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Die Fermentation kommt im Herstellungsverfahren von einem Drittel aller Lebensmittel zur Anwendung. Dabei spielt zunehmend auch "modernste
Biotechnik" eine Rolle, wie das Firmen-Info von HAARMANN & REIMER stolz verkündet. Spezielle Gene beschleunigen die Reaktionszeit der Kleinstlebewesen. Andere sorgen als Träger entsprechender Erbsub-
stanz für ""natürlichen Geschmack". Legte der gelungene synthetische Nachbau von Stoffen wie Vanille den Grundstein der Lebensmittelzusatz- stoffe-Industrie, so ist es ihr nun mittels der
Gentechnik gelungen, die Natur selber in den Herstellungsprozeß einzubinden und beliebig zu reproduzieren.
Risiken und Nebenwirkungen In den biotechnischen Verfahren werden stets Antibiotika eingesetzt.
Bei der konventionellen Fermentation verhindet Penicillin das Wuchern unerwünschter Bakterien-Kulturen im Nährboden. Die gentechnische Methode arbeitet mit Antibiotika-resistenten Genen, die an das zu duplizierende
Erbmaterial gekoppelt sind. Sie trotzen dem Antibiotika- Beschuß und zeigen so zweifelsfrei an, ob die DNA-Übertragung geglückt ist. Mit dem Verzehr der entsprechend hergestellten Nahrung gelangen Rückstände davon
in den menschlichen Organismus. Gemeinsam mit den ebenfalls Antibiotika-gesättigten Produkten der Massentierhaltung sorgen sie dafür, daß sich immer mehr Antibiotika-Resistenzen herausbilden. Die Folge: schon
besiegt geglaubte Infektionskrankheiten stellen wieder eine Bedrohung dar.
Die größte Gesundheitsgefahr, die von der industriellen Nahrungsmittel-Produktion ausgeht, liegt jedoch im Auslösen von Lebensmittel-Allergien. Nach
vorsichtigen Schätzungen sind 5 % der BundesbürgerInnen betroffen; der Bundesverband der Betriebskranken- kassen setzt die Quote der Gefährdeten sogar bei 15 % an. Für den Anstieg der Zahlen machen sowohl der
Ernährungsbericht der Bundesregierung von 1992 als auch die Welternährungsorganisation FAO die Lebensmittel-Zusatzstoffe und die Art ihrer Herstellung verantwortlich. "Je mehr Enzyme, desto mehr
Allergien", so lautet die Grundregel der MedizinerInnen. Und Vanillin, HAARMANN & REIMERs Prototyp synthetischer Zusatzstoffe, gilt dem Allergologen Dr. Michael Häbele als eines der Haupt-Allergene.
Besonders gefährlich sind die versteckten Allergie-Auslöser. Da selbst die unscheinbarsten Lebensmittel eine unüberschaubare Reihe von Ausgangsmaterialien
enthalten, ist es dem Allergiker unmöglich, sich umfassend zu wappnen. Eine englische Nuß-Allergikerin erlitt einen tödlichen Schock, als sie ein Zitronen-Pie aß, in dem Nuß-Fragmente verarbeitet worden waren. Ein
Biß in einen Hamburger hätte ähnliche Folgen haben können. Auch in dem Junk-Fraß befinden sich Nuß-Spuren.
Eine Experten-Kommission des Straßburger Europarats stufte lediglich 391 von 2176 Geschmacksstoffen als unbedenklich ein. 180 Aromen hielt das Gremium für so
gesundheitsgefährdend, daß sie von der Verwendung abriet. Stoffe wie Allylalkoholester können Krebs verursachen; Phosphate in Babynahrung haben in Japan schon zu Massenvergiftungen geführt.
Der modernen Lebensmittelindustrie sind Grundstoffe wie Eier, Milch und Zucker zu kostbar, als daß sich mit ihnen rentabel wirtschaften ließe. Also ersetzen
die Lebensmittelchemiker sie durch billigere Surrogate. Da der Fließband-Fraß zu wenig Nährstoffe enthält, kann sich paradoxerweise in den reichsten Ländern der Erde ein Phänomen wie die Mangelernährung
herausbilden. In der Schweiz kam eine Studie zu dem Ergebnis, daß ein Drittel aller SchülerInnen an Vitamin- und Mineralstoffmangel leidet. Und durch eine Kalzium-Unterversorgung droht die Knochenschwund-Krankheit
Osteoporose - bisher älteren Menschen vorbehalten - zu einer neuen Kinderkrankheit zu werden.
Etikettenschwindel Wollte man alle Zusatzstoffe auf den Lebensmitteln deklarieren, so müßte jeder Brühwürfel
eine Packungsbeilage haben. Statt dessen einigten sich Politik und Wirtschaft auf windige Sprachregelungen, die mehr verschleiern als offenlegen. Alles, was der Natur synthetisch nachempfunden ist, gilt als
natürlich. Und existiert eigentlich gar nicht: als sogenannte "Nichtzusatzstoffe" oder "Nichtzutaten" brauchen sie keine Zulassungsverfahren über sich ergehen zu lassen.
"Naturidentisch" - also gleich und doch nicht gleich - heißt das dann auf den Verpackungen. Hinter der Bezeichnung "natürliches Aroma" kann sich auch gentech- nisch hergestelltes verbergen.
Denn unter die Kennzeichnungspflicht der "Novel Food-Verordnung" fallen Zusatzstoffe und Aromen nicht. Sie gilt nur für direkt verarbeitetes Gen-Food und wird selbst da hintergangen.
Die Food-Lobby
Für die globale Lebensmittelsicherheit ist der "Codex Alimentarius" zuständig, eine Organisation der UNO. Seit der Liberalisierung des Welthandels im Zuge der Globalisierung sind seine Beschlüsse
weltweit bindend, kein Land kann mehr in Eigenregie strengere Vorschriften erlassen. Klar, daß sich die LobbyistInnen der Food-Multi bei den Zusammenkünften des Codex tummeln. Und bisher hatten sie leichtes Spiel.
Sowohl die Positivliste für Zusatzstoffe als auch das Vorhaben, strengere toxikologische Untersuchungen bindend zu machen, kam durch ihre fürsorgliche Belagerung zu Fall. Ein Vorstoß der skandinavischen Länder,
Schutzbestimmungen für Allergiker zu erlassen, wurde ebenso abgeschmettert wie das Projekt, eine Zusatzstoff-Datenbank für Lebensmittel-Allergiker einzurichten. So ist weiterhin die Bahn frei für schlechtes,
billiges, krankmachendes Essen, das die Sinne täuscht und nur den Bilanzen der Food-Multis guttut.
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN lehnt gentechnisch hergestellte Lebensmittel ab und fordert eine Kennzeichnungspflicht auch für gentechnisch
hergestellte Zusatz- und Aromastoffe sowie eine klarere Deklaration von künstlich hergestellten Aromen auf den Verpackungen.
Zitronensäure zu verkaufen HAARMANN & REIMER will seine
Zitronensäure-Produktion abstoßen. Nach den Worten von BAYER-Chef Dr. Manfred Schneider auf der Hauptversammlung gehört es nicht mehr zu den Kern-Aktivitäten des Unternehmens. Der wahre Hintergrund ist aber das
Kartell-Verfahren, das in den USA gegen HAARMANN & REIMER wegen illegaler Preisabsprachen im Zitronensäure-Markt angestrengt wurde. Das brachte dem Konzern eine schlechte Presse und verhagelte laut Handelsblatt
das Geschäft. Im Falle des Verkaufs würden 1.300 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verlieren, kündigte HAARMANN & REIMER-Geschäftsführer Lambert Courth an.
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