SWB 02/2004

Lebensmittel - made by BAYER

Bitterer Gen-Reis

Von Jan Pehrke

"Shaping the future of rice" - die Zukunft des Reis' formen - unter diesem Slogan betreiben BAYER und andere Gen-Giganten die privatwirtschaftliche Aneignung des essenziellsten Grundnahrungsmittels der Weltbevölkerung. Der Leverkusener Chemie-Multi hat bei der EU einen Antrag auf Import-Genehmigung für eine gentechnisch gegen das Anti-Unkrautmittel LIBERTY LINK (Wirkstoff: Glufosinat) resistent gemachte Reis-Sorte gestellt. Ausgerechnet im Reis-Ursprungsland Indien beabsichtigt der Konzern das Labor-Erzeugnis anzupflanzen, darüber hinaus noch in anderen asiatischen Staaten und in den Vereinigten Staaten. Zunächst plant der Gen-Gigant die Getreide-Art als Viehfutter vermarkten, die Zielgruppe "Zweibeiner" will er später bedienen.

Es gibt zwar auch gleich vor der Haustür - in Frankreich, Italien, Spanien, Portugal und Griechenland - geeignete Anbau-Gebiete, aber mit der Akzeptanz von Gen-Food ist es in hiesigen Breiten nicht eben gut bestellt. Zudem schreckt BAYER vor dem vergleichsweise aufwändigen Zulassungsprocedere zurück. Mit solchen Regularien hatten die "Reis-Former" schon so einigen Ärger, als sie noch in Diensten der 2001 von BAYER geschluckten AVENTIS CROPSCIENCE standen. In Brasilien mussten sie einen Freisetzungsversuch vorzeitig beenden, weil sie gegen Sicherheitsbestimmungen verstoßen hatten. Einen weiteren Test ließen die staatlichen Stellen gar nicht erst mehr zu. Die eingereichten Unterlagen hätten keine ausreichende Gewähr für die Unbedenklichkeit geboten, lautete die Begründung.

In den traditionell gentechnik-freundlichen USA droht solche Unbill nicht, die Umweltbehörde EPA erteilte dem LIBERTYLINK (LL)-Reis im September 2003 die Genehmigung. In Indien und anderen asiatischen Staaten hat BAYER solche "bürokratischen Hürden" erst gar nicht zu überspringen. Dort reichen die finanziellen Ressourcen nicht für eigene Prüf-Verfahren. Die Länder richten sich in der Regel nach den entsprechenden Entscheidungen der Industrie-Länder. Einen solchen Freibrief soll die EU dem Pharma-Riesen jetzt mit der Import- Genehmigung ausstellen. "Das Risiko exportieren - den Reis importieren" - so lautet das Kalkül des Unternehmens.

Entsprechend hoch schlagen die Wellen der Empörung vor Ort. "Es ist unethisch von BAYER, die wenigen reis-anbauenden EU-Staaten zu schützen, indem der Konzern in Spanien, Italien, Griechenland, Portugal oder Frankreich keine Zulassung beantragt. Das Unternehmen gefährdet lieber die Nahrungsmittelsicherheit in den armen Ländern, um den nicht nachhaltigen Konsum der westlichen Staaten zu unterstützen", kritisiert Dr. Suman Sahai, die Direktorin der GENE CAMPAIGN. Für die Bereitschaft, die Sicherheit von Indiens Grundnahrungsmittel Nr. 1 aufs Spiel zu setzen, nur um Reis zunächst als Tierfutter in die Nahrungskette der fleischfressenden Konsum-Gesellschaften einzuspeisen, findet sie bloß bitter-sarkastische Worte. Diese Unverfrorenheit hat auch die Initiative GREEN MOTHERLAND auf den Plan gerufen. Sie störte die PR-Veranstaltung von BAYER & Co. mit dem vielsagenden Titel "Shaping the future of rice" in Madras durch eine Demonstration empfindlich. "Reis ist Leben und kein Geschäft" war auf den Transparenten unter anderem zu lesen. Zudem verteilte GREEN MOTHERLAND die Schrift "Die Kontrolle der Multis über den Reis", die den schrittweisen Ausverkauf von Indiens wichtigstem Lebensmittel an die Agro-Multis dokumentiert. In Nordamerika ist BAYERs Frankenstein- Food-Plänen mit der Gruppe CALIFORNIANS FOR GE-FREE AGRICULTURE Widerstand erwachsen. Und in Europa haben FRIENDS OF THE EARTH und die COORDINATION GEGEN BAYER- GEFAHREN (CBG) mit einer Kampagne begonnen, deren vorläufiger Höhepunkt Aktionen rund um die BAYER-AktionärInnenversammlung am 30. April 2004 in Köln waren.

Die Gen-GegnerInnen können ihre Kritik auf zahlreiche wissenschaftliche Studien stützen. Chinesische ForscherInnen beobachteten Auskreuzungen von gen-manipuliertem Reis mit "natur-belassenem". In 1 - 2 Prozent des herkömmlichen Reis' fanden sie Spuren von gentechnisch verändertem. Nach Studien aus Lateinamerika greift das BAYER-Produkt auch auf wild wachsende Sorten über. In drei bis acht Jahren hat sich die LIBERTYLINK-Resistenz vollständig auf diese übertragen, prognostizieren die WissenschaftlerInnen. Die Bauern und Bäuerinnen müssen dann größere Mengen an Herbiziden ausbringen, um das Wachstum von Wild-Reis auf den Genpflanzen-Feldern einzudämmen. Zur Kontrolle von LL-resistentem Wild-Raps sind ihre US-amerikanischen KollegInnen schon heute dazu gezwungen. Und diese Extra-Dosen Chemie sind auch extra-giftig, unter anderem kommt 2,4,5-D zur Anwendung. Solche Sonder-Spritztouren stellen keinesfalls eine Ausnahme dar. Charles Benbrook, der ehemalige Geschäftsführer des Landwirtschaftsausschusses der US-amerikanischen Akademie der Wissenschaften untersuchte über einen Zeitraum von sieben Jahren hinweg das Pestizid-Management auf Feldern mit gentechnisch manipuliertem Soja und konventionellem Soja. Ergebnis: Das Gen-Soja brauchte 22.600 Tonnen Agrochemie mehr. Das Versprechen der Gen-Giganten, die "grüne Gentechnik" würde zu einer Reduzierung der Gift-Einsätze führen, erfüllte sich also nicht. Einmal mehr scheiterten die Gen-ForscherInnen an ihren starren Vorstellungen von Natur. So wenig wie es ein Schwulen-Gen gibt oder "böse Zellen", welche die "rote Gentechnik" einfach ausschaltet, so wenig wirkt auch LIBERTYLINK in Kombination mit entsprechend präpariertem Reis bis in alle Ewigkeit gegen unerwünschte Gewächse. Diese reagieren nämlich flexibel und stellen sich mit der Zeit auf die Mittel ein. Und diese Dialektik der Natur haben die Gen-Köche von BAYER nicht auf der Rechnung. 

Die Artenvielfalt von Reis ist aber nicht nur durch die Einkreuzungen von Herbizid-Resistenzen gefährdet. Drückt der Leverkusener Chemie-Multi den LL-Reis mit all seiner Wirtschaftsmacht auf den Markt, so bleibt den LandwirtInnen nur die Alternative: Friss oder stirb. Das damit verbundene Aussterben von Arten ist jedoch nicht nur vom Standpunkt reiner Naturliebe aus bedauerlich, es hat auch dramatische praktische Folgen. Die Bauern und Bäuerinnen haben über Generationen hinweg ihre Saaten aufbewahrt und so eine ganze Reis-Bibliothek zusammengetragen. Wenn sich dann eine Sorte mal als besonders anfällig erweist, konsultieren sie ihre Sammlung und suchen eine widerstandsfähigere aus. Diese Biodiversität droht zu verschwinden - schon jetzt gibt es bloß noch zwei gegen eine weit verbreitete Pflanzen-Krankheit gewappnete Reis-Sorten - und die LandwirtInnen gleich mit. Die "grüne Gentechnik ist nämlich äußerst kapital-intensiv und verlangt nach großen Anbau-Flächen. Über diese verfügen viele Reis- Bauern und -Bäuerinnen aber nicht. So müssen sie die Feld-Wirtschaft aufgeben und in die Elendsgürtel rund um die Mega-Cities ziehen. Weit entfernt davon, dem Hunger Einhalt zu gebieten, verstärkt die "grüne Gentechnik" die soziale Misere noch. Initiativen vor Ort wie GREEN MOTHERLAND haben an das Versprechen der Agro-Multis sowieso nie geglaubt, weil Hunger ein Verteilungsproblem darstellt. "Technologische Lösungen überdecken die sozialen und ökologischen Probleme, die den Hunger verursachen (...) Gentechnik-Befürworter ignorieren die Tatsache, dass die meisten an Hunger leidenden Menschen in Ländern leben, in denen es eher einen Überschuss an Nahrung als einen Mangel gibt", so die Umwelt-AktivistInnen.

Aber nicht nur aus sozialen und ökologischen, auch aus gesundheitlichen Gründen sollte mensch der "grünen Gentechnik" nicht grün sein. Bei einem Fütterungsversuch, bei dem Wissenschaftlerinnen einer Gruppe von Schweinen gentechnisch verändertes Soja und einer anderen Gruppe konventionelles Soja gaben, nahmen die mit Gen-Soja versorgten Borstenviecher deutlich an Gewicht zu. Offensichtlich unterscheiden sich Gen-Pflanzen also nicht nur durch die eine hinzugefügte Eigenschaft von den herkömmlichen Sorten. Die neuen Eiweiße mit der eingebauten Resistenz stören den Stoffwechsel der alten - Positionseffekte nennen die ExpertInnen das - und schaffen einen ganz anderen Organismus. Und da jedes neue Eiweiß auch ein potentielles Allergen ist, bestehen große Gesundheitsgefahren. BAYER streitet das ab und verweist auf entsprechende Analysen. Emily Diamand von FRIENDS OF THE EARTH zweifelt am Wahrheitsgehalt dieser Aussagen. Ihr zufolge gibt es noch gar keine belastbaren Untersuchungen zur Bestimmung von allergie-auslösenden Proteinen. "Der eigentliche Test findet statt, wenn die Verbraucher Genfood zu sich nehmen", stellt sie fest. Dass BAYERs Gentech-Reis niemals aus bundesdeutschen Laboren frisch auf den Tisch kommt, daran arbeiten FRIENDS OF THE EARTH, indische und US-amerikanische Initiativen sowie die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN mit vereinten Kräften - und nicht ohne Erfolg. Neun von 15 EU-Staaten haben schon Bedenken gegen BAYERs Import-Antrag erhoben.