SWB 01/2004

Entlassungen und gebrochene Tarifverträge:

BAYER verletzt Gewerkschaftsrechte

Die philippinische Gewerkschaft EMPLOYEES UNION OF BAYER PHILIPPINES wirft dem BAYER-Konzern vor, ArbeitnehmerInnen-Rechte zu missachten. Gewerkschaftsbeiträge wurden jahrelang nicht ausgezahlt, GewerkschaftsvertreterInnen unter zweifelhaften Umständen entlassen. Deshalb haben die GewerkschaftlerInnen bei der OECD, in der die 28 wirtschaftskräftigsten Staaten organisiert sind, eine Beschwerde eingereicht. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN unterstützt ihren Protest.

Von Knut Henkel

Bei den Betriebswahlen im Sommer 2003 erhielt die EMPLOYEES UNION OF BAYER PHILIPPINES (EUBF) über 70 Prozent der Stimmen. Auch das Arbeitsministerium in Manila betrachtet die EUBF als legitime Vertreterin der ArbeitnehmerInnen. Das erkennt auch die philippinische BAYER-Tochter, BAYER PHILIPPINES, an, so Roland Ellmann, Pressesprecher der BAYER AG in Leverkusen.

Doch das war nicht immer so, erklärt Juanito Facundo. Der 55-jährige Gewerkschaftspräsident der EUBF wirft dem Management vor, die Reformed Employees Union of BAYER Philippines (REUBP), die mit der EUBF konkurriert, einseitig anerkannt zu haben. Die Unternehmensleitung habe mit der Gewerkschaft über Tarif-Verträge verhandelt, obwohl diese zum damaligen Zeitpunkt nicht beim philippinischen Arbeitsministerium registriert gewesen sei, so Facundo. Der Gewerkschaftspräsident verweist auf mehrere Gerichtsurteile: Demnach war die REUBP weder ordnungsgemäß beim Arbeitsministerium registriert noch ausreichend legitimiert. Sie verfügte nach Worten Facundos gerade über 26,8 Prozent der Stimmen der ArbeitnehmerInnen. Trotzdem habe das Unternehmen die REUBP anerkannt und mit ihr Tarifverhandlungen geführt, obwohl ein noch laufender Tarifvertrag mit der EUBP vereinbart worden war. Für Facundo ein klarer Bruch des geltenden Vertrages und der Arbeitsrechtsbestimmungen.

Das sieht BAYER-Pressesprecher Roland Ellmann ganz anders. Für ihn ist der Fall ein Streit zwischen zwei Gewerkschaften auf Kosten des Unternehmens. "Wir halten uns an die philippinischen Regeln und werden nicht in den Streit eingreifen", so Ellmann. Auch im Streit um die Auszahlung der Gewerkschaftsbeiträge sei seine Position klar: BAYER habe die Beiträge an die damals offiziell gewählte und anerkannte REUBP gezahlt. Diese Darstellung widerspricht allerdings den in der OECD-Beschwerde aufgeführten Urteilen der philippinischen Gerichte. So hat das Arbeitsgericht am 28. April 2003 eine Vollstreckungsverfügung erlassen, wonach BAYER PHILIPPINES die von August 1998 bis März 2003 ausstehenden Beiträge zu zahlen habe. Dagegen hat das Unternehmen Widerspruch eingelegt, wie aus der OECD-Beschwerde hervorgeht.

Zahlreiche weitere Verstöße gegen den Tarifvertrag sind in der Beschwerde erwähnt. So habe das Unternehmen die Übereinkommen zur Renten-Zahlung und medizinischen Versorgung der ArbeitnehmerInnen nicht wie vereinbart umgesetzt, Gespräche mit der EMPLOYEES UNION OF BAYER PHILIPPINES verweigert und sich in Angelegenheiten der Beschäftigten eingemischt. So wurde am 3. August 1998 ein Seminar über kommunistische Einflüsse in der Gewerkschaftsbewegung gesponsert, das der Gewerkschaft zufolge das Ziel gehabt habe, ihre Mitglieder zu entmutigen. "Der Gewerkschaftsbeitritt bringt den Mitgliedern nichts Gutes, da Lohn-Anhebungen und sonstige Vergünstigungen vom Unternehmen und nicht von der Arbeitnehmer-Vertretung kommen", das wollte die Unternehmensleitung der Belegschaft laut Beschwerde einreden.

Auch seine Entlassung am 4. Mai 2000 hat mit der Auseinandersetzung zwischen Unternehmensleitung und Gewerkschaft zu tun, vermutet Juanito Facundo. Nach fast 30 Jahren im Dienst der Firma wurde der Elektro-Ingenieur auf Grund einer betrieblichem Umstrukturierung entlassen, so die offizielle Version. Facundo erhielt seine Papiere von einem Tag auf den anderen und wurde gemeinsam mit der EUBP-Schatzmeisterin Virginia Capada vom Fabrikgelände eskortiert, berichtete der Philippine Daily Inquirer damals.

Facundo hofft über die OECD-Beschwerde in der Bundesrepublik den Arbeitskonflikt zwischen der BAYER-Tochter und seiner Gewerkschaft endlich beilegen zu können. Eine vielleicht zu optimistische Position, denn die OECD-Kontaktstelle im Bundeswirtschaftsministerium kann nur vermitteln. Echte Sanktionsmittel stehen ihr genauso wenig zur Verfügung wie Personal für eigene Untersuchungen vor Ort.