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Beitrag veröffentlicht im Dezember 2021

[Störfall] Presse-Information vom 20.12.21

CBG Redaktion

Bezirksregierung stellt Weichen für einfachen Neustart

Kein „Business as usual“ nach der Chem„park“-Explosion!

 
Bei der Explosion im Entsorgungszentrum des Leverkusener Chem„parks“ kamen am 27. Juli sieben Menschen ums Leben; 31 wurden zum Teil schwer verletzt. Trotzdem will die Bezirksregierung der CURRENTA einen einfachen Re-Start ermöglichen. Das berichtete der Kölner Stadtanzeiger mit Verweis auf eine Sitzungsvorlage für den Regionalrat Köln, die auch der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) vorliegt.
 
So hält die Bezirksregierung ein neues Genehmigungsverfahren für die Sondermüll-Verbrennungsanlage (SMVA) und die anderen Vorrichtungen nicht für erforderlich. Auch die Abstände des Entsorgungszentrums zur Wohnbebauung genügen ihr: „Viele Standorte der chemischen Industrie sind zu Zeiten entstanden, in denen es keine störfallrechtlichen Abstandsregelungen gab. In diesen Fällen genießen Anlagen und Schutzobjekte Bestandsschutz.“ Auf den Leitfaden der „Kommission für Anlagensicherheit“ verweisend konstatiert sie: „Demnach sind die Abstände der SMVA zur benachbarten Wohnbebauung ausreichend.“ CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann kritisiert das scharf: „Der CURRENTA wird eingeräumt, aus reinem Gewohnheitsrecht weiter viel zu nah an Wohnanlagen mit giftigen Abfällen zu arbeiten, obwohl diese Nähe in jüngster Vergangenheit zu einer Katastrophe geführt hat. Für lebensgefährliche Anlagen darf es keinen Bestandsschutz geben!“
 
Auch das Geschäftsmodell, giftige Abfälle zu importieren, um diese profitträchtig zu entsorgen, bleibt unangetastet. „Einschränkungen zum Entstehungsort der Abfälle sind rechtlich nicht begründbar und könnten allenfalls als freiwillige Selbstbeschränkung der Betreiberin umgesetzt werden“, heißt es in der Stellungnahme der Bezirksregierung.
 
Selbst das Sahnehäubchen darf die CURRENTA unverändert behalten: Bei der Katastrophe war die 110 Kilovolt starke Starkstromleitung, die über dem Entsorgungszentrum verläuft, gerissen und hatte den Boden unter Strom gesetzt, was die Löscharbeiten erheblich verzögerte. Für die Aufsichtsbehörde stellt das aber offensichtlich kein Problem dar: „Die bestehende Hochspannungsleitung muss unter Berücksichtigung der derzeit gültigen technischen Regelwerke (z.B. Technische Regel für Anlagensicherheit TRAS 120) nicht verlegt werden.“ Es seien lediglich nicht näher definierte „organisatorische Maßnahmen zu treffen, um im Ereignisfall ein schnelleres Freischalten der Hochspannungsleitung zu ermöglichen.“
 
Die NRW-Landesregierung wünscht ebenfalls eine schnelle Wiederinbetriebnahme, denn seit der Detonation im Tanklager besteht in Nordrhein-Westfalen ein Entsorgungsnotstand. Einzelne Firmen wie etwa LANXESS waren schon gezwungen, ihre Produktion zu drosseln. „Die aufgrund des Explosions- und Brandereignisses im Chem‚park’ Leverkusen am 22.(sic!)07.2021 beschädigte Rückstands- und Abfallverbrennungsanlage der CURRENTA GmbH & Co. OHL muss zeitnah wieder in Stand gesetzt werden“, erklärt Schwarz-Gelb deshalb in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen.
 
„Die Profit-Maschinerie soll möglichst schnell wieder ans Laufen kommen, ohne Rücksicht auf Verluste. Das ist die Katastrophe nach der Katastrophe“, hält Marius Stelzmann abschließend fest.
 

[Störfall] Presse-Information vom 03.12.21

CBG Redaktion

Organisationsversagen bei Chem„park“-Explosion

CBG fordert Ermittlungen gegen die Konzernspitze

Am 27. Juli 2021 tötete eine Explosionskatastrophe bei CURRENTA in Leverkusen 7 Menschen. Weitere 31 ArbeiterInnen wurden verletzt, die Stadt wurde in Angst und Schrecken versetzt, eine Giftwolke zog bis nach Dortmund.

Seit Mitte Oktober ermittelt die Kölner Staatsanwaltschaft gegen drei ArbeiterInnen des Chem„park-Betreibers CURRENTA wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung und auf fahrlässige Herbeiführung einer Sprengstoff-Explosion. Sie prüft, ob diese ihre Sorgfaltspflicht verletzt haben, indem sie eine Chemikalie über der zulässigen Temperatur lagerten und damit eine Ketten-Reaktion auslösten.

„Mit diesem Vorgehen geht die Staatsanwaltschaft gegen die Kleinen vor und lässt die Großen laufen. Nicht die ArbeiterIinnen, sondern die Geschäftsleitungen von CURRENTA und BAYER müssen ins Visier genommen werden! Wie mittlerweile bekannt geht es um Organisationsversagen, und dafür haften diejenigen, die die Anlage geplant, gebaut und betrieben haben, also die Geschäftsleitung des jetzigen Betreibers CURENTA und die Verantwortlichen bei BAYER, die die Anlage errichteten und in Betrieb hatten. Nicht zuletzt trug eine einzig am Profit-Prinzip orientierte Wirtschaftsweise bei CURRENTA zur Vernachlässigung der Sicherheitsanforderungen und damit zur Katastrophe bei“, fordert Marius Stelzmann von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG).

In jedem Industrie-Komplex, der der Störfall-Ordnung unterliegt, müssen die Betriebsabläufe von vorneherein so geregelt sein, dass individuelles Versehen ohne gravierende Folgen bleibt. Zu diesen Anforderungen zählen unter anderem verbindliche Verantwortlichkeiten für Kontrollen und eine systematische Risiko- und Gefahrenanalyse. Dazu gehört auch eine ständige Qualifizierung des Personals inklusive einer detaillierten Unterweisung von Leih- und FremdarbeiterInnen, die nur zeitweise auf dem Gelände tätig sind. Es muss daher untersucht werden, woran es der für die Anlage verantwortliche BAYER-Konzern und der jetzige Betreiber CURRENTA im Einzelnen haben fehlen lassen.

CURRENTA hat die zunächst nur für BAYER zuständige Müllentsorgung in kürzester Zeit systematisch zu einem lukrativen Geschäftsfeld mit hochgefährlichen Chemie-Abfällen aus aller Welt ausgebaut. Aus Dänemark beispielsweise stammte derjenige, der an 27. Juli hochgegangen ist. Diese Profitjagd machte riesige Tank-Anlagen als Zwischenlager-Stätten nötig. Bei einer Konzentration allein auf den im Chem„park“ Giftmüll hätte die CURRENTA natürlich auch sehr viel genauer über die zur Verbrennung anstehenden Stoffe und ihr jeweiliges Gefahren-Potenzial Bescheid gewusst.

Darüber hinaus wirkten die baulichen Voraussetzungen wie ein Brandbeschleuniger. Die BAYER-Baupläner stellten die Tanks so dicht nebeneinander, dass am 27. Juli ein Domino-Effekt entstand. Damit nicht genug, verlief über dem Entsorgungszentrum eine Starkstrom-Leitung, die zerbarst und erst umständlich vom Netz genommen und geerdet werden musste, ehe die Feuerwehr mit vollem Einsatz löschen konnte.

Schließlich kommt auch Politik und Verwaltung eine Mitverantwortung zu. So haben die Behörden keine regelmäßigen Sicherheitskontrollen durchgeführt. BeamtInnen der Bezirksregierung schauten zuletzt im Jahr 2018 (!!) im Leverkusener Chem„park“ vorbei. Und die verschiedenen Bundesregierungen beugten sich immer wieder dem Lobby-Druck der Konzerne und unterließen es, strengere Sicherheitsauflagen zu erlassen.

„Über all dies und die tatsächlich Verantwortlichen in den Geschäftsleitungen von BAYER und CURRENTA muss zu Gericht gesessen werden, statt über drei abhängig beschäftigte ArbeiterInnen. Das Unternehmensstrafrecht muss dringend verschärft werden (Hier irrte die CBG. Es gibt noch gar kein Unternehmensstrafrecht. Die Große Koalition hatte das Projekt fallengelassen) und eben diese zentrale Haftung in das Zentrum stellen“, erklärt CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann abschließend.