ND 02.07.03,
Die permanente Intervention
Wie Öl und seltene Mineralien zur Destabilisierung der Demokratischen Republik Kongo beitragen
(…) Coltan wird in aufbereiteter Form für moderne Technologieprodukte wie Mobiltelefone oder Computerchips gebraucht. Während der »heißen« Phase des Computer- und Mobilfunkbooms im Jahr 2000 explodierten die Coltan-Preise auf dem Weltmarkt. Ein Riesengeschäft, das den seit 1998 geführten Bürgerkrieg im Kongo anfachte. Bis zu achtzig Prozent der derzeit bekannten Coltan-Reserven werden auf kongolesischem Territorium vermutet.
Für die deutsche Öffentlichkeit ist dieser Mineralstoff interessant, weil in besagtem UN-Report ein hiesiges Unternehmen als einer der Hauptabnehmer genannt wird: die Technologiefirma H.C. Stark. Die Tochter des Bayer-Konzerns gilt als weltweit führend in der Verarbeitung von Coltan.
Seit dem Erscheinen des Kongo-Berichts der Vereinten Nationen sehen sich Tochterfirma wie Muttergesellschaft unangenehmen Fragen ausgesetzt. Zuletzt fand auf dem ökumenischen Kirchentag in Berlin eine öffentliche Diskussion über das mutmaßliche indirekte Bayer- Engagement im Kongo-Krieg statt. Selbstverständlich dementierten die Firmenvertreter. Vor der UN-Veröffentlichung habe man nichts von zweifelhaften Quellen gewusst – und danach sofort reagiert. Nach anderen Aussagen will die Firma Starck nach dem August 2001 überhaupt kein Coltan mehr aus dem Kongo bezogen haben. Der UN- Bericht allerdings behauptet das Gegenteil.
Der Konzernkritiker Philipp Mimkes von der »Coordination gegen Bayer-Gefahren« bleibt diesen Beteuerungen gegenüber allerdings skeptisch. Nicht ohne Grund: Bereits vor Erscheinen des UN-Berichts hatten die Bayer-Kritiker die Konzerntochter nach den Coltan-Quellen gefragt und zur Antwort bekommen, es sei »in der Praxis schwer nachvollziehbar, ob Rohstoffe aus der Krisenregion oder anderen Teilen Afrikas stammen«. Seit dem UN-Bericht scheint sich dies geändert zu haben, und man ist sich der Unbedenklichkeit seiner Rohstoffe sicher.
Auch der Publizist Klaus Werner, Autor des »Schwarzbuch Markenfirmen«, hat dem widersprechende Erfahrungen mit der deutschen High-Tech-Firma gemacht. Er schlüpfte im Jahr 2001 in die Rolle eines tansanischen Rohstoffhändlers und bot Coltan aus dem Kongo an. Als Bezugsquelle nannte er die Firma SOMIGL, die bekanntermaßen von der kongolesischen Bürgerkriegspartei RCD gegründet wurde und von dieser zur Finanzierung benutzt wird. Bei Werner alias Leman hätten die Deutschen angebissen: Man sei generell interessiert an jeglichen Tantal- oder Coltan-Produkten. Die Firma habe eine Materialanalyse angefordert. Dass der vermeintliche Tansanier als Quelle seines Coltans den Kongo angab und mehr oder minder als Händler im Auftrag einer Bürgerkriegspartei auftrat, interessierte die Rohstoffimporteure zu diesem Zeitpunkt offenbar nicht.
Segen oder Fluch – Kongos Ressourcen
Ähnlich wie das Geschäft mit dem Coltan verläuft der Handel mit anderen Rohstoffen aus dem Kongo. Solange dort keine zum Durchgriff fähige Zentralmacht existiert, wird der Staat nicht von seinen immensen natürlichen Reichtümern profitieren können. Sie wirken als zentrifugale Kräfte, anstatt den Einstieg in eine friedliche Entwicklung zu ermöglichen; sie sorgen für eine permanente Intervention in dem riesigen Land. Über zwei Millionen Tote haben die grausigen Kämpfe schon gefordert. Bahnt sich jetzt das Ende an? Wenn Philipp Mimkes entscheiden könnte, hätte Kongo bald eine staatliche Mineralgesell-
schaft, die den Abbau regulieren und für einen sinnvollen Einsatz der Erlöse sorgen könnte.
Doch selbst dann wären Mineralien wie Coltan nicht unproblematisch. Schließlich bedroht der Abbau des Technologierohstoffes auch eines der weltweit wertvollsten Naturreservate: den Kahuzi Biega-Nationalpark am Kivu-See, in dem die letzten Exemplare des »östlichen Flachland- Gorillas« leben. Bis zu 15 Prozent der weltweiten Vorräte an dem bröseligen schwarzen Mineral sollen ausgerechnet unter diesem Naturpark lagern. Nach den Informationen der Natur- und Tierschützer von der Gruppe »Rettet den Regenwald« halten sich an die 10000 illegale Coltan-Schürfer derzeit im Nationalpark auf. Für die Flachland- Gorillas könnte deren Gegenwart das Ende bedeuten.
»Achtung! Mobiles Telefonieren gefährdet die Gesundheit von Gorillas!« Wenn es nach »Rettet den Regenwald« ginge, stünde dieser Konsumentenhinweis längst auf jedem verkauften Handy.
Von Velten Schäfer