Französische Regierung verlängert Teilverbot von Gaucho
Bienensterben jetzt auch in Deutschland
Seit 1994 sind in Frankreich rund die Hälfte aller Bienenvölker gestorben. Die in ihrer Existenz bedrohten Imker machen hierfür das von BAYER
vertriebene Pestizid GAUCHO verantwortlich. Das französische Umweltministerium verhängte daher ein Teilverbot des Agrogifts. Nun sterben die Bienen auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz – in einigen
Regionen gibt es Verluste bis zu 80%. Die BAYER AG will ihren Verkaufsschlager schützen und weist jede Verantwortung zurück.
von Philipp Mimkes
„Fast alle unsere Bienen sind tot“ titelte die Bild-Zeitung Anfang des Jahres. Weiter heisst es in dem Boulevardblatt, „bis zu 80% der Bienenvölker
in der Region Düsseldorf sind tot, in anderen Gebieten sind es 30 bis 50%“. Dies führte bereits zu Ertragseinbußen von mehreren tausend Tonnen Honig pro Jahr. Da Honigbienen außerdem den größten Teil der
Blütenbestäubungen erbringen, gehen auch die Erträge von Äpfeln, Birnen und Raps zurück.
Französische Imker, die bereits seit 1994 unter massiven Bienensterben leiden, machen das von BAYER verkaufte Insektengift GAUCHO (Wirkstoff:
Imidacloprid) verantwortlich. Imidacloprid wird sowohl als Spritzmittel als auch zur Behandlung von Saatgut verwendet. Solche systemischen Insektengifte steigen aus dem Samen in die Pflanze und sind später in allen
Pflanzenteilen zu finden. Schadinsekten sterben, wenn sie von der Pflanze fressen – da der Wirkstoff aber auch in den Pollen und in den Nektar wandert, werden auch die Bienen geschädigt.
„Imker werden belogen“
Schon in niedrigster Konzentration stört das Pestizid den Orientierungs- sinn der Bienen, so dass sie nicht mehr zu ihrem Stock zurückfinden
und den Fundort von Nektar nicht an andere Bienen weitergeben können. Maurice Mary, Sprecher des französischen Imkerverbands Union National d´Apiculteurs (UNAF): „Seit der ersten Anwendung von GAUCHO haben wir große Verluste bei der Ernte von Sonnenblumen-
honig. Früher belief sich in unserem Betrieb der Honigertrag pro Bienenstock auf rund 35 Kilo, heute sind es nur noch 5 bis 6 Kilo.“ Da das Mittel jahrelang im Boden verbleibt, können selbst unbehandelte
Pflanzen eine für Bienen tödliche Konzentration enthalten. Die UNAF, die rund 50.000 Imker vertritt, wirft BAYER vor, die Risiken von GAUCHO zu verschleiern und die französischen Zulassungsstellen systematisch zu
belügen, und fordert daher ein vollständiges Verbot von GAUCHO.
Auch aus Kanada werden Bienensterben mit Imidacloprid in Verbindung gebracht. Untersuchungen fanden Spuren des Wirkstoffs in über 20% der
untersuchten Blütenstaubproben. Vermutet wird, dass die Kontamination mit der langen Halbwertzeit des Wirkstoffs (in kalten Klimaten über 3 Jahre) zusammenhängt. Imidacloprid wird daher auch von ungespritzten
Pflanzen aufgenommen, für die eine Behandlung mit GAUCHO gar nicht vorgesehen ist.
#1 im BAYER-Sortiment
Imidacloprid befindet sich in einer Vielzahl von BAYER-Produkten. Es wird in rund 100 Ländern vertrieben und ist bei mehr als 70 Pflanzen-
arten in Gebrauch - mit einem Umsatz von 560 Millionen Euro im vergangenen Jahr ist der Wirkstoff die Nummer 1 im Sortiment. Die Schädlichkeit von Imidacloprid ist unbestritten – auf jeder Packung findet sich der
Hinweis „bienengefährlich“. Vertreter von BAYER argumentieren jedoch, dass die Konzentration des Wirkstoffs in den behandelten Pflanzen zu niedrig sei, um den Tod der Tiere zu verursachen. Kritiker vermuten, dass
die hohen Verkaufszahlen der Grund sind, weswegen sich das Unternehmen trotz der gravierenden Umweltschäden mit Zähnen und Klauen gegen ein drohendes Anwendungsverbot wehrt.
Berufsimkerbund fordert Verbot
Anders als in Frankreich, wo es mehr als 2000 Berufsimker gibt, sind die meisten der rund 90.000 deutschen Bienenzüchter Freizeit- und Hobbyimker.
Mit ihren rund 820 000 Bienenvölkern erzeugen sie pro Jahr ca. 24 000 Tonnen Honig. Wichtiger noch, und im Unterschied zu Honig nicht importierbar, ist die Bestäubungsleistung der Bienen - diese übersteigt den Wert
der Honigerzeugung mindestens um das zehnfache.
Da sie schlechter organisiert sind als ihre französischen Kollegen, brauchten die deutschen Bienenzüchter sehr viel länger, um sich gegen die
Pestizidrisiken zu wehren. Im Februar forderte der Berufsimkerbund (DBID) gemeinsam mit dem Naturschutzbund NABU ein Anwendungsverbot für GAUCHO.
Österreichische Tests zeigen Risiken
Im vergangenen Jahr startete das Bieneninstitut Österreich gemeinsam mit dem Bieneninstitut Celle, der deutschen Biologischen Bundes-
anstalt (BBA) und der Firma BAYER einen großangelegten Feldversuch. Zu Beginn der Rapsblüte wurden 10 Bienenvölker neben 60 Hektar Imidacloprid-gebeiztem Raps aufgestellt. 10 weitere Völker standen in 15 km Entfernung von 40 Hektar ungebeiztem Raps. In dem Versuchs-
protokoll, das auch von BAYER-Mitarbeiter Dr. Schmuck unterschrieben wurde, finden sich höchst ungewöhnliche Beobachtungen: „Um 14 Uhr bei vollblühendem Raps, +20° Lufttemperatur, strahlendem Sonnenschein saßen
im Bodenbrett eines Bienenvolkes ca. 1,5kg Flugbienen. Nachdem diese Flugbienen vor dem Bienenstand zu Boden geworfen wurden ereignete sich folgendes: Die Flugbienen brauchten gestoppte 2 Stunden und 15 Minuten um
zu Fuß wieder in ihren Bienenstock zu klettern.“
Weiterhin wurde festgestellt dass in den Imidacloprid-behandelten Feldern kein Rapspollen gesammelt wurde, bei den nicht-gebeizten Feldern hingegen
in großem Ausmaß. Die Auswertung des Versuchs zeigte, dass es bei den Bienen unter Einfluss von Imidacloprid zu Orientierungsproblemen kam. Bienen, die mit einem gewissen Imidacloprid-Level belastet waren, waren
nicht mehr im Stande, aus 500 m Entfernung in ihr Bienenvolk zurück zu finden.
Drei weitere österreichische Versuche zeigten, dass die Giftbelastung den Honigertrag senkte.
Bieneninstitute abhängig von BAYER
Aufgrund massiv gekürzter öffentlicher Zuschüsse sind die deutschen Bieneninstitute dringend auf Forschungsaufträge von Dritten angewiesen.
Wichtigster Partner: die BAYER AG. Nach Angabe von Imkern finanziert das Leverkusener Unternehmen in einigen Instituten direkt die Gehälter der Mitarbeiter. Auch Dr. Brasse, bei der Biologischen Bundesanstalt zuständig für die Bewertung von GAUCHO, hat bereits Aufträge von BAYER erhalten. So erklärt sich, warum die Bieneninstitute und die BBA, die eigentlich die Sicherheit der Bienen garantieren sollen, keine BAYER-kritischen Studienergebnisse veröffentlichen.
Auch die Medien halten sich bedeckt. Ein im April veröffentlichter Artikel des „Stern“ beschreibt zwar das Ausmaß des Bienensterbens, lässt aber
die Verdachtsmomente gegen GAUCHO und das Anwendungs- verbot in Frankreich unter den Tisch fallen. Wörtlich heißt es: „Vermutungen, der im Raps ausgebrachte Wirkstoff Imidacloprid habe zum Bienensterben
beigetragen, hätten sich als „nicht belegbar“ erwiesen“ - der lange Arm des Konzerns, in diesem Fall als mächtiger Anzeigenkunde, dürfte auch hier zum Einsatz kommen.
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