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Beitrag veröffentlicht im “Tag: 18. Mai 2025

Berufskrankheit Parkinson

CBG Redaktion

BAYER & Co. in der Pflicht

Seit dem Frühjahr 2024 ist „Parkinson durch Pestizide“ offiziell als Berufskrankheit bei Bauern und Bäuerinnen anerkannt. Die landwirtschaftliche Sozialversicherung rechnet mit zahlreichen Fällen und entsprechend hohen Kosten. Dafür sollen aber nicht BAYER & Co. als Hersteller der Ackergifte aufkommen, sondern die LandwirtInnen selbst. Die Berufsgenossenschaft erhöht deshalb ihre Beiträge saftig. Dagegen formt sich jedoch Protest.

Von Jan Pehrke

„Der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten (ÄSVB) beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat eine wissenschaftliche Empfehlung für eine neue Berufskrankheit ‚Parkinson-Syndrom durch Pestizide‘ beschlossen (…) Betroffen sind voraussichtlich vor allem landwirtschaftliche Unternehmerinnen und Unternehmer, deren mitarbeitende Familienangehörige sowie Beschäftigte in der Landwirtschaft“, verkündete das Arbeitsministerium von Hubertus Heil am 20. März 2024. Auf mehr als 60 Seiten trug der ÄSVB die wissenschaftlichen Gründe für die Entscheidung zusammen, die überfällig war. 

Die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) hat aktuell 8.000 Parkinson-PatientInnen unter ihren Mitgliedern. Für die Zukunft rechnet sie mit einer noch weit höheren Fallzahl und entsprechenden Kosten. Diese will sie auf ihre Mitglieder umlegen. Deshalb hebt die zur SVLFG gehörende Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft die Beiträge um 20 Prozent an, davon entfallen rund zwölf Prozent auf den neuen Ausgabeposten „Parkinson“. 

Zu Recht empören sich die LandwirtInnen darüber. „Parkinson als Berufskrankheit anzuerkennen, ist richtig. Die Kosten dafür aber auf alle Bäuerinnen und Bauern umzulegen, ist unfair (…) Hier muss das Verursacher-Prinzip gelten und [müssen] die Hersteller der Pflanzenschutzmittel oder die Zulassungsbehörden zur Kasse gebeten werden!“, fordert etwa die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Auch der „Bundesverband deutscher Milchvieh-Halter“ und der Neuland-Verein lehnen es ab, die finanzielle Last der Solidargemeinschaft der Versicherten aufzubürden. Einige LandwirtInnen machen sogar schon konkrete Vorschläge und verlangen von den Agro-Riesen die Einrichtung eines Fonds. „[D]ie haben ja auch mit Spritzmittel-Verkauf Geld verdient“, so der bayerische Bauer Hans Leis gegenüber dem TV-Magazin quer. 500 Euro kostet ihn die neue Regelung im Jahr.

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) verlangt ebenfalls eine finanzielle Beteiligung von BAYER & Co. Das Thema „Parkinson durch Pestizide“ brachte die CBG bereits 1999 in die Öffentlichkeit. Das Stichwort BAYER berichtete damals über MedizinerInnen, die eher zufällig auf diese Krankheitsursache stießen. Sie untersuchten Jugendliche, die nach Einnahme der Droge MPPP Parkinson-Symptome herausbildeten, und stießen auf eine auffallende Ähnlichkeit zwischen dem chemischen Aufbau des Opioids und dem der Ackergifte. Das säte Zweifel an der bis dahin vorherrschenden Hypothese, dass das Nervenleiden erblich bedingt sei. Eine Zwillingsstudie mit 20.000 TeilnehmerInnen widerlegte diese Annahme dann endgültig, denn die Krankheit trat fast nie paarweise auf. 

Wie MPTP, das bei unsachgemäßer MPPP-Herstellung entsteht, wirken viele Pestizide neurotoxisch und schädigen die Nervenzellen im Gehirn, die Dopamin produzieren. Das Fehlen dieses Neurotransmitters führt dann zu den Parkinson-Symptomen Zittern, Krämpfe und Gliedersteifheit. 

Zu den Gefährdeten zählen dabei längst nicht nur LandwirtInnen. Das machte die Umwelt-Epidemologin Beate Ritz von der University of California in Los Angeles (UCLA) in einem Interview mit Schrot & Korn deutlich. Und Ritz muss es wissen: Sie hat unlängst an einer großen Studie über den Zusammenhang zwischen dem Nervenleiden und Pestiziden mitgearbeitet, die nicht weniger als 68 Agro-Chemikalien mit der Nebenwirkung „Parkinson“ ausgemacht hat. „Wenn man im Umkreis von 500 Metern von gespritzten Feldern wohnt, hat man im Schnitt ein 50 bis 100 Prozent höheres Risiko, an Parkinson zu erkranken. Und je nach Windrichtung besteht ein Risiko auch jenseits der 500 Meter“, sagte Ritz der Zeitschrift. Das ist aber noch nicht alles. Auch ein weniger direkter Kontakt mit den Substanzen vermag, wenn sie sich über einen längeren Zeitraum erstreckt, den Ausbruch der Krankheit zu begünstigen.

Nicht umsonst hatten deshalb im letzten Jahr die MedizinerInnen Dr. Bastiaan Bloem und Dr. Tjitske Boonstra gerade wegen der von Glyphosat ausgehenden Parkinson-Gefahr davor gewarnt, die Zulassung des Herbizids nochmals zu verlängern. Dazu verwiesen sie in dem Fachjournal The Lancet Planetary Health nicht nur auf die direkten nervenschädigenden Effekte des Pestizids, sondern auch auf die indirekten durch eine Einwirkung auf die Mikroorganismen im Darm. „Solche mikrobiellen Veränderungen könnten eine Kaskade von neurodegenerativen Prozessen in Gang setzen“, halten die beiden fest. Den Pestizid-Zulassungsverfahren der EU werfen sie vor, derartigen Mechanismen nicht genug Aufmerksamkeit zu schenken und dabei zu versagen, die Neurotoxizität eines Mittels richtig einzuschätzen. Fast flehentlich wendeten sich Bloem und Boonstra an die Verantwortlichen: „Eindringlich appellieren wir an die Regierungen und Politiker der Europäischen Union, gegen die Verlängerung der Marktzulassung von Glyphosat um weitere zehn Jahre zu stimmen.“

Die „Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) kommt zum gleichen Befund wie die beiden niederländischen WissenschaftlerInnen. „Für viele Pestizide ist ein direkter toxischer Effekt auf das Nervensystem nachgewiesen. So auch für Glyphosat, welches zu Veränderungen der Neurotransmitter- (Überträgerstoff-)Konzentrationen im Nervensystem und zu einem zellschädigenden Milieu beiträgt. Parkinson-Erkrankungen werden sowohl nach akuter (…) wie auch nach chronischer (…) Glyphosat-Exposition beobachtet“, konstatiert die DGN. 

Andere Länder reagierten bereits viel früher auf diese Alarmzeichen als Deutschland. Frankreich erkannte „Parkinson durch Pestizide“ schon im Jahr 2012 als Berufskrankheit für LandwirtInnen an, Italien 2019. Hierzulande aber gelang es immer nur einzelnen Bauern und Bäuerinnen, und das oft nur in Verfahren gegen die Berufsgenossenschaft, eine Anerkennung ihres Leidens als Berufskrankheit durchzusetzen. 

In anderen Sparten sind die Ackergifte indessen durchaus schon häufiger aktenkundig geworden. Die Statistik der „Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung“ weist für das Jahr 2023 413 anerkannte Berufskrankheiten durch chemische Einwirkungen von Lösungsmitteln, Pestiziden und sonstigen chemischen Stoffen aus. In 4.343 Fällen wurde ein entsprechender Antrag nicht bewilligt. Diese immense Ablehnungsquote verwundert nicht weiter, denn in den Entscheidungsgremien der Berufsgenossenschaften sitzen auch UnternehmensvertreterInnen.

Diese haben weder ein Interesse an hohen Fall-Zahlen noch an der Identifizierung neuer Berufskrankheiten. Darum zeigt sich der „Industrieverband Agrar“ (IVA) in Sachen „Parkinson“ uneinsichtig. „Die Entstehung von Parkinson ist komplex und in der Medizin nicht vollständig geklärt“, behauptete er gegenüber dem TV-Magazin quer. Die vorliegenden Studien würden zwar „statistische Zusammenhänge abbilden (Korrelation), aber die Ursache nicht erklären (Kausalität)“, so der Lobby-Verband von BAYER & Co. 

Solches medizin-statistisches Fachwis-sen schütteln die InfluencerInnen natürlich nicht selbst aus dem Ärmel. Dieses liefert dem Industrieverband das „Bundesinstitut für Risikobewertung“ (BfR) zu, das ihm schon bei der Glyphosat-Beurteilung treu zu Diensten stand. Unschwer ist die jüngste Stellungnahme des BfR zu „Pflanzenschutzmittel und Parkinson“ als Quelle für die Textbausteine des IVA-Statements zu erkennen. „Die Entstehung des Morbus Parkinson (im Folgenden als ‚Parkinson‘ bezeichnet) ist ein komplexer Prozess, der noch nicht vollständig verstanden ist“, befindet das Bundesinstitut da. Und zu einer Studie über die Erkrankung vieler Weinbauern und -bäuerinnen an Parkinson heißt es: „Hierbei ist zu betonen, dass diese Beobachtung bisher auf Korrelationen beruht.“ Kausalitäten will das BfR praktischerweise nur bei bereits verbotenen Produkten wie etwa Paraquat erkennen.

Auch dem Deutsche Bauernverband (DBV) liefert es damit nützliche Argumente dafür, weiterhin in Treue fest zu Glyphosat & Co. zu stehen. Kontraproduktiv nennt die ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT deshalb „die Haltung des Bauernverbandes, das Risiko wieder kleiner zu reden, um … ja, was eigentlich? Die Chemieindustrie zu schützen? Oder gesellschaftlicher Kritik am Einsatz von Pestiziden nicht Nahrung von neuer Seite zu verschaffen?“. 

Die IG BAU, die rund 800.000 abhängig Beschäftigte aus den Bereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Gartenbau und Floristik vertritt, begrüßte die Entscheidung hingegen. „Es ist gut und richtig, dass Parkinson, ausgelöst durch den Umgang mit Pestiziden, nun endlich als Berufskrankheit anerkannt wird. Damit wird eine langjährige Gewerkschaftsforderung umgesetzt“, erklärte der stellvertretende Vorsitzende Harald Schaum. Und sein Kollege Jörg Heinel mahnte: „Präventiv muss mehr denn je auf Anwenderschutz geachtet werden, wie Schutzanzug, Schutzhandschuhe, Augen- sowie Gesichtsschutz und Atemschutz“. Das ist für ihn jedoch auch keine Lösung: „Viel besser wäre aber, auf Pestizide komplett zu verzichten.“

Die „Wir haben Agroindustrie satt“-Proteste, die jeden Januar traditionell als Gegenprogramm zur Grünen Woche stattfinden, räumen dem Skandalon „Parkinson durch Pestizide“ diesen Mal einigen Platz ein, wofür sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN ziemlich ins Zeug gelegt hat. So gibt es auf dem Fest der Agrarwende einen Workshop dazu, und auch der Aufruf zur Demonstration am 18.1. greift das Thema auf. Er stellt die rhetorische Frage: „Wer profitiert hier eigentlich?“ und führt unter den profitablen Missständen neben Klimakrise, Verlust der Artenvielfalt und Höfesterben auch das pestizid-induzierte Parkinson-Leiden auf. Dementsprechend verlangt er: „Verursacherprinzip anwenden: Kosten für Umwelt- und Gesundheitsschäden müssen die Pestizid-Konzerne tragen.“ Die CBG wird diese Forderung an dem Tag direkt adressieren und vor dem Sitz des „Industrieverbandes Agrar“ Stellung beziehen. ⎜

BAYERs Giftspuren

CBG Redaktion

Corporate Europe Observatory legt Schwarzbuch vor

Das Corporate Europe Observatory (CEO) veröffentlichte im September diesen Jahres unter dem Titel „BAYER`s TOXIC TRAILS – market power, monopolies and the global lobbying of an agrochemical giant” einen 32 Seiten langen Bericht über den Agro-Riesen, der es in sich hat. 

Von Max Meurer

„In diesem Bericht untersuchen wir die toxischen Spuren, die BAYER während seiner langen Geschichte hinterlassen hat, und seine Pläne, sich in einer unsicheren Zukunft über Wasser zu halten – vom Glyphosathandel und neuen GMOs zur Behauptung, sein Agrarmodell sei ‚climate smart‘. Der modus operandi des Konzerns besteht darin, sich verschiedenen politischen Regimen anzunähern oder vorsichtig politischen Druck aufzubauen, um seine Produkte und seinen Monopolstatus durchzusetzen, wobei auf Marktmacht, Größe, finanzielle Assets und Lobbying als Werkzeuge zurückgegriffen wird“, so beginnt der Bericht des konzernkritischen Corporate Europe Observatory (CEO). Die 1997 gegründete NGO mit Sitz in Brüssel klärt über die kleinen und großen Schweinereien der europäischen Monopole auf. Da liegt auch der Blick auf BAYER nahe. 

BAYERs Landschaftspflege

Der BAYER-Konzern steckte 2023 sieben bis acht Millionen Euro in die Lobbyarbeit auf EU-Ebene. Mehr Geld gaben nur die IT-Unternehmen META und APPLE aus. Und dabei  ist noch zu bedenken, dass diese Zahlen auf den Angaben der Firmen selbst beruhen und überdies auf einem „Minimum“ basieren. Die realen Geldwerte sind also vermutlich noch deutlich höher.

Ein weiteres Beispiel für die Unzuverlässigkeit der genannten Zahlen stellt aber auch die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO dar, die in der Vergangenheit etwa einen 14,5 Millionen Euro schweren Vertrag mit der Lobbyfirma Fleishman-Hillard abgeschlossen hatte, der nicht im EU-Transparenzregister auftauchte. Und MONSANTO hatte allen Grund, diesen zu verschweigen. Fleishman-Hillard bespitzelte für das Unternehmen nämlich über tausend AktivistInnen, PolitikerInnen, JournalistInnen und WissenschaftlerInnen und bewertete ihre Nähe zum Agro-Riesen mit Noten von „0“ bis „5“. Eine spezielle Liste zum umstrittenen Herbizid Glyphosat, die im Zuge der Ende 2017 anstehenden Entscheidung der EU über die Verlängerung der Zulassung entstand, führte 74 Personen auf und teilte diese in Kategorien wie „Verbündeter“, „möglicher Verbündeter“, „zu erziehen“ und „beobachten“ ein. Wohlmeinende fütterte FLEISHMAN HILLARD dann mit Propaganda-Material bis hin zu vorfabrizierten Twitter-Meldungen. Damit nicht genug, kaufte MONSANTO auch noch WissenschaftlerInnen ein, die bloß ihren Namen unter Entlastungsstudien setzen mussten, pflegte enge Beziehungen zu PrüferInnen und PolitikerInnen und betrieb eine strategische Manipulation und Einschüchterung der Presse, wie der Report unter Berufung auf die – ebenfalls von MONSANTO ausspionierte – investigative Journalistin Carey Gillam festhält.

Zu diesem toxischen Umgang mit der Presse gesellt sich dann der mindestens genauso fragwürdige Umgang mit der Toxizität der eigenen Produkte: So hat BAYER beispielsweise im Juni 2021 100.000 US-Dollar an das „Genetic Literacy Project“ für seine Bemühungen gezahlt, in den USA „übertriebene legislative Eingriffe ins genetic engineering“ in den USA zu verhindern.

Innerhalb der EU findet sich BAYER regelmäßig unter den Top 5 derjenigen Unternehmen wieder, die das meiste Geld in die Lobbyarbeit pumpen. Die Pflege der politischen Landschaft läuft dabei natürlich nicht nur direkt und indirekt über das Gespräch mit Abgeordneten, sondern auch über Industrieverbände, „Öffentlichkeitsarbeit“ und viele weitere Wege. Exemplarisch für die Bemühungen des Großkonzerns, Gesetzesvorhaben zu beeinflussen, ist etwa sein Versuch, am „Green New Deal“ der EU rumzudoktern. Zu diesem Zweck trafen sich seine LobbyistInnen sechsmal mit dem einst für den Green Deal zuständigen EU-Kommissar Frans Timmermans, viermal mit Phil Hogan und Valdis Dombrovskis (ehemals Generaldirektion Handel), dreimal mit Janusz Wojciechowski (ehemals Generaldirektion Agrar) und vielen weiteren Verantwortlichen, um Änderungen zu verlangen. 

Die Kiste mit dem Glyphosat

Ein besonders kontroverses Vorhaben des BAYER-Konzerns bildet einen weiteren Fokus des Berichts: Die EU-weite Glyphosat-Zulassungsverlängerung im letzten Jahr. Die Genehmigung lief ursprünglich im Dezember 2022 aus, aber das Herbizid durfte noch bis Dezember 2023 noch einmal eine Ehrenrunde drehen. Die PolitikerInnen vor allem Deutschlands schmissen sich für den Agrarriesen immer wieder massiv in die Bresche. Das war auch notwendig, denn, wie „BAYER’s Toxic Trails“ über die vorletzte Verlängerungsentscheidung im Jahr 2018 festhält: „Zu diesem Zeitpunkt wurde die Verlängerung beschlossen, obwohl eine Mehrheit im Europäischen Parlament gegen sie war und nur eine knappe Mehrheit im EU-Rat, angeführt vom deutschen CDU-Landwirtschaftsminister, für die Glyphosatzulassungsverlängerung stimmte, und zwar gegen den Beschluss der Regierungskoalition, sich zu enthalten.“ 

Auch im Fall von Glyphosat erweisen sich also die Lobbybemühungen BAYERs und seiner Tochtergesellschaft MONSANTO als ausgesprochen wirkungsvoll, denn die öffentlichen Diskussionen über das Mittel sind von Ablehnung und Kritik geprägt. Das hat Gründe: Allein in den USA gab es schon 170.000 Klagen auf Entschädigung. Die meisten der Betroffenen leiden am Non-Hodgkin-Lymphom – einer bestimmten Form des Lymphdrüsen-Krebses. Darauf reagierte MONSANTO wie gewohnt: Der Konzern startete eine Kampagne gegen die „International Agency for Research on Cancer“ (IARC) der Weltgesundheitsorganisation, die Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hatte. Zudem unternahm er es, inkriminierende Krebsstudien als unglaubwürdig darzustellen und dazu, so der damalige MONSANTO-Manager Samuel Murphy wörtlich: „internationale KrebsforscherInnen, die es für wahrscheinlich hielten, dass Glyphosat-Herbizide für Menschen karzinogen sein könnten, zu diskreditieren und stattdessen die Gegenbotschaft der Sicherheit von Glyphosat zu verbreiten“.

Trotz dieser Vorfälle, trotz diverser wissenschaftlicher Belege für die krebserregende Wirkung von Glyphosat wurde die EU-Zulassungsverlängerung im Herbst 2023 schließlich durchgedrückt. Das Pestizid-Aktionsnetzwerk (PAN) fasste die Entscheidung wie folgt zusammen: Die Wiederzulassung sei „eine Verletzung des EU-Pestizidgesetzes, das festhält, dass Gesundheit und Umwelt absoluten Vorrang haben. Im Falle von grundsätzlichen Zweifeln muss das Vorsorge-Prinzip Anwendung finden.“ PAN und weitere NGOs stellten daraufhin den Antrag, das Votum zu überprüfen. Das lehnte die EU-Kommission jedoch ab. Deshalb ziehen die Organisationen nun vor den Europäischen Gerichtshof. 

Lobbying als Teilhabe?

Eine weiterer ausführlicher Teil des Berichts widmet sich den Lobby-Bemühungen von BAYER in den USA, wo das Unternehmen zuletzt durch hohe Wahlkampfspenden an Donald Trump von sich reden machte. BAYER-Chef Bill Anderson sieht darin kein Problem, ganz im Gegenteil. So schreibt er im Vorwort des konzerneigenen „BAYER Political Advocacy Transparency Report“: „Politische Einflussnahme oder Lobbying bedeutet, sich an demokratischen Prozessen zu beteiligen und die Politik mitzugestalten, indem die Interessen einer Person oder einer Organisation gegenüber PolitikerInnen und Institutionen, die regulatorische Rahmenbedingungen und Gesetze schaffen, die den Kernbereich ihrer Aktivitäten und Geschäfte berühren, kommuniziert werden. Findet dies in einer ethischen und verantwortungsvollen Weise statt, dann ist Lobbying ein wichtiger und legitimer Teil des politischen Prozesses, der Interessen ausbalanciert.“ So kann mensch es auch formulieren, wobei der „ethische“ und „verantwortungsvolle“ Teil bei BAYER offensichtlich öfter mal über die Planke gehen muss. 

Mit der Transparenz verhält es sich ähnlich, die hat in der Praxis nämlich Hinterzimmer-Absprachen zu weichen. Mit Informationen darüber, wie ein Meinungsfindungsprozess ausgewogen sein soll, wenn auf der einen Seite milliardenschwere Großkonzerne und auf der anderen Privatpersonen und NGOs stehen, hält sich Anderson sehr bewusst zurück. Eine mit BAYER vergleichbare Lobby haben darüber hinaus weder die LandwirtInnen in Südamerika, die der Großkonzern mit seinen Lizenz-Verträgen für Gen-Pflanzen geknebelt hält, noch die Geschädigten der Agro-Chemikalien made in Leverkusen. 

Weltweiter Giftexport

Eine ganze Reihe von BAYER-Pestiziden ist ob ihrer gesundheitsschädlichen Wirkung in der EU zwar verboten, wird jedoch von BAYER trotzdem in alle Welt exportiert. So gelangten den Organisationen PUBLIC EYE und UNEARTH zufolge 2018 2.500 Tonnen solcher Mittel in die Länder des Globalen Südens. Der Grund: In diesen Staaten ist der Umgang mit den Risiken noch deutlich laxer als in der EU, wodurch der Konzern auf dem Rücken von Betroffenen Extraprofite erwirtschaften kann. Diese Gelegenheit lässt sich der Agroriese natürlich nicht entgehen. 

In den betroffenen Ländern bemüht er sich dabei um einen besonders engen Draht zu den Machthabern. Zum ultrarechten brasilianischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro pflegte der Chemiemulti darum sehr herzliche Beziehungen. Und das nicht ohne Grund: So war es doch Bolsonaro, der mit seinen Deregulierungskampagnen die Bahn für viele BAYER-Gifte freimachte. Das ließ sich der Agroriese auch einiges kosten: so flossen nach offiziellen Angaben rund 1,5 Millionen Euro in die brasilianischen Lobbykassen (die Dunkelziffer dürfte auch hier deutlich höher liegen). Darüber hinaus sponserte das Unternehmen Thinktanks wie das „Instituto Pensar Agro“, über das sich die Türen zur Politikelite des Landes öffnen lassen. 60 Treffen von BAYER-VertreterInnen mit der brasilianischen Regierung fanden laut dem CEO-Report allein zwischen 2019 und 2022 statt. Und das ist kein Wunder: Brasilien ist auch ein extrem wichtiger Abnehmer von Glyphosat und glyphosat-resistenten Gen-Pflanzen. Der Fuß in der Tür zahlt sich für den Global Player also aus. 

Und in Brüssel lobbyierte er erfolgreich für die Beibehaltung der doppelten Standards und brachte das anvisierte Export-Verbot erst einmal zu Fall. Auch Versuche der EU, die Gift-Dosen auf den Äckern der Mitgliedsländer zu verringern, torpedierte er in Tateinheit mit anderen Agro-Riesen und den entsprechenden Unternehmensverbänden. Die Europäische Union knickte ein und gab das Ziel, den Pestizid-Verbrauch bis zum Jahr 2030 auf die Hälfte zu senken, auf.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Lektüre des BAYER-Schwerpunktreports des Corporate Europe Observatory, zu dem auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN ein bisschen was beigesteuert hat, lohnt! Neben den Punkten, die wir in diesem Artikel behandelt haben, gibt es darin auch zahlreiche Infos über die Rolle der von BAYER mitgegründeten I.G. FARBEN zur Zeit des Hitlerfaschismus, Details und Zahlen zur Verstrickung von BAYER in weltweiten Lobby-Strukturen und hunderte Querverweise zu weiteren großen und kleinen Machenschaften des Chemieriesen – dringende Leseempfehlung also für alle AktivistInnen! ⎜

Die CBG-Jahrestagung

CBG Redaktion

BAYER und die Bauern-Frage

Am 12. Oktober fand in Düsseldorf die Jahrestagung der Coordination gegen Bayer-Gefahren statt. Zum Thema „BAYER und die Bauern-Frage  – Profite, Proteste und Perspektiven“ referierten Aktive aus den verschiedenen Feldern der konzernkritischen Bewegung und regten damit lange Diskussionen an.

Von Max Meurer

Um 10 Uhr eröffnete das langjährige CBG-Mitglied Sibylle Arians die Jahrestagung. Sie übernahm die Moderation und führte in das Thema ein. Dabei bezog sie sich kenntnisreich auf die Ursprünge der Coordination, die als Bürgerinitiative in den 70er Jahren ihren Anfang nahm. Mittlerweile kann die CBG, wie Arians hervorhob, stolz darauf sein, dass der BAYER-Konzern der einzige Multi ist, über den es aus den sozialen Bewegungen heraus ein seit Jahrzehnten lückenlos geführtes Archiv gibt. Auch die jährlichen Aktivitäten kritischer AktionärInnen, die Präsenz auf Demonstrationen der Umweltbewegung und die breite Vernetzung der Coordination stellte die Moderatorin heraus und schloss mit dem Aufruf, sich an den zahlreichen Aktionsformen breit zu beteiligen – denn diese seien heute so wichtig wie eh und je. 

Die Proteste

Den ersten Vortrag hielt dann Bernd Schmitz, seines Zeichens stellvertretender Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) zum Thema „Essen ist politisch“. Die AbL entstand 1980 als Interessensvertretung vor allem kleiner und mittlerer Höfe, die sich im Programm des „Deutschen Bauernverbandes“ nicht repräsentiert sahen, da dieser vor allem die Interessen der industriellen Landwirtschaft und der Großbetriebe vertritt. Schmitz selbst führte, wie er berichtete, längere Zeit einen konventionell geführten Milchwirtschaftsbetrieb, bis er auf die Gentechnik im Futter für seine Kühe stieß. „Das war ein politisierender Moment“, so Schmitz, der von da ab begann, seinen Hof auf Bioproduktion umzustellen. 

Er referierte im Folgenden allerdings vor allem über die Bauernproteste, die seit 2023 in ganz Europa auftraten. Die große Unzufriedenheit, so Schmitz, die die Bauern und BäuerInnen massenhaft auf die Straßen trieb, habe verschiedene Ursachen: Einerseits das – als Folge des Klimawandels – ausgesprochen schlechte Wetter für Ackerbau und Viehzucht, das die Erträge der Landwirtschaft stark beeinträchtigte, andererseits aber auch die Maßnahmen der Ampel-Koalition, die die Landwirtschaft mindestens genauso in Not brachten. So wurde eine neue Steuer auf landwirtschaftliche Kraftfahrzeuge eingeführt, die erst nach massiver Kritik kleinlaut wieder zurückgenommen wurde. Gleichzeitig wurden die vormaligen Steuervergünstigen für Agrardiesel einkassiert. Leidtragende dieser Maßnahmen waren vor allem die kleineren LandwirtInnen. 

Ebenfalls zum Kontext gehöre die Spaltung im Deutschen Bauernverband, aus der „Land schafft Verbindung“ (LSV) entstand. Diese stünden mitunter auch für diejenigen LandwirtInnen, so Schmitz, die auf selbstorganisierte Protestkultur statt auf Absprachen mit der Industrie und der CDU/CSU setzten. So hatte LSV, im Gegensatz zum Bauernverband, auch von Beginn an zu den Protesten mobilisiert, bis selbiger versuchte, die Proteste des LSV durch den Aufruf zur zentralen Demo am 18.12. wieder einzufangen. Der LSV ist jedoch nicht unumstritten: Viele werfen ihm vor, Positionen und Mitgliedern der AfD sehr viel Platz einzuräumen. Schmitz berichtete darum auch über die Kontroversen rund um den Umgang mit dem LSV, dem er selbst eher kritisch gegenübersteht. 

Blickt mensch auf die Lage der Bauern und BäuerInnen, so ist der Unmut sehr nachvollziehbar, denn auch in der Landwirtschaft greift die Zentralisation der Produktion um sich. Schmitz berichtet etwa, dass es 1995 noch 555.065 Höfe gegeben habe. Diese Zahl ist heute auf weniger als die Hälfte (262.776) gefallen, während die Fläche pro Betrieb stieg. Die Höfe sind also auf größtmögliche Produktivität angewiesen, wenn sie in der verschärften Konkurrenz untereinander als Zulieferer bestehen wollen. Auch die neue Agrarpolitik der EU spielt vor allem Großkonzernen in die Karten, während die Subventionen für die Landwirtschaft 2024 merklich niedriger waren als noch 2021. Lagen sie damals (von Seiten der Bundesrepublik) noch bei 3,2 Mrd. Euro, fielen sie 2024 auf 2,4 Mrd. Wozu die langfristige Entwicklung führt, erläuterte der Referent: Der Anteil der  Wertschöpfungskette, den die Bauern und Bäuerinnen bekommen, sinkt, und immer mehr Investoren sichern sich Ackerland und treiben so die Preise hoch.

Auch für Schmitz selbst hatte das alles Folgen. Frustriert schilderte er seine Einkommenssituation. Vor Jahren habe er noch doppelt so viel für seine konventionell erzeugte Milch bekommen wie jetzt für seine Öko-Milch. Allein die Umstellung auf Bio-Produktion, so Schmitz, ist bereits immens teuer und erfordert nicht selten die Bereitschaft zu großen Gewinneinbußen, so dass sie für viele LandwirtInnen keine wirkliche Alternative darstellt. Für ihn war sie nach eigenen Aussagen nur möglich, weil er vorher lange Zeit konventionelle Landwirtschaft betrieben hatte. Die Selbstorganisation in Konzepten von Solidarischer Landwirtschaft, die Netzwerke zwischen ErzeugerInnen und VerbraucherInnen unter Ausschluss von ALDI & Co. aufbaut, hilft einigen LandwirtInnen über die Runden zu kommen, doch allzu verbreitet ist diese Alternative noch nicht, bedauerte Schmitz. 

Aktivität entfalten

Nach einer musikalischen Einlage von Lars Ulla Krajewski stellte Marius Stelzmann, Geschäftsführer der Coordination, die CBG-Highlights des Jahres vor. Ein beeindruckender Videoclip dokumentierte hier die Aktionen bei BAYERs AktionärInnen-Versammlung. Es zeigte AktivistInnen aus unterschiedlichen Kontexten, die das Wort gegen die menschen- und umweltfeindliche, profitorientierte Praxis des Leverkusener Multis ergreifen. Mithilfe einer Signal-Gruppe und der besseren Bewerbung des Termins auf der Website soll die Beteiligung an den Protesten in Zukunft noch erhöht werden. 

Im Anschluss war Tina Marie Jahn von INKOTA an der Reihe. Die Geografin widmete sich der Agrarökologie. Jahn, die an der TU Dresden forscht und Mitglied der „Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit“ ist, arbeitete die Unterschiede zwischen der Agrarökologie und anderen Formen von Landwirtschaft heraus wie z. B. die Fokussierung auf Nachhaltigkeit und Biodiversität. Bei der Agrarökologie handelt es sich allerdings um mehr als nur eine neue Spielart der biologischen Landwirtschaft: Sie will ganzheitlich und unter Zusammenwirken aller Beteiligten Alternativen zur konventionellen Landwirtschaft vor allem in armen, weil ausgebeuteten Ländern anbieten. Dabei gehe es, so Jahn, nicht zuletzt um „Self-Empowerment der von Armut Betroffenen“. Die Agrarökologie versteht sich deshalb durchaus als eine soziale Bewegung, andererseits aber auch als eine wissenschaftliche Strömung, die auf interdisziplinäres Arbeiten setzt  – und natürlich als landwirtschaftliche Praxis. Dabei profitiere sie der Geografin zufolge als „Bottom-up“-Ansatz vor allem vom lokalen Wissen der Bevölkerung, der geholfen werden soll, lokale Lösungen zu finden.  Als Problem der Agrarökologie benannte Jahn die Gefahr eines „Greenwashings“ durch ein Kapern des Begriffs von Seiten der Industrie, ohne ihn wirklich mit Inhalt zu füllen.

Die BAYER-Propaganda

Besonders bemerkenswert waren im Referat die Entgegnungen auf Zitate von Matthias Berninger, seines Zeichens Leiter der Abteilung „Öffentlichkeit und Nachhaltigkeit“ bei der BAYER AG, ein waschechter Greenwashing-Experte also. Berninger, der nach seinem Ausscheiden aus der parlamentarischen Arbeit für die Grünen konsequenterweise direkt zum Süßwaren-Hersteller MARS und von da zu BAYER wechselte, warnt bereits seit Jahren vor den angeblichen Gefahren der „Ideologie der Agrarökologie“. So verweist er beispielsweise auf Sri Lanka, wo „zuerst die Agrikultur, dann die Wirtschaft und schließlich die Regierung kollabiert“ sei. Grund dafür sei in erster Linie das Verbot von Pestiziden und Düngern gewesen. Für BAYER führte er ins Feld, dass die Heuschreckenplage in Ostafrika ohne Ackergifte nicht erfolgreich bekämpft hätte werden können. 

Unter Verweis auf die Projekte, die INKOTA in zahlreichen afrikanischen Ländern begleitet, entlarvte Jahn die Aussagen des Agrochemie-Propagandisten als das, was sie letztlich sind: Lügen auf dem Rücken der unterdrückten Völker Afrikas und Südasiens. In Sri Lanka, so führte Jahn aus, hätte das Ziel niemals sein dürfen, die Landwirtschaft von heute auf morgen auf Bioökologie umzustellen. Dieser Prozesse nehme längere Zeit in Anspruch, ansonsten wäre ein solches Vorhaben zum Scheitern verurteilt.

Berninger ignoriert darüber hinaus die wirtschaftlich sehr angespannte Lage des in seiner Geschichte von Neokolonialismus, reaktionären Putschversuchen, Militärregimen und Umweltkatastrophen heimgesuchten Staats, der nun endlich unter Führung einer souveränen, linken Regierung eigene Entscheidungen trifft. Die Verbalattacken Berningers gegen Sri Lanka sind vor diesem Hintergrund ausgesprochen schwer nachvollziehbar und wirken eher wie ein Schuss ins eigene Bein. 

Zum Schluss brachte Tina Marie Jahn das Anliegen der Agrarökologie noch einmal auf den Punkt. „Es geht darum, dass wir eine sozial gerechte Lösung finden, unser Ernährungssystem zu reformieren und dabei die BäuerInnen in den Mittelpunkt zu stellen.“ In der anschließenden Diskussion wurde nicht zuletzt der Einfluss zahlreicher, angeblich wohltätiger Stiftungen wie der „Bill and Melinda Gates Foundation“ problematisiert, die den Globalen Süden in Tateinheit mit BAYER & Co Top down auf das westliche agro-industrielle Modell einschwören wollen. 

BAYER und die Bauernfrage

Bei dessen Etablierung hat BAYER eine bedeutende Rolle gespielt, wie Jan Pehrke von der CBG an dem Tag darlegte. Bereits 1892 formulierte der Konzern das Ziel, „der Landwirtschaft mit Forschungsergebnissen aus der Chemie zu helfen“. Das hinderte freilich das von seinem eigenen Altruismus begeisterte Unternehmen nicht daran, im Ersten Weltkrieg bereits auch an Kriegswaffen zu forschen, doch das nur am Rande. Bereits 1920 richtete es eine eigene Landwirtschaftsabteilung ein, 1924 eröffnete BAYER in Leverkusen das „Biologische Institut der Pflanzenschutz-Versuchsabteilung“. 

Heute wie damals sucht der Konzern natürlich den direkten Draht zu den Politik-Strukturen. Constantin Heereman von Zuydtwyck war eben nicht nur ein führender CDU-Politiker, Präsident des Bauernverbands und sieben Jahre lang Abgeordneter im Bundestag, sondern auch Mitglied des Aufsichtsrats der BAYER AG. Er symbolisierte so die enge Verknüpfung von Monopol und Staat im Kapitalismus imperialistischen Stadiums und nahm die Aufgabe wahr, die Bauernverbandsmitglieder im Interesse der GroßlandwirtInnen und Großunternehmen stillzustellen. Und wenn es dann doch einmal gärte, fand Heereman – wie alle seine NachfolgerInnen auch – Mittel und Wege, die Empörung auf system-verträgliche Bahnen zu lenken. 

Für Pehrke stellt BAYER die eine Seite des Agrosystems dar, die den LandwirtInnen das Leben zur Hölle macht. Mangels Konkurrenz kann der Global Player ihnen die Preise für Pestizide und Saatgut genauso aufzwingen, wie es auf der anderen Seite ALDI & Co. tun. Trotzdem geriert sich der Konzern als großer Freund der Bauern und Bäuerinnen. Zu den Bauernprotesten fiel Cropscience-Chef Rodrigo Santos sogar folgender mutiger Satz ein: „Landwirte wollen für ihren Beitrag zur Gesellschaft anerkannt werden. Wir alle können ihre Arbeit unterstützen, ob wir nun direkt mit ihnen zusammenarbeiten, Gesetze schreiben oder ihre Produkte konsumieren“. Das fällt dann in eine Reihe mit der Selbstdarstellung, der BAYER-Konzern sorge sich vor allem um die Ernährung der Weltbevölkerung. Dreist? Sicherlich. Ehrlich? Auf keinen Fall.

Der CBG-Vorstand zog eine negative Bilanz der Bauernproteste. Sie stellten das agro-industrielle Modell, das unter anderem BAYER symbolisiert, nicht in Frage. Dieses ist sogar durch die Schwächung der Umweltschutz-Auflagen auf nationaler und internationaler Ebene noch stabilisiert worden. „Auf die Politik ist also nicht zu hoffen“, resümierte er: „Es wird bei Gelegenheiten wie der nächsten ‚Wir haben Agro-Industrie satt‘-Demo in Berlin wieder viel Druck von Umweltverbänden, der bäuerlichen Landwirtschaft und von Verbraucherschutz-Organisationen erfordern, um doch noch etwas zu bewegen.

Wie geht’s weiter? 

Zum Abschluss des Tages ergriff nochmal Marius Stelzmann das Wort und wies auf die schwierige Lage von Organisationen wie der CBG in den aktuellen Kriegs- und Krisenzeiten hin. Er stellte dabei heraus: „Damit wir weiterhin eine Antwort finden können auf die Konzernpolitik von BAYER, müssen wir uns auch finanziell absichern.“ Er bedankte sich dabei bei den jahrelangen SpenderInnen und bat auch weiterhin um die Unterstützung konzernkritischer Organisationen wie der CBG. Dafür brauche es aber neben Geld vor allem Aktive, die bereit sind, diesen Kampf mit der Organisation zu führen. „Wenn ihr Leute kennt, von denen ihr denkt, dass die an unserem Kampf Interesse haben könnten, sprecht sie an auf die CBG!“, appellierte er darum an die BesucherInnen. Denn das Ziel sei allein mit einer gelungenen Aktion oder einer gewonnenen Klage noch nicht erreicht. „Diese Konzerne müssen unter demokratische Kontrolle gestellt werden, und daran arbeiten wir mit langem Atem!“ hielt Stelzmann zum Abschluss fest. ⎜

BAYER wählt Trump

CBG Redaktion

Über 120.000 Dollar an Wahlkampf-Spenden

Die Spenden des BAYER-Konzerns bei der US-amerikanischen Präsidentschaftswahl flossen mehrheitlich dem republikanischen Lager zu. Der Leverkusener Multi erhofft sich von einer Regierung unter Donald Trump bessere Geschäfte, weniger Umweltauflagen und mehr Rechtsschutz in Sachen „Glyphosat“.

Von Jan Pehrke

Mit rund 60 Prozent seines Budgets unterstützte BAYER bei der US-Wahl Trump & Co. 122.000 Dollar gingen an republikanische KandidatInnen, PolitikerInnen von den Demokraten mussten sich mit 77.000 Dollar begnügen. 

Auch in Sachen „Unternehmenssteuern“ spricht aus Sicht BAYERs wenig für die Demokraten. Während diese im Wahlkampf bekanntgaben, den Satz von 21 auf 28 Prozent erhöhen wollen, kündigten die Republikaner eine Absenkung auf 15 Prozent an. 

Umweltpolitisch erwartet der Agro-Riese ebenfalls von den Republikanern mehr bzw. weniger. Der von Trump als neuer Leiter der US-Umweltbehörde EPA bestimmte Lee Zeldin scheint dafür genau der richtige Mann zu sein. „Am ersten Tag und in den ersten 100 Tagen haben wir die Möglichkeit, Vorschriften abzubauen, die die Unternehmen in Schwierigkeiten bringen“, sagte er kurz nach seiner Nominierung. Zu seinem Arbeitsprogramm gehört unter anderem, „die Vorherrschaft der USA im Energiebereich wiederherzustellen“ und „unsere Auto-Industrie wiederzubeleben“. Als Kongress-Abgeordneter stimmte er dafür, der Environment Protection Agency den Etat zu kürzen und sah besonders deren Klimaschutz-Maßnahmen kritisch. Folgerichtig befürwortete er den Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaschutz-Abkommen. Nur beim Umgang mit der Ewigkeitschemikalie PFAS (siehe S. 20 ff.) sah auch Zeldin Handlungsbedarf.

Die Frage, ob die Trump-Wahl dem Konzern dabei helfen könnte, den Fall „Glyphosat“ mit den 63.000 noch anhängigen Entschädigungsklagen zu den Akten zu legen, bejahte BAYER-Chef Bill Anderson bei der letzten Bilanzpressekonferenz im November (siehe auch „O-Ton BAYER“) in einem etwas mäandernden Exkurs. „Ich bin mir nicht sicher, ob das einen direkten Einfluss auf die laufenden Verfahren hat“, hob er an, stellte dann wirtschaftlichen Themen wie die Inflation im Allgemeinen und die Lebensmittel-Inflation im Besonderen als wahlentscheidend dar und brachte da irgendwie auch Glyphosat unter. Das Herbizid wirke als Inflationsbremse, weil es die Ernten schütze und so Verknappungen auf dem Nahrungsmittel-Sektor verhindere, behauptete er. Das haben nach seiner Wahrnehmung jetzt auch immer mehr PolitikerInnen eingesehen. Und so schloss Anderson seine Ausführungen zu Trump mit dem Satz: „Darum denken wir, dass das Umfeld dem Fortschritt förderlich ist. Und wir erwarten, diesen Fortschritt 2025 zu sehen.“

Nicht nur BAYER schüttete mehr Geld für die Republikaner aus als für die Demokraten. BASF, BOEHRINGER, COVESTRO, FRESENIUS, HEIDELBERG MATERIALS und andere deutsche Unternehmen taten es dem Leverkusener Multi gleich. Auch US-Konzerne präferierten überwiegend Trump & Co. Besonders viel spendete TESLA-Gründer Elon Musk mit 118 Millionen Dollar. Aber die Investition lohnte sich. Donald Trump richtete für ihn das „Department of Government Efficiency” ein. Sein Arbeitsauftrag lautet, „die Regierungsbürokratie zu zerlegen“, und der Superreiche stellte dann auch gleich eine Schocktherapie für das „System“ in Aussicht. 

Die Leitung des Departments teilt der AfD-Fan sich mit seinem Milliardärskollegen Vivek Ramaswamy. Dieser machte sein Geld mit der Arznei-Firma ROIVANT SCIENCES, die auch schon mit BAYER ins Geschäft kam. Die Pillen-Riesen erhoffen sich von ihm, den von Trump als Gesundheitsminister vorgesehenen Robert F. Kennedy Jr. im Zaum halten zu können, der ein Gegner von Big Pharma und Anhänger alternativer Heilmethoden ist. Im Zuge seiner „Make America Healthy Again“-Kampagne versprach RFK Jr. nichts weniger, als dass „alle Menschen vor schädlichen Chemikalien, Schadstoffen, Pestiziden, pharmazeutischen Produkten und Lebensmittel-Zusätzen geschützt werden“. Darüber hinaus kritisiert er die Arbeit der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA massiv und will die Medikamenten-Werbung verbieten. BAYER & Co. dürften also so einiges Lobby-Geld locker machen, um den Senat dazu zu bewegen, gegen die Ernennung von Kennedy Jr. zum „Secretary of the Department of Health and Human Services“ zu stimmen.

Die Wall Street erlangte ebenfalls wichtige Positionen in der künftigen US-Regierung. Scott Bessent, der Besitzer des Hedgefonds KEY SQUARE CAPITAL, übernimmt das Finanzministerium und Howard Lutnick, Chef des Hedgefonds CANTOR FITZGERALD, das Handelsministerium. Als Vize-Präsident fungiert überdies der von dem millionen-schweren ultrarechten Tech-Mogul Peter Thiel – „Ich glaube nicht mehr, dass Freiheit mit Demokratie vereinbar ist“ – aufgebaute J. D. Vance. Zudem plant Trump dem Webportal politico zufolge, das Verteidigungsministerium mit VertreterInnen von Rüstungsfirmen wie PALANTIR und ANDURIL zu besetzen. 

Somit steht die Verwandlung der USA in eine rechtspopulistische Plutokratie bevor. Nicht umsonst verzeichnete der „Bloomberg Billionaire Index“ am Tag des Wahlsiegs von Donald Trump den höchsten Ausschlag in seiner Geschichte: Das Vermögen der zehn reichsten Superreichen vermehrte sich über Nacht um ca. 64 Milliarden Dollar.  ⎜