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Policosanol

CBG Redaktion

Deutsches Ärzteblatt, 17. Mai 2006

Kubanischer Lipidsenker auf Placeboniveau – Studie zum Nahrungsergänzungsmittel Policosanol

Wirkstoff in One-A-Day-Tabletten von Bayer enthalten

Köln – Policosanol, ein zumeist aus Zuckerrohr gewonnener Extrakt, wird im Internet als natürliche Alternative zu den ärztlich verordneten Lipidsenkern beworben. Doch in einer in Deutschland durchgeführten randomisierten kontrollierten Studie, die jetzt im amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2006; 295: 2262-2269) publiziert wurde, war das „hochwertige Herzvitamin“ (so eine Google-Anzeige) nicht besser wirksam als ein Placebo.

Policosanol (nicht zu verwechseln mit dem juckreizstillenden Dermatikum Polidocanol) ist eine Mischung aus aliphatischen Alkoholen, die aus Zuckerrohr (aber auch aus Weizenkeimen, Reisschalen und Bienenwachs) isoliert werden. In Deutschland ist es als Nahrungsergänzungsmittel in Apotheken erhältlich. Es darf offiziell nicht mit dem Hinweis auf seine lipidsenkende Wirkung beworben werden, doch die entsprechenden Botschaften erhält der Verbraucher über entsprechende Internetseiten. Schon der erste Treffer bei einer Google-Suche informiert den Patienten darüber, dass Policosanol bei der Senkung des Cholesterins „genauso wirksam ist wie die Statine“, die doch recht teuer seien, „auch wenn sie erstattet werden“.

Die Wirkung wird teilweise durch wissenschaftliche Studien belegt, die auch die Pharmazeutische Zeitung, Organ der deutschen Apotheker, zu einer relativ positiv-pharmakologischen Bewertung kommen lässt. Tatsächlich wurden mehr als 80 Studien zu Policosanol durchgeführt, von denen die meisten allerdings von einer einzelnen Forschergruppe in Kuba durchgeführt wurden, wie Heiner Berthold von der Universität Köln und Geschäftsführer der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft im JAMA schreibt. Publiziert wurde jedoch auch eine Negativstudie aus den Niederlanden. Wissenschaftler der Firma Unilever konnten keine lipidsenkende Wirkung eines Extraktes ausmachen (Metabolism 2004; 53: 1309-14). Auch die jetzt von Berthold und Mitarbeitern durchgeführte Studie, die von der Firma Madaus gesponsort wurde, findet keinen Hinweis auf eine den Statinen vergleichbare Wirkung.

An der multizentrischen placebokontrollierten Doppelblindstudie hatten 143 Patienten mit Hypercholesterinämie oder kombinierter Hyperlipidämie teilgenommen. Einschlusskriterien waren ein LDL-Cholesterin von über 150 mg/dl, wenn die Patienten außer einer bekannten Koronaren Herzkrankheit höchstens einen weiteren Risikofaktor hatten. Wenn zwei oder mehr Risikofaktoren vorlagen, qualifizierte ein LDL-Cholesterin zwischen 150 und 189 mg/dl zur Teilnahme.

Die Patienten wurden auf 5 Gruppen randomisiert, in denen ihnen Policosanol in Tagesdosierungen von 10, 20, 40 oder 80 mg/d oder ein Placebo verordnet wurden. In keiner de fünf Gruppen sank der LDL-Cholesterinwert um mehr als 10 Prozent, wobei sich die Ergebnisse in den vier Policosanol-Armen nicht signifikant von Placebo unterschieden. Auch in den sekundären Endpunkten der Studie, namentlich dem protektivem HDL-Cholesterin erzielte Policosanol keine Wirkung.

Die Kölner Wissenschaftler gehen deshalb davon aus, dass das Medikament keine relevanten lipidsenkenden Eigenschaften hat, jedenfalls nicht bei dem verwendeten Extrakt und nicht bei weißen Patienten. Worauf die Unterschiede zu den in Kuba durchgeführten Studien beruhen, bleibt offen, doch auch diese Studien haben die Wirkung, sofern sie wirklich bestehen sollte, nur hinsichtlich der Laborparameter untersucht. Was völlig fehlt, sind Daten zu den klinisch relevanten Endpunkten, also etwa der Reduktion von kardialen Ereignissen. /rme

Hinweis: Policosanol wird von Bayer in „One-A-Day Cholesterol plus Vitamins“-Tabletten angeboten. Weitere Infos