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»Die Bauern tragen die Risiken«

Benjamin Luig über die bevorstehende Monsanto-Übernahme durch Bayer und deren drohende Folgen

neues deutschland, 25. April 2017

Benjamin Luig ist Koordinator des Dialogprogrammes Ernährungs- souveränität bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung und arbeitet im Büro Johannesburg in Südafrika. Der Hauptversammlung des Bayer-Konzern am 28. April in Bonn wird die internationale Demonstration unter dem Motto »Stop BAYER/Monsanto!« entgegengesetzt. Über die Gefahren eines konzentrierten Agrochemiemarkt sprach mit Luig für »nd« Christian Selz.

In einem älteren Tatort-Krimi, den der WDR neulich noch einmal ausgestrahlt hat, sprüht der griesgrämige Vater des Mörders seine Rosen mit dem gleichen Pestizid ein, dass der Sohnemann zum Spuren verwischen auf die Leichen spritzt. Wenn man einmal angefangen habe, mit der Chemiekeule zu hantieren, könne man nicht mehr aufhören, grummelt der alte Herr. Ist das - selbstverständlich auf die Pflanzen bezogen - auch Bayers Geschäftsmodell auf dem Agrarmarkt?

Ja, definitiv. Das ist das gängige Geschäftsmodell der großen Agrochemiekonzerne, die momentan fusionieren wollen. Sie kontrollieren stets beide Märkte: Es geht immer um Gesamtpakete, es geht um den kommerziellen Saatgutsektor einerseits und um Pestizide, Herbizide und Fungizide andererseits.

Und das eine funktioniert nur mit dem anderen?
In vielen Fällen ja. Bei Monsantos Totalherbizid Roundup-Ready etwa wird alles im Boden außer dem manipulierten Saatgut-Produkt abgetötet. Das funktioniert, vom Ertrag her gedacht, zunächst ziemlich effizient. Nur ist es nicht nachhaltig und schafft Abhängigkeiten. In den USA gibt es viele Landwirte, die davon ein Lied singen können. Mit dem Kauf von Monsanto-Produkten unterschreiben sie einen Vertrag und verpflichten sich damit, nicht Saatgut im eigenen Betrieb zu gewinnen, sondern in Zeiten steigender Inputpreise streng nachzukaufen. Wenn sie das nicht tun, das hat Monsanto hinlänglich gezeigt, dann drohen Klagen vonseiten Monsantos und empfindliche finanzielle Strafen.

Stichwort Effizienz: Auch Bayer stellt das bei seiner geplanten Fusion mit Monsanto in den Vordergrund. Der Konzern will Monsanto für 66 Milliarden Euro kaufen. Glaubt man den offiziellen Bekundungen der Konzernführung, sollen so noch bessere, eben effizientere Produkte für Nahrungsmittelsicherheit sorgen. Ist dies wirklich, was Bayer bezweckt?
Was Bayer bezweckt, ist völlig egal, entscheidend ist die Wirkung. Insbesondere Monsanto gehört zu den Konzernen, die in den vergangenen Jahren ihre Marktexpansionsstrategie zum Beispiel in Subsahara-Afrika mit einer Argumentation für Hungerbekämpfung unterfüttern. Das macht zunehmend auch Bayer Crop Science. Die Realität ist aber, dass wir in der Nahrungsmittelproduktion global gesehen eine Überproduktion haben. Die Unterversorgung ist ein regionales und lokales Problem. In Subsahara-Afrika beispielsweise gibt es mangelnde Produktion und Wertschöpfung, auch Mangelernährung unter Bauern, natürlich an Marginalstandorten. Das sind Böden, die nährstoffarm sind, die degradiert sind. Die breite Mehrheit kann sich die Bayer-Monsanto Produkte nicht leisten. Sie brauchen risikoarme und kostengünstige Ansätze, die auf ihren bestehenden Saatgutsystemen aufbauen. Nötig sind Praktiken, die Humus aufbauen und erhalten, lokal angepasste Forschung und die Verbreitung erfolgreicher Beispiele, die vielfach dokumentiert sind. Agrarchemie und Züchtung spielt dabei auch eine Rolle. »Baysanto« aber geht es um eine Monopolisierung und neue Gesetze, die für die Saatgutsouveränität der Bauern eine Gefahr darstellen. Die Konzerne argumentieren hier stark vereinfachend, zum Teil schon absurd.

Warum kaufen dann die Kleinbauern die Produkte von Bayer und Monsanto überhaupt?
Es gibt durchaus Produkte, die zunächst schnelle Produktivitätssteigerungen versprechen. Nehmen wir das Beispiel von BT-Baumwolle in Burkina Faso: Da ist nicht abzustreiten, dass die Erträge nach oben gegangen sind. Zugleich gehen Bauern, oder in diesem Fall auch die staatliche Agentur, die das unterstützt hat, aber starke Risiken ein, weil die Auswirkungen eben nicht absehbar sind. In Burkina Faso ist die Qualität der BT-Baumwolle ungenügend, weshalb BT-Baumwolle dort nun bis 2018 abgeschafft wird. Das heißt, es kann durchaus ein Anreiz sein für kurzfristige Steigerungen, aber es gibt eben andere Risiken verschiedener Art - wirtschaftliche Risiken und, wie das Monsanto-Tribunal in Den Haag kürzlich gezeigt hat, auch gesundheitliche Risiken für Bauern.

In einer Studie, zu der Sie beigetragen haben, hat das Johannesburger African Centre for Biodiversity kürzlich vor den negativen Folgen einer Fusion Bayer-Monsanto und vor einem Teufelskreis für Kleinbauern gewarnt. Wie sieht der genau aus?
Der Teufelskreis ist die starke wirtschaftliche Abhängigkeit von teuren Produkten. Die Getreidesaatgutpreise sind in Südafrika zwischen 1999 und 2012 um 18 Prozent gestiegen - pro Jahr! Wenn jetzt ein Konzern wie Monsanto alleine schon mit nahezu 30 Prozent im kommerziellen Saatgutbereich, insbesondere bei Soja und Mais, eine marktbeherrschende Stellung hat, nimmt die Wahlmöglichkeit der Bauern massiv ab. Wenn es dann zu schlechten Ernten beispielsweise infolge von Dürren kommt, dann tragen Bauern ganz enorme wirtschaftliche Risiken.

Also droht Überschuldung durch Saatgutkauf?
Ja. Die Schulden der Farmer bei Banken in Südafrika haben 2016 einen neuen Rekord erreicht. Der Grund ist die starke Abhängigkeit vom Gesamttechnologiepaket, der Bauer ist reiner Technologienehmer - bei rasant steigenden Preisen. Das grundlegende Problem greift tiefer und liegt in der Privatisierung der Agrarforschung. Ein Konzern wie Monsanto hat jährliche Forschungs- und Entwicklungsausgaben in Milliardenhöhe. Staatliche Agenturen kommen da nicht annähernd heran. Das KARI in Kenia hat beispielsweise ein Budget im niedrigen Millionenbereich. Die Forschung ist daher an einzelne vermeintliche Silver-Bullet-Lösungen geknüpft, sie ist nicht nachfrageorientiert.

Im Konzernatlas der Rosa-Luxemburg-Stiftung steht, dass die Interessen von Bayer-Monsanto in Zukunft mehr denn je die des Wirtschaftsstandorts Deutschland sein werden. Was folgt daraus?
Schon heute steht Bayer mit seinen Interessen sehr nah bei der Bundesregierung. Bereits jetzt verwendet das Entwicklungsministerium öffentliche Gelder für eine Kooperation mit Bayer in Indien. Zu befürchten steht, dass das Vorsorgeprinzip, das die EU im Saatgutbereich noch hochhält, das aber den großen Saatgutkonzernen ein Dorn im Auge ist, in Zukunft noch stärker zur Disposition steht. Dann wären nicht mehr die Konzerne in der Bringschuld, wenn es um die Abschätzung von potenziellen Risiken durch neue Technologien geht. Gerade Monsanto ist bekannt für sein sehr aggressives Vorgehen Hand in Hand mit der US-Regierung. Die Obama-Administration hat beispielsweise 2013 ein Gesetz verabschiedet, das es Gerichten in den USA erschwerte, auch bei begründeten Zweifeln die Verbreitung von Produkten zu verbieten. Die Möglichkeit, die Verbreitung von Technologien im Nachzug von Klagen zu verbieten, wurde also von ganz oben eingeschränkt.

Die Wettbewerbsbehörden von über 30 Ländern weltweit, darunter auch Südafrika, müssen der Fusion noch zustimmen. Könnte das Zusammengehen von Bayer und Monsanto denn noch gestoppt werden?
Wenn mächtige Staaten oder Staatengruppen wie die Europäische Union dem nicht zustimmen würden, dann wäre das natürlich möglich. Dass ein einzelnes Land sich komplett dagegenstellt, ist aber relativ unwahrscheinlich.