USA: Milliarden-Geschenk an Pharmaindustrie
Mehr Lobbyisten als Abgeordnete in Washington / Patentverlängerung bringt Milliarden
Von Udo Hörster
Paul Glaser verlor seine Frau und seine Tochter durch AIDS. Die Reaktion des Kindes auf die Medikamenten-Therapie führte ihm die Dringlichkeit
von Arznei-Tests speziell für junge Patienten vor Augen. Er gründete eine Stiftung und setzte sich unermüdlich für erweiterte Prüfverfahren ein - vergebens. “Jahrelang konnten wir keine Erfolge erzielen”, klagt
er. Kinder stellen für die Pharma-Konzerne keinen lukrativen Absatzmarkt da, folglich scheuen sie die Mehrausgaben. Ärzte müssen darum die richtige Dosis für ihre jungen Patienten nach dem “Trial and
Error”-Verfahren bestimmen und das Risiko bei eventuellen Fehleinschätzungen selbst auf sich nehmen. Lediglich zu einer Art freiwilliger Selbstverpflichtung erklärten sich die Pharmamultis bereit und handhabten
diese gewohnt lax: nicht mehr als 11 der 71 versprochenen Tests wurden tatsächlich durchgeführt. Die US-Gesundheitsbehörde FDA erkannte daraufhin Handlungsbedarf und plante, die Ausweitung der klinischen Tests
gesetzlich vorzuschreiben.
Bayer & Co. brachten dieses Vorhaben juristisch zu Fall und erreichten mit Hilfe großzügiger Spenden eine maßgeschneidertes Regelung: 1997
verabschiedete der Kongress ein zunächst auf vier Jahre befristetes Gesetz, das die Bereitschaft zu Zusatz-Prüfungen eines Präparats mit einer Verlängerung seines Patentschutzes um sechs Monate vergoldete. Als das
Gesetz auslaufen sollte, mussten die Unternehmen nochmals in ihre Porto-Kasse greifen, um den Bestand der sogenannten “pediatric bill” zu sichern.
Hierfür gaben sie der “Koalition für Kinder-Gesundheit” eine Finanz- Spritze von 70.000 Dollar, damit diese ihre Propaganda-Tätigkeit auf das
umstrittene Gesetzes-Vorhaben konzentrieren konnte. Die Organisation setzt sich nur scheinbar uneigennützig für die Gesundheit von Kindern ein. Ihre Vorsitzende Audrey Spolarich war im Jahr 2000 bei einem
Consulting-Unternehmen mit Lobby-Arbeit für den Pillen-Riesen Schering Plough betraut. Ihr Büro hat die “Koalition” dann auch passenderweise gleich bei der Firma Sagamore Associates, deren Beratungsfirma Aventor
“Grassroots-Lobbying” für die Pharma-Branche betreibt.
Parallel dazu redeten die 625 in Washington arbeitenden Pharma- Lobbyisten, deren jährliches Budget bei 92,3 Millionen Dollar liegt, den
Abgeordneten permanent in ihr “unabhängiges” Gewissen. Da Worte allein aber nicht viel ausrichten, stellten die Multis den Politikern üppige Wahlkampf-Spenden in Aussicht. Das Unternehmen Bayer zum Beispiel
unterstützte den Demokraten Chris Dodd großzügig. Dieser vertritt in Washington den Bundesstaat Connecticut, wo die US-Zentrale der Pharmasparte von Bayer liegt liegt. Dodd hält seine Hand seit 1990 auf und nimmt
mit 165.700 Dollar auf der Abgeordneten-Payroll der Pillen- Industrie den dritten Rang ein. Und der Mann ist sein Geld wert. Im Vorfeld der Debatte um die “pediatric bill” knöpfte er sich jeden seiner Kollegen
einzeln vor und setzte sie unter Druck.
Die partei-übergreifende Koalition der geschmierten Politiker zeigte sich dann am Tag der Entscheidung wie erwartet immun gegen Kritik und
Kompromiss-Vorschläge. Eine 100-prozentige Erstattung der Aufwändungen für die erweiterten Test-Reihen reichten ihnen nicht. Eine - lediglich für einige Präparate vorgesehene - Begrenzung der Extra- Profite, welche
die Konzerne dank des mit den Patent-Verlängerungen ebenfalls verlängerten Preis-Monopols einfahren können, auf 10.000 Prozent (!) lehnten die Abgeordneten ebenfalls ab. Nicht einmal eine Beschränkung der
finanziellen Kompensationen für pharmazeutische Topseller über 800 Millionen Dollar per anno ließen sie sich abringen.
Sie holten für ihre Auftraggeber noch mehr raus. Während der Bayer- Konzern für die Tests seines Antibiotikums Ciprobay zusätzlich 4 Millionen
Dollar aufbringen muss, nimmt er durch die längere Gültigkeit des Patents 358 Millionen Dollar mehr ein. Insgesamt stehen den Mehrkosten der pharmazeutischen Industrie von 727 Millionen Dollar höhere Profite von
29,6 Milliarden gegenüber. Zu finanzieren hat dies der Verbraucher. Da Antibiotika-PatientInnen kein billigeres Ciprobay- Nachahmerpräparat zur Verfügung steht, sind sie weiterhin gezwungen, das teure Original zu
kaufen.
Entsprechend groß ist die Empörung über diese Subvention des eh schon profit-trächtigsten Industrie-Zweiges. Der Republikaner Tom Allen lässt das
Argument der Konzerne, die hohen Profite würden in die aufwändige Suche nach neuen Heilmitteln gesteckt, nicht gelten. Er verweist auf die steuerlich geförderte “Forschung & Entwicklung” und ereifert sich:
“Millionen unser Senioren haben mit ihren Steuern über Dekaden die Entwicklung neuer Arzneien mitfinanziert. Im Rentenalter müssen sie jetzt für diese Medikamente die höchsten Preise auf der ganzen Welt zahlen.
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