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Hepatitis

Eine Anhörung im Bundestag bestätigt unsere Sichtweise, wonach Bayer & Co. für die Hepatitis-Infizierung Tausender Bluter mitverantwortlich sind. Der Vorsitzende des Bundestags-Untersuchungsausschusses Horst Schmidbauer schätzt, dass etwa 80 Prozent der Infektionen hätten vermieden werden können. Die Pharmaindustrie muss daher zu einer Entschädigung gezwungen werden (siehe auch: „Infektionen wurden billigend in Kauf genommen“).

Bundestag, Ausschuss für Gesundheit, 13. März 2013

Experten dringen auf Entschädigung der durch Blutprodukte mit HCV infizierten Bluterkrankten

Berlin: (hib/TVW) Der Gesundheitsausschuss hat in einem Expertengespräch über die Situation der durch Blut und Blutprodukte mit Hepatitis C (HCV) infizierten an Hämophilie Erkrankten (Bluterkrankte) beraten. Dafür standen ihm zwei Fachleute als Gesprächspartner zur Verfügung. Das Thema ist im Herbst 2012 Gegenstand zweier Kleiner Anfragen der Fraktion Die Linke (17/10708 und 17/11311) gewesen. Die Linken wollten von der Bundesregierung erfahren, welche Maßnahmen dem Bundesgesundheitsamt (BGA) seit Anfang der achtziger Jahre zur Verfügung gestanden haben, um das Risiko von Blutern, sich durch Blutprodukte mit Hepatitis C zu infizieren, zu minimieren. Nach Angaben der Bundesregierung ist es in den 1970er und 1980er Jahren in Deutschland durch verseuchte Blutprodukte zu einer nicht genau bekannten Zahl von Hepatitis C-Infektionen bei sogenannten Hämophilen gekommen. Diese seien aufgrund ihrer Erkrankung regelmäßig auf die Gabe von Blutplasmaprodukten angewiesen. In ihren Antworten (17/10910 und 17/11934) auf die Kleinen Anfragen der Fraktion Die Linke (17/10708) erklärt die Bundesregierung, dass den Staat keine Verantwortung für diese Infektionen treffe.
Für Horst Schmidbauer, ehemaliger Bundestagsabgeordneter, früheres Mitglied des Gesundheitsausschusses und seit 2000 Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen, steht zunächst fest: „Den mit HCV infizierten bluterkrankten Menschen ist ohne eigenes Verschulden durch die Einnahme von Medikamenten ein schwerer gesundheitlicher Schaden zugefügt worden.“ Schmidbauer schätzt, dass etwa 80 Prozent der HCV-Infektionen bei Bluterkrankten hätten vermieden werden können, wenn bei der Verwendung von Blutprodukten die in den 1970er und 1980er geltenden Richtlinien streng eingehalten worden wären. Viele Betroffene hätten zwar grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Entschädigung. Dieser könne aber nicht geltend gemacht werde, weil kein Nachweis möglich sei, welches Blutprodukt beziehungsweise welcher Hersteller den Schaden verursacht habe. Um die Schuldfrage zu umschiffen, sei eine humanitäre Hilfe erforderlich. „Für diese Menschen muss es eine Opferentschädigung geben“, forderte der ehemalige Abgeordnete.
Schmidbauer berichtete ferner über die Ergebnisse des im Jahre 1993 vom Bundestag eingerichteten Untersuchungsausschusses „HIV-Infektionen durch Blut und Blutprodukte“, dem er selbst angehört hatte. Die Untersuchungen hätten ergeben, dass viele mit dem HIV-Virus infizierte Bluterkrankte gleichzeitig mit HCV infiziert gewesen seien. Damals habe man aber die Entschädigung der HIV-Infizierten für vordringlich gehalten. Mit dem HIV-Hilfegesetz (HIVHG) vom 24. Juli 1995 wurde die Stiftung Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen gegründet, die monatliche Leistungen an HIV-Infizierte und AIDS-Erkrankte zahlt.
Werner Kalnins, Vorsitzender der Deutschen Hämophiliegesellschaft (DHG), schätzt, dass in Deutschland etwa 3.000 mit HCV infizierte Hämophile leben. Von den ursprünglich etwa 4.500 Betroffenen seien mittlerweile 1.500 verstorben. Ferner hätten drei große einschlägige wissenschaftliche Studien ergeben, dass weit mehr als die Hälfte aller an Hämophilie Erkrankten mit dem Virus infiziert sei. Nach Auskunft Kalnins‘ erhalten zwar etwa 400 Betroffene Leistungen der Stiftung Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen, die übrigen seien aber auf normale Sozialleistungen wie Sozialhilfe oder Renten angewiesen. Da ihre Erwerbsbiographie durch die Erkrankung meist erheblich verkürzt werde, hätten sie in der Mehrzahl auch entsprechend verminderte Rentenansprüche.
Nach Auskunft von Schmidbauer ist es dem Untersuchungsausschuss wegen der gebotenen Eile seinerzeit nicht möglich gewesen, auch die HCV-Problematik mit aufzuarbeiten. Mittlerweile würden aber mehr Hämophile an einer HCV-Infektion als an einer HIV-Infektion versterben. „Man muss daher schnell zu einer Entschädigungslösung kommen, die auch den HCV-Infizierten noch Hilfe zukommen lässt“, sagte Schmidbauer. In fast allen anderen Industrieländern gebe es für die Gruppe der HCV-infizierten Hämophilen mittlerweile eine solche Lösung. Außerdem sollten nach Auffassung Schmidbauers die in der ehemaligen DDR durch Blutprodukte mit HCV infizierten Frauen in die Entschädigung einbezogen werden. Auch Kalnins vertritt die Auffassung, „dass die Betroffenen aus der ehemaligen DDR ebenfalls entschädigt werden sollten“.