SWB 01/03 - Ticker

POLITIK & EINFLUSS

Deutsche Lösung beim EU-Emissionshandel
Durch den von der EU zur Erreichung der Klimaschutz-Ziele von Kyoto geplanten Emissionshandel (Ticker 3/02) bekommt jede zuviel in die Atmosphäre geblasene Tonne Kohlendioxid einen Preis. Das Unter- nehmen muss dann entweder in Reduktionstechnologie investieren oder aber ein Emissionsrecht erwerben. Dagegen machen die bundes- deutschen Chemie-Multis schon lange mobil. In Super-Minister Wolfgang Clement haben sie einen nibelungentreuen Sachwalter ihrer Interessen gefunden. Der BAYER-Intimus erreichte bei Verhandlungen in Brüssel bedeutende Kompromisse zu Gunsten der einheimischen Chemie- und Stahlbranche. So gilt das Jahr 1990 als Grundlage der CO2-Berech- nungen - just das Jahr, in dem der Bundesrepublik durch die Deindustrialisierung des Ostens 19 Prozent der in Kyoto vereinbarten 21 Prozent Emissionssenkungen praktisch von allein in den Schoß fielen. Auch gelang es Clement, Spielräume für Lösungen in Eigen-Regie der Staaten zu gewinnen. So dürfen die Länder Anlagen und ganze Industrie-Zweige vom CO2-Handel ausnehmen und einen eigenen - kostenneutralen - Austausch von Verschmutzungsrechten organisieren. Der klima-gefährdende Kohlendioxid-Ausstoß dürfte also weiter zunehmen. Die noch aus der Zeit der Kohl-Regierung stammende Vorgabe, bis zum Jahr 2005 die Emissionen um ein Viertel zu senken, ist bereits abgeschrieben. Inzwischen sieht die „Gesellschaft für Wirtschaftliche Struktur-Forschung“ (GWS) auch die Erreichung des Kyoto-Zieles, die Produktion von Treibhaus-Gasen bis 2012 um 21 Prozent zu reduzieren, als gefährdet an.  

Klage gegen Positiv-Liste
Die Bundesregierung plant die Einführung einer Positiv-Liste für Arzneien. Sie soll Medikamente, deren Nutzen umstritten oder gar nicht vorhanden ist wie der von BAYERs Diabetes-Präparat GLUCOBAY (siehe Ticker 3/02), von der Erstattung durch die Krankenkassen ausnehmen. Ein Gesetz-Entwurf liegt bereits vor. Nach Ansicht der Regierungskoalition braucht der Bundesrat dem Vorhaben nicht zuzustimmen. Nach Ansicht von BAYER & Co. allerdings schon - die CDU/FDP-Mehrheit in dem Gremium könnte die schmerzliche Umsatz-Verluste mit sich bringende Liste nämlich verhindern. Deshalb versuchen die Pharma-Konzerne, die Bundesländer zu einer Klage gegen das angebliche Übergehen des Bundesrates zu bewegen und haben auch schon willfährige VerfassungsrechtlerInnen für ihre durchsichtigen Ziele einspannen können.

BAYER vs. EU-Chemiepolitik
Nach dem Willen der EU sollen BAYER und andere Konzerne bisher noch nie untersuchte Chemikalien künftig auf ihre gesundheitsgefähr- dende Wirkung hin testen (Ticker berichtete mehrfach). Die Kritik der Unternehmen an dieser Maßnahme des vorbeugenden Gesundheits- schutzes nimmt immer absurdere Formen an. Der Leverkusener Chemie-Multi veröffentlichte in der November-Nummer seiner Propaganda-Postille direkt die Ergebnisse einer vom „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) bei der Unternehmensberatung ARTHUR D. LITTLE in Auftrag gegebenen Studie, die ein absolutes Horror-Szenario entwirft. Nach dieser Expertise führt die Examination der Giftstoffe angeblich zu einem Produktionsausfall im verarbeitenden Gewerbe von 20 Prozent, zu einem um 6,4 Prozent niedrigeren Bruttosozialprodukt und zu einer Erhöhung der Arbeitslosen-Zahl um sage und schreibe 2,35 Millionen. Aber bei Superminister Wolfgang Clement wird dieser Alarmismus schon die gewünschten Folgen zeitigen und ihn zu erneuten Interventionen in Brüssel veranlassen.

Rau bei BAYER
Bundespräsident Johannes Rau hat noch aus seiner Zeit als Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens beste Beziehungen zu BAYER. Darum besuchte er während seiner sommerlichen Japan-Reise auch das Pharma-Forschungszentrum des Konzerns in der Kansai Science City nahe Kyoto und lobte es als „hervorragendes Beispiel der langjährigen guten Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Japan im Hochtechnologie-Bereich“.

BAYER & Co. vs. Ulla Schmidt
BAYER & Co. bauen eine imposante Droh-Kulisse gegen die geplanten Einsparungen im Gesundheitsbereich auf. Die Hälfte aller dem von BAYER gegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) angehörenden Unternehmen wollen die Forschungsausgaben der bundesdeutschen Niederlassungen senken. Dagegen beabsichtigen drei Viertel aller VFA-Konzerne angeblich, ihre diesbezüglichen Aufwändungen in anderen Ländern zu erhöhen. Einige Pharma-Riesen kündigen sogar schon die Verlagerung ihres Firmen-Sitzes ins Ausland an. Der Leverkusener Chemie-Multi belässt es dabei, die rot-grünen Reformen für Arbeitsplatz-Vernichtung verantwortlich zu machen. Einstweilen bekennt er sich noch generös zum Standort Nordrhein- Westfalen. „Bei langfristigen Investitionen werden wir uns aber überlegen, in welchem Land wir sie tätigen“, betonte ein Manager der Welt am Sonntag gegenüber. Viele bleiben da nicht übrig, weil „Big Pharma“ mittlerweile überall ein etwas schärferer Wind ins Gesicht bläst.

Schiwi wird Wirtschaftssprecher
Dr. Willy Schiwy, der Leiter des Brunsbütteler BAYER-Werks, ist auch Sprecher des „Initiativkreises Wirtschaftsraum Unterelbe“. Er nutzt den Posten nach eigenen Angaben, um für bessere Rahmen-Bedingungen und einen Ausbau des BAYER-Chemie„parks“ einzutreten. Besonders liegt ihm aber der Ausbau des Straßennetzes inklusive der umstrittenen Autobahn A 20 und die Abschaffung des Wasser-Cents am Herzen. Mit dieser äußerst sinnvollen Regelung beteiligt die schleswig-holsteinische Landesregierung die Unternehmen an den Kosten für die Reinigung der von ihnen verschmutzten Gewässer.

Wenning berät Böhmer
Der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) lässt sich künftig von einem Manager-Gremium beraten, dem auch BAYER-Chef Werner Wenning angehört.