POLITIK & EINFLUSS
EU-VerbraucherInnenschutz schützt Industrie Da haben die Lobby-Verbände
von BAYER & Co. mal wieder ganze Arbeit geleistet. Im Verwaltungsrat der neuen EU-Behörde für Lebensmittel-Sicherheit sitzt ein VerbraucherInnen-Schützer zwei Agrar-Lobbyisten, drei Industrie-VertreterInnen und
sechs Abgesandten von Regierungen gegenüber. Einen „Rat der Bürokraten und Wirtschaftslobbyisten“ nennt deshalb Carel Mohn von dem „Verbraucherzentrale Bundesverband“ (vzbv) das Gremium.
EU will schnellere Pillen-Zulassungen Die EU plant für das Jahr 2003
eine Arzneimittel-Reform, nach der das Zulassungsverfahren für neue Medikamente auf neun Monate verkürzt werden soll. BAYER & Co. müssen dann keine vollständigen Test- Ergebnisse mehr vorlegen - sie können die
Studien zu Wirksamkeit und Verträglichkeit auch noch nach der Markt-Einführung des Pharma- zeutikums einreichen. Damit hat sich die EU-Kommission trotz des LIPOBAY-Skandals mit seinen über 100 Opfern, der eher
strengere Pillen-Prüfungen angezeigt sein ließ, dem Druck der Pharma-Lobby gebeugt.
EU will grüne Gentechnik Ende November plädierte das Europäische
Parlament mit großer Mehrheit dafür, das gen-manipulierte Kultur-Pflanzen und Lebensmittel betreffende Zulassungsmoratorium aufzuheben. Einmal mehr hat es damit VerbraucherInnenschutz-Interessen den ökonomischen
Interessen der großen Druck auf die EU ausübenden USA sowie denen BAYERs und anderer Gen-Giganten geopfert. Noch nicht einmal die Kompromiss- Linie der Sozialdemokratin Dagmar Ruth-Behrendt, welche die Wende in der
Gentech-Politik mit einer drastischeren Kennzeichnungspflicht sowie einem Umwelt-Haftrecht verbinden will, dürfte Chancen auf eine Umsetzung haben. „EuropaBio“, die Brüsseler Lobby-Vereinigung von BAYER und anderen
Gen-Giganten, begrüßte die Entscheidung des Parlaments, die nicht zuletzt auf seine Einflussnahme zurückgeht, und forderte die UmweltministerInnen der Europäischen Union auf, nun endgültig grünes Licht für die grüne
Gen-Technik zu geben.
BAYER vs. EU-Chemiepolitik BAYER & Co. haben die meisten ihrer
Chemikalien noch nie auf ihre schädlichen Wirkungen hin untersucht (Ticker berichtete mehrfach). Weil dies Mensch, Tier und Umwelt einer großen Gefahr aussetzt, will die EU die Konzerne zu einer Überprüfung der
Substanzen veranlassen. wogegen sie sich vehement wehren. Allein BAYER müsste 1.500 Stoffe testen. Der Leverkusener Chemie-Multi klagt über die dadurch entstehenden Kosten von 750 Millionen Euro und droht mit
Arbeitsplatzvernichtung. Die Zahl ist jedoch völlig aus der Luft gegriffen. Die NRW-Tochter der BASF rechnet nach Informationen der Süddeutschen Zeitung nämlich nur mit finanziellen Aufwändungen in Höhe von 130.000
Euro. Bei der Politik fand BAYER jedoch ein offenes Ohr. Bundeskanzler Schröder intervenierte auf Geheiß der Chemie- Multis bereits in Brüssel. Noch hält das EU-Umweltkommissariat den versuchten Einflussnahmen
stand. „Das ist eine Investition in die Sicherheit, die sich auszahlen wird“, verteidigte Rolf Annersberg, der Kabinettschef der EU-Umweltkommissarin Margot Wallström, die geplanten Maßnahmen. Auch er wies die
Kostenrechnungen von BAYER & Co. als nicht nachvollziehbar zurück.
Wenning brieft PolitikerInnen In seiner Festrede zur Einweihung der
neuen Dormagener Pestizid- Anlage Ende Juni hat BAYER-Chef Werner Wenning den PolitikerInnen den Forderungskatalog des Chemie-Multis präsentiert: Weniger Auflagen für die Bio-Technologie, weniger Lohnnebenkosten,
weniger Steuern, weniger nationale Umweltschutz-Gesetze und weniger Chemie-Politik aus Brüssel. Bei der Verhinderung des neuen EU-Chemikalien-Gesetzes (s. o.) hat der unter den Gästen weilende damalige Leiter der
NRW-Staatskanzlei, Georg Adamowitsch, BAYER schon beflissen die Amtshilfe der Landesregierung in Aussicht gestellt.
US-Botschafter bei BAYER Der neue Botschafter der USA in der
Bundesrepublik, Daniel R. Coats, besuchte Ende Juni das Leverkusener BAYER-Werk. Er traf dort mit dem Vorstandsvorsitzenden Werner Wenning und Attila Molnar als dem künftigen Chef der US-amerikanischen
Konzern-Niederlassungen zusammen. Inhalt des Gespräches waren die deutsch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen und die ökonomischen Pläne des Chemie- Multis in den Vereinigten Staaten.
Böckly für Molnar im BAVC Wolfgang Böckly folgt Attila Molnar bei BAYER
nicht nur als Personal-Chef nach, sondern übernimmt auch dessen Posten im Vorstand des „Bundesarbeitgeberverbandes Chemie“ (BAVC).
Wenning neuer VCI-Vize Die Mitglieder-Versammlung des „Verbandes der
Chemischen Industrie“ (VCI) wählte im Oktober den BAYER-Chef Werner Wenning zu ihrem zweiten Vorsitzenden.
Peruanischer Botschaftler bei BAYER Mitte September besuchte der
peruanische Botschafter in der Bundesrepublik, Alfredo Novoa Pena, die Leverkusener BAYER- Zentrale und sprach mit dem Vorstandsvorsitzendem Werner Wenning über die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern
sowie über die aktuellen Umstrukturierungsmaßnahmen beim Chemie-Multi.
Böhmer in Bitterfeld Zum 10-jährigen Bestehen der Bitterfelder
BAYER-Niederlassung fand sich eine illustre Gäste-Schar ein. Unter anderem machten der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU), Wirtschaftsminister Horst Rehberger (FDP) und der parteilose
Greppiner Bürgermeister Joachim Schunke dem Chemie-Multi ihre Aufwartung. In Glückwünschen überboten sie sich geradezu. Böhmer nannte BAYER einen „Vorreiter in der Umstrukturierung der Region“, und laut Rehberger
übt der Pharma-Riese eine „Strahlkraft“ für die gesamte Region aus. Dass BAYER in Bitterfeld aber nicht aus eigener Kraft leuchtet, sich stattdessen die Errichtung der Produktionsstätten mit 150 Millionen Euro zu
rund einem Drittel aus Landesmitteln finanzieren ließ, erwähnte keiner der Politiker. Zudem betrachtet der Konzern den Osten lediglich als verlängerte Werkbank mit billigen Arbeitskräften und unterhält dort keine
Forschungseinrichtungen - auch daran nahm keiner der Gratulanten Anstoß.
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