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Brunsbüttel

Dithmarscher Landeszeitung, 28. Januar 2004

Anlagen-Erweiterung bei Bayer: Öffentliche Erörterung

BRUNSBÜTTEL – Als Dr. Gisela Holzgraefe, Leiterin des Staatlichen Umweltamts Itzehoe, gestern kurz nach 16 Uhr ihre Aktenordner zuklappte, war ein sechsstündiger Frage-Antwort-Marathon beendet – und Bayerwerksleiter Dr. Willy Schiwy sichtlich zufrieden.

Einwendungen von zwei Organisationen waren beim Umweltamt eingegangen, nachdem die Erweiterungspläne von Bayer im Oktober öffentlich gemacht wurden. Der Konzern plant, die Produktion von so genannten Isocyanaten – im konkreten Fall die Stoffe MDI und TDI, die Vorprodukte zur Kunststoffherstellung sind – im Brunsbütteler Werk auszubauen (wir berichteten). Mit einer Investition von 20 Millionen Euro soll die Kapazität gesteigert werden: Bei MDI von 141 000 auf 163 000 Jahrestonnen, bei TDI von 136 000 auf 165 000 Jahrestonnen; außerdem Chlor von 190 000 auf 250 000 Jahrestonnen und Wasserstoff von 58 Millionen auf 63 Millionen Newtonkubikmeter pro Jahr. Dazu ist es nötig, Produktionsanlagen auszubauen.

Ende Juli 2003 hatte Bayer die Änderungsgenehmigungsanträge beim Staatlichen Umweltamt eingereicht, vom 14. Oktober bis 13. November lagen Antrag und Antragsunterlagen in Itzehoe und Brunsbüttel aus. Beim gestrigen Erörterungstermin wurden nun die vorgebrachten Einwendungen diskutiert – die Ergebnisse sollen in die Genehmigungsentscheidung einfließen.

Einwendungen hatten der Naturschutzbund Deutschland (NABU) sowie die Coordination gegen Bayer-Gefahren eingereicht. Stellvertretend für beide Organisationen brachte die Krefelderin Angelika Horster Detailfragen vor, flankiert von Anke Dreckmann (NABU) und Ingrid Möller, die den Verein zur Förderung des Umweltschutzes in der Wilstermarsch und der Industrieregion Brunsbüttel vertrat. Die Erörterung glich indes einem emotionslosen Frage-Antwort-Spiel. „Das hatten wir hier schon ganz anders erlebt“, konstatierte Dr. Gisela Holzgraefe. Und auch Dr. Willy Schiwy war froh, dass keine Provokationen ins Spiel kamen. Diszipliniert wurden die insgesamt 48 Einzeleinwendungen abgearbeitet. Neben Schiwy sowie den Abteilungsleitern Dr. Volker Weintritt (MDI) und Dieter Kuhne (TDI) nahmen gut ein Dutzend Experten aus sämtlichen Fachbereichen des Konzerns an der Sitzung teil, außerdem diverse unabhängige Gutachter.

Das Thema Sicherheit nahm großen Raum ein. Wobei nicht nur die zu erweiternden Anlagen Diskussionsthema waren, sondern auch die Menschen, die diese Anlagen bedienen. So zeigte sich Ingrid Möller „beunruhigt, dass qualifizierte Mitarbeiter nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen“. Diesem Vorwurf widersprach Weintritt: Das Personal – das natürlich qualifiziert sei – liege sogar 20 Prozent über der benötigten Schichtstärke. Dass trotz der Erweiterung keine zusätzlichen Kräfte eingestellt werden sollen, sei kein Problem, da die Anzahl der zu bedienenden Apparate schließlich gleich bleibe, sich lediglich der Durchsatz steigern soll. Auch der vom Staatlichen Umweltamt beauftragte sicherheitstechnische Sachverständige, Dr. Ralph Dincklage, bestätigte dies.

Andere Fragen wiederum fanden weniger exakte Antworten, zum Beispiel, welche Menge gefährlicher Stoffe bei einer Zerstörung der Reaktoren – zum Beispiel durch einen Terrorakt – freigesetzt werden könnte. Dies ließen sowohl Gutachter als auch Bayer-Experten vor dem Hintergrund der streng geheimen Sicherheitsvorkehrungen offen. Fest stünde jedoch, dass „wirkungsvolle Maßnahmen“ ergriffen werden, wie Dincklage erklärte.

Offen bleibt auch, wann mit einer Genehmigung zu rechnen ist. Nach dem gestrigen Erörterungstermin mit den durchweg positiven Gutachter-Statements dürften jedenfalls alle Signale auf grün stehen. Dann würde es nur noch an Bayer liegen, den Hebel umzulegen – eine Entscheidung wird für Mitte des Jahres erwartet.

Michael Behrendt