SWB 02/2003 - Ticker

RECHT & UNBILLIG

255,6 Mio. Dollar Strafe für BAYER
BAYER hat “Medicaid”, das US-amerikanische Gesundheitsprogramm zur Versorgung sozial Schwacher mit Medikamenten, um eine dreistelligen Millionen-Betrag betrogen (SWB 4/02). Die Institutionen ordern bei den Pharma-Multis Medikamente in großen Mengen und bekommen dafür Sonder-Konditionen eingeräumt. Berechnungsgrundlage der Rabatte sind die durchschnittlichen Großhandelspreise. Diese hatte der Leverkusener Chemie-Multi systematisch hochgetrieben, indem er Billig-Geschäfte mit Arzneien verheimlichte. Deshalb nahmen die Staatsanwaltschaften von Massachusetts und Nevada Ermittlungen gegen den Konzern auf. Die Kammer von Massachusetts verurteilte BAYER im April zu einer Strafe von 255,6 Millionen Dollar. In keinem vergleichbaren Verfahren haben RichterInnen in den USA bislang eine so hohe Strafsumme festgesetzt.

BAYER gewinnt LIPOBAY-Prozesse
LIPOBAY-Geschädigte haben die ersten Schadensersatz-Prozesse gegen den Leverkusener Chemie-Multi verloren. Ein Gericht im US- amerikanischen Corpus Christi wies die Klage eines Betroffenen ebenso ab wie wenige Wochen später eine Kammer in Jackson. Die Geschworenen fällten die Urteile, obwohl die Anklage-Vertreter erdrückende Beweise für ein frühzeitiges Wissen des BAYER- Managements um die Gefährlichkeit des Cholesterin-Senkers vorlegten (siehe SWB 2/03). Darum akzeptierte der Rechtsanwalt des in Corpus Christi klagenden Hollis Haltom den Richterspruch auch nicht und zitierte BAYER erneut vor den Kadi.

AIDS-Skandal: neue Klagen
Seit Mitte der 80er Jahre starben weltweit über 20.000 Bluter durch Blut-Präparate von BAYER und anderen Herstellern, die mit dem AIDS-Virus infiziert waren. Viele von ihnen könnten noch am Leben sein, wenn die Pharma-Konzerne rechtzeitig ein Verfahren zur Hitze- Behandlung eingeführt hätten. Aus Profit-Gründen sprachen sie sich jedoch untereinander ab, es möglichst lange hinauszuzögern. Als der Leverkusener Chemie-Multi seine Produkte mit dem Gerinnungsfaktor VIII zur Versorgung von Blutern schließlich hitze-behandelte, verkaufte er noch über 300.000 alte Einheiten nach Südamerika und 400.000 nach Asien. Allein Taiwan, Hongkong und Japan steckten sich deshalb über 100 Menschen mit AIDS an. Da interne Dokumente über die skrupellose Vermarktungspolitik der BAYER-Tochter CUTTER erst jetzt aufgetaucht sind, hat der AIDS-Skandal ein Nachspiel. Sieben Geschädigte bzw. deren Hinterbliebene haben vor US-Gerichten Klagen angestrengt. BAYER kündigte an, ihnen Vergleiche anzubieten.

Klage wg. AGENT ORANGE
Der US-Anwalt Ed Fagan hat eine Sammelklage von Apartheidsopfern gegen BAYER und andere Chemie-Konzerne angekündigt, weil sie in den achtziger Jahren das Entlaubungsmittel AGENT ORANGE an Südafrika geliefert haben. Der Apartheidsstaat hat die Chemikalie dann in den Kriegen gegen Namibia, Angola und Mosambik sowie innerhalb der Staatsgrenzen im Kampf gegen den Afrikanischen Nationalkongress eingesetzt. BAYER streitet die Vorwürfe ab. “Wir haben niemals AGENT ORANGE produziert oder verkauft”, heißt es aus der Konzern-Zentrale. Hier lügt der Leverkusener Chemie-Multi, denn seine US-amerikanische Tochterfirma MOBAY war bereits an der Herstellung dieses Entlaubungsmittels für den Vietnam-Krieg beteiligt. Dort diente es dazu, die Urwald-Vegetation zu zerstören, um die Verstecke von Vietcong- KämpferInnen aufspüren zu können. Tod, Missbildungen von Kindern und eine massive Umweltzerstörung waren damals die Folge des US- amerikanischen Chemie-Krieges. Fagan verlangt jetzt von den angeklagten Unternehmen die Herausgabe von internen Firmen- Unterlagen. Da BAYER & Co. ihre Leichen aber im Keller lassen wollen, rechnen BeobachterInnen damit, dass sie einem Vergleich zustimmen werden.

Bauernkrieg um Nachbau-Gebühren
Im Zuge der Gentechnik haben BAYER & Co. Patent-Ansprüche auf menschliche Bestandteile, Tiere und Pflanzen durchgesetzt. Für LandwirtInnen hat das konkrete Auswirkungen. Konnten sie in der Vergangenheit einen Teil ihrer Ernte wieder aussäen, so verlangen BAYER und andere Agro-Multis nun Nachbau-Gebühren. Sie begründen dies damit, dass sie ein Copyright auf das Gen-Material der von ihnen gezüchteten Sorten hätten. Mittels Kooperationsabkommen zwingen sie die Bauern und BäuerInnen zur Auskunft über Wiederaussaaten und versuchen, bei den das Saatgut wiederaufbereitenden Firmen an persönliche Daten von nachbauenden LandwirtInnen zu kommen. Sogar vor Klagen scheuen BAYER & Co. nicht zurück. Jetzt hat der Europäische Gerichthof ihnen einen kleinen Dämpfer verpasst. Die Straßburger RichterInnen urteilten, eine generelle Auskunftspflicht über die Saatgut-Praxis auf den einzelnen Höfen bestehe nicht.

Blutglucose-Kartell flog auf
Das Strafregister des Leverkusener Chemie-Multis wird länger und länger. Gemeinsam mit ROCHE, JOHNSON & JOHNSON, ABBOTT und MENARINI traf er illegale Preis-Absprachen bei der Vermarktung von Blutglucose-Tests. Im April kam ihnen die italienische Kartell- Behörde auf die Schliche und verurteilte die Konzerne jeweils zu Strafen in Höhe von sechs Millionen Euro. BAYER akzeptiert das Urteil nicht und kündigte an, an die nächste Instanz zu gehen.

Antibiotika-Verbot rechtens
Die Verabreichung von Antibiotika wie BAYERs BAYTRIL in der Massentierhaltung fördert die Bildung von resistenten Keimen. Diese können über die Nahrungskette auch in den menschlichen Organismus gelangen und Infektionskrankheiten auslösen, gegen die dann kein Kraut mehr gewachsen ist.

Im Sinne des vorsorglichen Gesundheitsschutzes hatte die EU 1998 deshalb das BAYER-Produkt OLAQUINDOX und drei weitere Mittel verboten (Ticker 1/99). Dagegen hatten zwei Pharma-Multis Einspruch erhoben, weil die  Anordnung ihrer Meinung nach nicht auf objektiven wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhe. Ein Gericht wies die Klage jetzt in erster Instanz ab. Auch wenn die Gefährlichkeit eines Produkts nicht zweifelsfrei erwiesen sei, könnten RichterInnen diese prophylaktisch zum Schutz der öffentlichen Gesundheit aus dem Verkehr ziehen lassen, so lautete die Begründung.

AnlegerInnen verklagen BAYER
Der US-Anwalt Wolf Popper hat im Namen von BAYER-AktionärInnen eine Sammelklage gegen BAYER wegen Wertpapier-Betrugs eingereicht. Er wirft dem Konzern vor, aktienkurs-relevante Informationen über die gefährlichen Nebenwirkungen des Cholesterin-Senkers und das damit verbundene Haftungsrisiko nicht an die Wertpapier-BesitzerInnen weitergegeben zu haben. Erst im Vorfeld des ersten Schadensersatz- Prozesses seien diese BAYER-Interna ans Licht der Öffentlichkeit gekommen, so Popper.

Keine Gehaltsobergrenzen für Bosse
Während die Beschäftigten mit immer magereren Lohn-Zuwächsen auskommen müssen und ihre Einkommen an der Kaufkraft gemessen real sogar sinken, langen die ManagerInnen zunehmend kräftiger hin. BAYER-Chef Werner Wenning beispielsweise kommt hauptsächlich durch variable Gehaltskomponenten wie Aktien-Optionen auf ein stolzes Salär von 1,3 Millionen Euro - und das ohne die Bezüge für seine vier Aufsichtsratsposten bei anderen Unternehmen. Da dieses Auseinanderklaffen in den Medien mehr und mehr auf Kritik stieß, plante Bundesjustizministerin Brigitte Zypries per Gesetz Höchstgrenzen für ManagerInnen-Bezüge einzuführen, “damit die Höhe der Manager- Gehälter der Öffentlichkeit vermittelbar” bleibe. Davon rückte sie jedoch bald ab. Die unverbindliche Empfehlungen einer Regierungskommission unter Leitung des ehemaligen KRUPP-Managers Gerhard Cromme, beim Auflegen der Aktienoptionsprogramme doch bitte “anspruchsvolle, relevante Vergleichsparameter” im Auge zu haben, ersetzen jetzt das Paragrafen-Werk.

Mais-Patent bleibt bei MONSANTO
In einem sechs Jahre dauernden Rechtsstreit hat BAYER das Patent der MONSANTO-Tochterfirma DEKALB GENETICS auf eine gentechnisch produzierte Mais-Sorte, die immun gegen den Herbizid-Wirkstoff Glusinate ist, angefochten. Ein Gericht im US-amerikanischen St. Louis wies die Klage jetzt ab, weshalb der Leverkusener Chemie-Multi keine Pflanze gleicher “Bauart” herstellen kann.