 1/01). Das Firmen-Areal liegt in der Einflug-Schneise des Köln-Bonner
Flughafens; 70 bis 80 Prozent aller Lande-Anflüge gehen über die Chemie-Anlagen. Der Verfasser der Zuschrift fordert deshalb: „Es sollte in meinen Augen selbstverständlich sein, dass das BAYER-Werk bei der Landung
großräumig überflogen wird, hier könnten sich unsere Leverkusener Politiker gegenüber dem Flughafen bzw. den Flug-Gesellschaften hervortun.“
Swisstal-Genehmigung kritisiert Der Freisetzungsversuch von BAYER mit
gentechnisch manipuliertem Raps findet mitten in einem Naturschutzgebiet statt (SWB 3/02). Die Zustimmung der Behörden dafür erhielt der Gen-Gigant nach dem so genannten vereinfachten Verfahren. Diese „Genehmigung
light“ kritisierte die Staatssekretärin im nordrhein-westfälischen Umwelt- ministerium, Christiane Friedrich. „In Swisstal ist das passiert, was in der Bundesrepublik leider gang und gäbe ist. Es gibt das so
genannte Basis-Verfahren für Freisetzungen. Und dieses Basis-Verfahren können sie in jedem Land beantragen. Und dann haben Sie das Recht, im so genannten vereinfachten Verfahren in einem ganz anderen Bundesland an
einem ganz anderen Ort unter ganz anderen ökologischen Bedingungen diese Freisetzung auch zu realisieren“, so die Staatssekretärin gegenüber dem Deutschlandfunk. Um die möglichen Auswirkungen des
BAYER-Versuchs auf das Öko-System des Naturschutzgebietes zu untersuchen, hat das NRW-Umweltministerium eine Umweltverträglichkeitsprüfung verlangt.
Treffen mit AktivistInnen Im November traf der Geschäftsführer der
COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG), Philipp Mimkes, in Köln mit AktivistInnen aus El Salvador zusammen, die sich in den Bereichen Gentechnik, Pestizide und Pharma engagieren. Sie setzten die CBG unter anderem
über eine von BAYER in El Salvador verantwortete massive Grundwasser-Vergiftung in Kenntnis. Über den Austausch von Informationen hinaus erörterten Mimkes und die südamerikanischen Gäste zudem Möglichkeiten einer
weitergehenden politischen Kooperation.
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