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Beitrag veröffentlicht im “Tag: 1. August 2025

Ticker Beilage zu Stichwort Bayer 2/25

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG bei „Wir haben es satt“

Wie jedes Jahr im Januar fuhr die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auch 2025 wieder nach Berlin zu den „Wir haben Agrarindustrie satt“-Protesten, um gemeinsam mit VertreterInnen der bäuerlichen Landwirtschaft, Umweltinitiativen und VerbraucherInnenverbänden für eine Agrar-Wende auf die Straße zu gehen. 

Dieses Mal war die Coordination auch organisatorisch eingebunden. Sie bildete einen der Hot Spots entlang der Route, an denen der Protest direkt adressiert wurde und es jeweils eine Antwort auf die Frage gab, wer eigentlich vom gegenwärtigen agro-industriellen Modell profitiert, das Mensch, Tier und Umwelt so zusetzt. Bei der CBG lautete sie naturgemäß: BAYER & Co. Sie stand mit dem Demo-Banner „Wer profitiert vom Handel mit gesundheitsschädlichen Pestiziden?“ aus gegebenem Anlass an der Friedrichstraße. In unmittelbarer Nähe befinden sich nämlich die Berlin-Dependancen vom „Verband der Chemischen Industrie“ und vom „Industrieverband Agrar“. 

Auf ihrem eigenen Transparent wurde die Coordination dann konkreter. „Parkinson für die Bauern – Profite für BAYER & Co.“ stand darauf zu lesen. Sie protestierte damit dagegen, dass die Nervenkrankheit zwar seit letztem Jahr als Berufskrankheit für Landwirt-Innen anerkannt ist, diese aber selbst für die Behandlungskosten aufkommen sollen und nicht etwa die Ackergifte-Hersteller. Die Krankenversicherungsbeiträge der Bauern und Bäuerinnen steigen aus diesem Grund um satte 20 Prozent. 

Auf einem Workshop zum Thema im Haus der „Heinrich Böll“-Stiftung, zu dem auch die CBG einen kurzen Input beisteuerte, nannte ein Vertreter der „Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau“ bereits eine exakte Summe für den zusätzlichen finanziellen Aufwand: unglaubliche 270 Millionen Euro pro Jahr! Ein Beispiel für die gesellschaftlichen Kosten, die als Nebenwirkung der gnadenlosen Profit-Jagd der Konzerne entstehen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN wird deshalb weiterhin dafür kämpfen, dem Verursacherprinzip Geltung zu verschaffen und die Chemie-Multis für die Parkinson-Therapien zahlen zu lassen.

CBG beim Klimastreik

Der Januar 2025 war der wärmste seit Aufzeichnungsbeginn. Trotzdem hat die Politik das Klima-Thema zur Freude der Konzerne mehr oder weniger ad acta gelegt. Dementsprechend liegt Deutschlands CO2-Minderungsziel für 2030 in weiter Ferne, wie der ExpertInnen-Rat für Klimafragen jüngst feststellte. Auch die Industrie liefert nicht. Dafür wäre eine fast dreimal so hohe Minderungsrate pro Jahr nötig wie die gegenwärtige, so der Rat. Aber die Unternehmen investieren kaum in sauberere Anlagen zur Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen (THG). „Der Abbau des fossilen bzw. energie-intensiven Kapitalstocks geht nur langsam voran“, konstatiert der Rat. Der BAYER-Konzern bildet da keine Ausnahme. Er kam im Jahr 2024 wieder auf Kohlendioxid-Emissionen von rund drei Millionen Tonnen. Grund genug für die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG), sich erneut am Klimastreik zu beteiligen. Sie ging am 14. Februar in Düsseldorf mit auf die Straße, um die Klima-Politik wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Rund 600 Menschen nahmen dort an der Demonstration teil. Bundesweit erstreckte sich der Klimastreik auf über 150 Orte. 130.000 Menschen konnte er mobilisieren. 

CBG beim Saatgut-Festival #1

Auch in diesem Jahr war die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) wieder mit einem Infostand beim Kölner Saatgut-Festival dabei. Am 22.02.25 hatten der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt e. V., das Netzwerk Gemeinschaftsgärten Köln, der Ernährungsrat Köln und die VHS Köln in das VHS-Studienhaus am Neumarkt eingeladen. Die Info- und Verkaufsstände verteilten sich auf mehrere Etagen und wurden von den BesucherInnen mit großem Interesse angenommen. Ein Schwerpunkt der Veranstaltung lag auf dem Tausch oder Kauf von Saatgut.

Aber auch zahlreiche NGOs boten die Möglichkeit, sich umfassend zu informieren und auszutauschen. Gemeinsam in einem Raum mit den AktivistInnen von Greenpeace und dem Team der Verbraucherzentrale NRW konnte die Coordination Auskunft über ihre Aktivitäten rund um den BAYER-Konzern geben, was gut angenommen wurde. 

Dabei kamen die CBGlerInnen mehrfach mit Menschen ins Gespräch, die der festen Überzeugung waren, dass das skandalöse Pestizid Glyphosat mittlerweile verboten sei, und entsetzt darüber waren, von der Coordination zu erfahren, dass Glyphosat in der EU noch bis mindestens Dezember 2033 verwendet werden darf. Da leistete die CBG also wieder wichtige Aufklärungsarbeit.

CBG beim Saatgut-Festival #2

Nach dem Kölner nahm die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) auch am Düsseldorfer Saatgut-Festival teil. Am 8. März 2025 legte sie an ihrem Stand Informationsmaterial zu Gentechnik, Pestiziden und den CBG-Aktivitäten gegen den BAYER-Konzern, das größte Agrar-Unternehmen der Welt, aus. Zudem sammelte die Coordination Unterschriften gegen das Ansinnen der EU, Genscheren und andere neue Gentechniken von Risiko-Prüfungen und Kennzeichnungspflichten auszunehmen. Dabei ergaben sich viele ergiebige Gespräche mit den BesucherInnen.

Ex-Heimkinder: CBG fragt nach Fonds

In den 1950er und 1960er Jahren haben BAYER, MERCK & Co. Psychopharmaka und andere Medikamente an Heimkindern testen lassen, ohne dass Einverständnis-Erklärungen zu den Erprobungen vorlagen. An den Folgen leiden die ehemaligen Versuchskaninchen teilweise bis heute. Der Verein der ehemaligen Heimkinder Schleswig-Holstein fordert deshalb die Pharma-Riesen und Kirchen sowie staatliche Stellen als Träger der Einrichtungen seit Jahren zu Entschädigungen auf. 

Die schwarz-grüne schleswig-holsteinische Landesregierung bekundete in ihrem Koalitionsvertrag zwar: „Wir werden in unserer Arbeit dem erfahrenen Leid und Unrecht früherer Heimkinder weiterhin Aufmerksamkeit widmen“, wollte aber die Einrichtung einer Landesstiftung, an der sich alle für das Leid und Unrecht Verantwortlichen – also auch die Pillen-Unternehmen – beteiligen, lediglich „prüfen“. 

Im Herbst 2022 erkundigte sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) einmal, wie weit diese Prüfung inzwischen gediehen ist. Nicht allzu weit – so die Antwort aus dem Sozialministerium. Es verwies auf Einmal-Zahlungen an jene Betroffene, die vor Ablauf der Frist keine Anträge bei der „Stiftung Anerkennung und Hilfe“ oder dem „Fonds Heimerziehung“ gestellt hatten, meldete aber keine Fortschritte in Sachen „Fonds“. Stattdessen räumte sie Schwierigkeiten dabei ein, „die Finanzmittel einer rechtlich selbstständigen Vermögensmasse zuzuführen und ggf. auch weiteren Verantwortungsträgern die Möglichkeit einer finanziellen Beteiligung zu bieten“. Das setze nämlich „ausführliche Gespräche mit verschiedenen Akteurinnen und Akteuren voraus“. Im Januar 2024 hakte die CBG dann noch einmal nach. „Die Prüfung der Errichtung einer Stiftung ist noch nicht abgeschlossen“, hieß es aus Kiel: „Derzeit konzentriert sich das Land darauf, selbst zu prüfen, inwieweit Betroffene (…) über die einmalige Unterstützungsleistung in Höhe von 9.000 Euro und der ergänzenden Rentenersatz-Leistung hinaus unterstützt werden können.“ Erst danach will es „auf weitere Verantwortungsträger zugehen, um deren Beteiligung zu erreichen“. 

Im Januar 2025 wandte sich die Coordination nun erneut an die Landesregierung, um den aktuellen Stand abzufragen. Und jetzt endlich kam Klartext aus Kiel: „Von dem Vorhaben zur Einrichtung einer Stiftung wurde im Austausch mit den Betroffenen-Vereinen zum gegenwärtigen Zeitpunkt Abstand genommen.“ Der Politik gelang es nämlich nicht, BAYER & Co. mit ins Boot zu holen. Deshalb entfällt der Daseinsgrund für eine Stiftung, denn diese macht nach Meinung des Ministeriums nur Sinn, „wenn die neben dem Land weiteren Verantwortungsträger bereit wären, ebenfalls finanzielle Mittel einzubringen“. „Angesichts des aktuell nicht erkennbaren Interesses der übrigen Verantwortungsträger an einer finanziellen Beteiligung an weiteren Unterstützungsleistungen“ will die Landesregierung sich jetzt auf „Möglichkeiten innerhalb des Landeshaushalts“ konzentrieren. Aktuell spricht sie mit den Fraktionen der anderen Parteien und den Betroffenen-Verbänden darüber.

Veranstaltung zu Arznei-Tests

Am 13. März 2025 widmete sich die schleswig-holsteinische Landesregierung dem Leid, das ehemalige Heimkinder von den 1950er bis weit in die 1970er Jahre hinein durch Medikamentenversuche von BAYER & Co. erfahren haben. Sie lud zu der Veranstaltung „Anerkennen, Aufarbeiten, Zukunft gestalten“. Im Plenarsaal des Landtags berichteten Betroffene von ihren Erfahrungen, WissenschaftlerInnen der Universität Lübeck präsentierten neue Forschungsergebnisse zu den Arznei-Tests. Den größten Raum aber nahm die Aufarbeitung der schrecklichen Geschehnisse ein. Vertreterinnen des Sozialministeriums sprachen über die Verantwortung des Landes Schleswig-Holstein. Über die Verantwortung der evangelischen Kirche referierte die Bischöfin Nora Steen; über die der katholischen Kirche der Generalvikar Pater Sascha-Philipp Geißler. Nur der Platz der Pharma-Industrie blieb unbesetzt. „Wir haben in der letzten Legislaturperiode das Gesprächsformat ‚Gespräch der Verantwortungsträger‘ ein- bzw. durchgeführt, bei dem wir unermüdlich versucht haben, die Pharmaverbände mit an den Tisch zu bekommen“, antwortete das Sozialministerium der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) auf die Frage nach den Gründen: „Wir haben hier ganz überwiegend die Resonanz bekommen, dass die Übernahme von Verantwortung durchgängig negiert wurde. Insofern wurden diejenigen Verantwortungsträger angefragt, mit denen wir in Gesprächen sind und die sich ihrer Verantwortung stellen.“ Die Coordination kritisierte das scharf: „Der BAYER-Konzern hat Heimkinder jahrzehntelang als Versuchskaninchen für Psychopharmaka, Neuroleptika und andere Mittel benutzt. Nach den Testreihen belieferte er dann die Einrichtungen mit riesigen ‚Anstaltspackungen‘ zur Ruhigstellung der Kinder und Jugendlichen. Viele von ihnen leiden bis heute unter den Folgen der Medikamenten-Gaben. Der Leverkusener Multi aber verdiente Millionen damit. Und jetzt will er sich der Verantwortung nicht stellen. Dieses Verhalten ist erbärmlich“, hieß es in ihrer Presseerklärung.

Widerstand gegen Lex BAYER

Der BAYER-Konzern schreibt seine Niederlagen vor US-Gerichten in Sachen „Glyphosat“ „fehlgeleitete(n) staatliche(n) Regulierungsbemühungen“ zu. Mit Verweis auf diese Bestimmungen erfolgten in den Schadensersatz-Prozessen nämlich immer wieder Verurteilungen wegen versäumter Warnungen vor den Risiken und Nebenwirkungen des Mittels. BAYERs VerteidigerInnen führten zur Entlastung regelmäßig die US-amerikanische Umweltbehörde EPA an, die das Pestizid nicht als krebserregend einstuft; sie konnten sich damit allerdings nicht durchsetzen. 

Wegen solcher Entscheidungen lanciert der Agro-Riese in den einzelnen Bundesstaaten nun Gesetze, die die EPA-Bewertung als bindend für alle Gerichte der Vereinigten Staaten erklären (siehe auch SWB 4/24). In Iowa präsentierte der BAYER-Konzern den „Cancer Gag Act“ gleich selbst. Sein Lobbyist Craig Mischo stellte das Paragrafen-Werk in einem Unterausschuss des dortigen Repräsentantenhauses gemeinsam mit Brad Epperly von der Beratungsfirma CWL vor. In Georgia verbuchte der Leverkusener Multi nun schon einen Erfolg; die Lex BAYER kam durch.

Aber gegen den Global Player formiert sich auch Widerstand. Ein Bündnis aus Initiativen, dem unter anderem FOOD & WATER WATCH, IOWA CITIZENS FOR COMMUNITY IMPROVEMENT, PROGRESS IOWA, das PESTICIDE ACTION & AGROECOLOGY NETWORK und der IOWA ENVIRONMENT COUNCIL angehören, machen gegen BAYERs Gesetzes-Maschinerie mobil.

Kritik am „Agent Orange“-Urteil

Im August 2024 wies ein Pariser Berufungsgericht die Klage der franko-vietnamesischen „Agent Orange“-Geschädigten Tran To Nga gegen die BAYER-Tochter MONSANTO und dreizehn weitere Hersteller des zur Chemie-Waffe umfunktionierten Herbizids ab. Die RichterInnen billigten den Firmen einen Immunitätsstatus zu, weil sie im Auftrag eines souveränen Landes handelten. Dabei waren die Unternehmen alles andere als reine Befehlsempfänger. MONSANTO beispielsweise stand mit dem Pentagon bereits seit 1950 im regen Austausch über die Kriegsverwendungsfähigkeit der Basis-Chemikalie von Agent Orange. 

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und zahlreiche weitere Organisationen kritisierten das Urteil dann auch. Sogar die vietnamesische Regierung schaltete sich ein. „Vietnam bedauert das Urteil des Pariser Berufungsgerichts und hat seine Haltung in dieser Angelegenheit wiederholt zum Ausdruck gebracht. Obwohl der Krieg beendet ist, haben seine schwerwiegenden Folgen weiterhin tiefgreifende Auswirkungen auf unser Land und unsere Bevölkerung, einschließlich der langfristigen und schwerwiegenden Folgen von AO/Dioxin“, hieß es aus Hanoi.

Big Brother Lauterbach

Die Initiative DIGITALCOURAGE hat Karl Lauterbach mit dem „BigBrotherAward“ im Bereich „Gesundheit“ ausgezeichnet. Sie würdigte damit dessen Bemühungen darum, BAYER & Co. allen Datenschutz-Bedenken zum Trotz Zugang zu sensiblen Gesundheitsdaten zu erschließen. Dabei hatte DIGITALCOURAGE nicht nur die elektronische PatientInnen-Akte im Sinn (siehe SWB 4/24), sondern auch das Gesundheitsdatennutzungsgesetz – die nationale Umsetzung des „Europäischen Raums für Gesundheitsdaten“ (siehe DRUGS & PILLS) – sowie die Fortführung der Arbeit am Forschungsdaten-Zentrum (FDZ). 

Sogar den ganz Großen will der SPD-Politiker die sogenannte Sekundärnutzung erlauben: „Wir sind im Gespräch mit META, mit OPEN AI, mit GOOGLE, alle sind daran interessiert, ihre Sprachmodelle für diesen Datensatz zu nutzen.“ „Bei Spahn waren Pharma-Konzerne vom FDZ noch ausgeschlossen. Unter Lauterbach erhalten sie nun umfassend Zugang“, kritisierte Thilo Weichert von der DEUTSCHEN VEREINIGUNG FÜR DATENSCHUTZ in seiner Laudatio. Bürokratische Hürden stehen dem kaum im Weg. Über entsprechende Anträge entscheidet kein unabhängiges Gremium, sondern das dem Gesundheitsministerium unterstellte „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“.

Uni benennt Hörsaal um

Lange hatte eine Angestellte der Frankfurter Universitätsklinik für die Umbenennung eines Hörsaals gekämpft, der nach Dr. Franz Volhard benannt ist. Und jetzt ist es endlich vollbracht. Die Uni-Leitung entschied in ihrem Sinne. Das Engagement der Frau begann nach der Lektüre eines Artikels der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) über Volhard, der 2019 in der jungen Welt erschien. Dadurch erfuhr sie nämlich viel und nur wenig Ehrenhaftes über den Mediziner. So sagte dieser im Nürnberger ÄrztInnen-Prozess zugunsten von Wilhelm Beiglböck aus, der im KZ Dachau Menschenversuche mit Roma und Sinti unternommen hatte. Damit nicht genug, schrieb Volhard auch noch ein Entlastungsgutachten für Werner Catel, der sich wegen vier Todesfällen bei seinen 1945 ff. durchgeführten Versuchen mit BAYERs Tuberkulose-Arznei TB 698 in der Heilanstalt Mammolshöhe vor staatlichen Stellen verantworten musste. 

KAPITAL & ARBEIT

Stellenstreichungen: BAYER in Top 10

Mit seinem Rationalisierungsprogramm DSO schaffte es der BAYER-Konzern in die Top 10 der größten deutschen Arbeitsplatzvernichter. Die Streichung von 3.000 Stellen im Jahr 2024 brachten ihm in der Rangliste den 6. Platz ein. An der Spitze steht VW. Bei dem Auto-Multi fallen 35.000 Jobs weg.

Mangelware Tarifverträge

Nur in 52 Prozent der BAYER-Gesellschaften waren 2023 die Rechte der Beschäftigten in Tarifverträgen oder betrieblichen Vereinbarungen niedergelegt. 2021 galt das noch für 54 Prozent und 2022 für 53 Prozent. Nach Regionen aufgeschlüsselt, stellt sich die Lage so da: Europa/Nahost/Afrika: 79 Prozent der Niederlassungen mit verankerten Regelungen; Nordamerika: ein Prozent, Asien/Pazifik: 46 Prozent und Lateinamerika 52 Prozent. 

Schlechtes Betriebsklima

Gleich nach seinem Amtsantritt als Vorstandsvorsitzender im Juni 2023 hat Bill Anderson dem Konzern ein neues Organisationsmodell namens „Dynamic Shared Ownership“ (DSO) verordnet. Hinter so nebulösen Umschreibungen wie „Bürokratie beseitigen“, „Strukturen verschlanken“ oder „Entscheidungsprozesse beschleunigen“ verbirgt sich ein knallhartes Arbeitsplatzvernichtungsprogramm. Mehr als 7.000 Beschäftigte, die überwiegend in leitenden Positionen arbeiteten, fielen ihm schon zum Opfer. Insgesamt beziffert BAYER das Einspar-Potenzial durch die Rationalisierungen ab 2026 auf zwei Milliarden Euro pro Jahr.

Entsprechend schlecht ist das Betriebsklima. „So mies war die Stimmung noch nie“, vertraute ein Pharma-Manager Jürgen Salz von der Wirtschaftswoche an. Der Journalist hat die Implementierung des DSO – „ein Experiment, wie es die europäische Wirtschaft noch nicht gesehen hat“ – ein Jahr lang begleitet. „In vertraulichen Gesprächen berichten fast alle Mitarbeiter von großer Unsicherheit“, notiert er. Ordnungsgemäß zitiert der Journalist jedoch auch zufriedene Belegschaftsangehörige. Zudem vermeldet er einige Erfolge durch das mittlerweile zu rund 80 Prozent umgesetzte System wie angeblich schnellere Medikamenten-Einführungen. Einen neuen Milliarden-Seller hat es dem Leverkusener Multi bisher allerdings nicht beschert. 

BAYERs Krokodilstränen

7.000 Arbeitsplätze hat BAYERs Rationalisierungsprogramm – bzw. das neue Organisationsmodell „Dynamic Shared Ownership“ – bisher gekostet, und ein Ende ist nicht abzusehen. „Manche Mitarbeiter sind erschüttert. Sie arbeiten seit mehr als 30 Jahren bei BAYER – und müssen nun gehen“, konstatiert die Rheinische Post und fragt die Personalvorständin Heike Prinz: „Was sagen Sie denen?“ „Ich kann diese Gefühle gut verstehen“, antwortet Prinz und berichtet von nicht ganz einfachen Terminen in der Personalabteilung: „Manche Gespräche sind natürlich emotional“. Aber dann hat es sich auch mit den Krokodilstränen. „Ich kenne viele Kolleginnen und Kollegen, die diese Veränderung auch als Chance begreifen. Denn wir bieten durchaus attraktive Abfindungen. Auch helfen wir intensiv bei der Suche nach einer neuen Stelle und einer neuen persönlichen Perspektive“, so die Managerin.

Betriebsbedingte Kündigungen?

Im letzten Jahr verlängerten BAYER und der Betriebsrat die Standortsicherungsvereinbarung, die betriebsbedingte Kündigungen ausschließt, bis Ende 2026. Auf die Frage der Rheinischen Post, ob der Leverkusener Multi danach bei seinem Arbeitsplatzvernichtungsprogramm auch auf dieses Mittel zurückgreifen will, hält Personalvorständin Heike Prinz sich bedeckt. „Unser Ziel ist es weiter, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Sie sind ab 2027 theoretisch möglich – aber weiterhin nur als letztes Mittel“, so Prinz.

Aktienkurs drückt Renten

Viele BAYER-Beschäftigte halten Belegschaftsaktien, deren Erwerb zur Alterssicherung der Konzern ihnen durch die Gewährung von Sonderkonditionen schmackhaft gemacht hat. Der Wert der Papiere fiel jedoch nach BAYERs Übernahme von MONSANTO und den nachfolgenden Schadensersatz-Prozessen in Sachen Glyphosat rapide. Vom früheren Höchststand von 140 Euro stürzten sie auf gegenwärtig rund 20 Euro ab. „Mitarbeiter-Aktien sind nur ein Teil der Altersversorgung, aber klar: Der Kursverlust trifft auch die Mitarbeiter hart – finanziell und emotional“, räumt Personalvorständin Heike Prinz gegenüber der Rheinischen Post ein. Und ob ihre Versicherung: „Wir tun alles, damit BAYER wieder zu alter Stärke zurückfindet“ die Stimmung aufhellen kann, bleibt einstweilen auch offen. 

Keine Krankmeldung per Telefon

BAYERs Personalvorständin Heike Prinz hat sich in einem Interview mit der Rheinischen Post gegen die Krankmeldung per Telefon ausgesprochen. „Der Staat sollte aus meiner Sicht die telefonische Krankmeldung wieder kippen. Sie war in der Pandemie ein gutes Instrument, das wir jetzt nicht mehr brauchen“, so Prinz. „Auch Ideen wie die Vier-Tage-Woche oder bezahlte Null-Bock-Tage führen angesichts der wirtschaftlichen Lage in die falsche Richtung“, meint sie.

IG BCE hat digitales Zugangsrecht

Der Trend zum Homeoffice sorgt für eine Vereinzelung der Belegschaftsangehörigen und wirkt sich negativ auf die Mobilisierungsfähigkeit der Gewerkschaften aus. Da bleibt oft nur der Kontakt per Email. Dazu brauchen die Beschäftigten-VertreterInnen aber das Zugangsrecht zu den dienstlichen Adressen der Mitglieder. Die IG BERGBAU, CHEMIE und ENERGIE hat sich dieses für den Chemie-Bereich per Tarifvertrag zusichern lassen. 

In anderen Branchen sieht es aber schlechter aus. ADIDAS beispielsweise verwehrte der IG BCE den Zugang, und ein Gericht gab dem Unternehmen Rückendeckung. Es schmetterte die Klage der Gewerkschaft ab. 

Auch eine politische Regelung im Rahmen des Bundestariftreue-Gesetzes kam nicht zustande – die FDP blockierte das ganze Paragrafen-Werk.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Demokratie-Zerstörer I.G. FARBEN

Die von BAYER mitgegründeten I.G. FARBEN zählten nicht nur zu den Stützen des NS-Regimes, sie hatten dem Faschismus schon in der Weimarer Republik den Weg bereitetet. Das zeigen zwei neue Bücher: „Schicksalsstunden einer Demokratie“ von Volker Ullrich und „Die Entscheidung“ von Jens Bisky. Die I.G. arbeitete nämlich kräftig an einer zentralen Weichenstellung in Richtung „Diktatur“ mit: der am 27. März 1930 erfolgten Ablösung der Großen Koalition aus SPD, DDP, Zentrum, BVP und DVP, der als Reichskanzler der Sozialdemokrat Hermann Müller vorstand. „Danach sollte es keine auf eine parlamentarische Mehrheit gestützte Regierung mehr geben. Es begann die Auflösung der Weimarer Republik“, konstatiert Ullrich mit Blick auf die Präsidialkabinette unter Brüning, Papen und Schleicher und deren zunehmend auf den Notverordnungsparagrafen der Weimarer Verfassung gestützte Amtsführungen. 

Die I.G. und ihr Aufsichtsratschef Carl Duisberg, von 1925 bis 1931 auch Vorsitzender des „Reichsverbandes der Deutschen Industrie“ (RDI), wollten nämlich eine (noch) stärker an den Interessen des Kapitals ausgerichtete Politik. Dementsprechend forderte der RDI in einer Denkschrift Sozialkürzungen und Steuererleichterungen für Unternehmen. „Wir kommen nicht darum herum, dass wir eine grundsätzliche Änderung, ein Herumwerfen des ganzen Systems haben müssen“, erklärte Duisberg. Zu diesem Behufe überredete er den I.G.-Mann in der Regierung Müller, den Finanzminister Paul Moldenhauer, zurückzutreten und lockte ihn mit der Aussicht, er würde darüber „durchaus nicht das Vertrauen der Wirtschaft“ verlieren. Moldenhauer tat wie geheißen, und Müller stürzte. Die Wirtschaft aber sah sich noch lange nicht am Ziel. Sie setzte die Nachfolger des Sozialdemokraten ähnlich unter Druck, was Regierung nach Regierung zu Fall brachte und dann am 30. Januar 1933 schließlich mit der Ernennung Hitlers zum Reichkanzler durch Hindenburg endete. Und bereits am 20. Februar sicherten die I.G. FARBEN und andere Firmen der NSDAP für die Wahl am 5. März drei Millionen Reichsmark Wahlkampf-Hilfe zu.

„Das Ziel war offensichtlich, die SPD aus der Regierung zu verbannen und einen Umbau der parlamentarischen Demokratie in ein autoritäres System voranzutreiben“, schreibt Volker Ullrich über den Wendepunkt in der Geschichte von Weimar. Bisky schließt sich diesem Urteil an und schreibt von „Unternehmer(n) und Wirtschaftslobbyisten, die mit Spar-Forderungen und Angriffen auf das Tarifrecht so viel zur Zerrüttung der Republik beigetragen hatten“.

BITS & BYTES

Wem gehört die ePA?

Seit Anfang dieses Jahres gilt jetzt die Regelung, dass alle PatientInnen, die nicht explizit widersprechen, eine Elektronische PatientInnenakte (ePA) angelegt bekommen (siehe SWB 4/24). Bei den Diskussionen um die ePA, die breit und zahlreich waren, blieb ein Thema jedoch zumeist ausgespart, nämlich wer eigentlich an der EPA mitverdient. Das wären beispielsweise IBM und RISE, die die Server-Infrastruktur für die Gematik stellen, die wiederum die Verwaltung der ePA übernimmt. Und natürlich BAYER & Co. Die Pillen-Riesen können es gar nicht abwarten, den Datenschatz zu heben. Der vom Leverkusener Multi gegründete „Verband Forschender Arzneimittelhersteller“ (VFA) möchte die Auswertungen sogar nutzen, um bei den Preisverhandlungen mit dem Spitzenverband der Krankenkassen besser gegenhalten zu können. 

Die Risiken und Nebenwirkungen der ePA interessiert die Industrie dagegen herzlich wenig. Dabei gibt es laut dem Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie noch 21 Schwachstellen bei der Datensicherheit, vier davon gravierend. 

Raub von BAYERs PatientInnen-Daten

PatientInnen-Daten sind für BAYER & Co. ein wichtiger Rohstoff. So nutzen sie zum Beispiel Zahlen über die Verbreitung von Krankheiten und die Häufigkeit bestimmter Arznei-Verordnungen bei der Planung von Forschungsvorhaben. In den USA sammelt die LASH GROUP solche Informationen von den Pillen-Riesen, bereitet sie auf und stellt ihnen wieder zur Verfügung. Allerdings interessieren sich auch andere dafür. Im Mai 2024 verschafften sich HackerInnen Zugriff auf die Computer der zum Arznei-Großhändler CENCORA gehörenden Firma und stahlen Daten von BAYER, NOVARTIS, GLAXOSMITHKLINE und zahlreichen anderen Multis. Die Dateien enthielten detaillierte Personen-Angaben von Namen und Alter über Wohnort und Krankheitsdiagnosen bis hin zu Arznei-Verordnungen. Ähnliche virtuelle Einbrüche gab es in den USA bei JOHNSON & JOHNSON und CHANGE HEALTHCARE. 

KI-Musterschüler BAYER

Der TONOMUS GLOBAL CENTER FOR DIGITAL AND AI TRANSFORMATION analysierte die 200 größten Unternehmen der Welt im Hinblick auf ihre Erfolge, Künstliche Intelligenz in ihre Geschäftsprozesse zu integrieren. Der BAYER-Konzern nahm dabei gemeinsam mit ACCENTURE, VISA und der DEUTSCHEN TELEKOM die Top-Position ein. Zu dem Spitzenplatz kam der Leverkusener Multi durch eine umfassende Nutzung von KI bei der Produkt-Einwicklung, der Herstellung und dem Lieferketten-Management. Auch die hohen Investitionen in die neue Technologie und Kooperationen mit GOOGLE CLOUD, SALUS OPTIMA und anderen Firmen trugen zu der guten Platzierung bei.

Kooperation mit TETRASCIENCE

Der BAYER-Konzern hat eine Zusammenarbeit mit dem KI-Spezialisten TETRASCIENCE vereinbart. „Wir freuen uns, mit TETRASCIENCE auf unserem Weg der digitalen Transformation zusammenzuarbeiten und Innovationen voranzutreiben. Indem wir den Wert unserer wissenschaftlichen Daten maximieren und fortschrittliche Datenmanagement- und Data-Science-Lösungen nutzen, können wir neue Erkenntnisse und Möglichkeiten für bahnbrechende Innovationen freisetzen“, erklärte BAYERs Data-Manager Oliver Hesse zu dem Deal. 

EU-Daten für BAYER & Co.

Hierzulande wollen die Pharma-Riesen die elektronische PatientInnen-Akte nutzen, um Zugang zu Informationen für ihre Arznei-Entwicklungen zu bekommen. Den EU-weiten Zugriff bereitet Brüssel mit dem „Europäischen Raum für Gesundheitsdaten“ (EHDS) vor. „Ein EU-weiter Markt für elektronische Patientendaten-Systeme mit denselben Standards und Spezifikationen wird der Industrie zugutekommen“, verspricht die Europäische Union. Darum sollen BAYER & Co. „die Möglichkeit haben, Zugang zu Daten für die Sekundärnutzung zu beantragen und über die Zugangsstellen für Gesundheitsdaten eine Genehmigung für diesen Zugang gemäß der Vorschriften des EHDS zu erhalten“, so die Kommission.

BAYERs KI lernt „föderiert“

„BAYER steht bei der Entwicklung von Arzneimitteln und der Verbesserung der Aussagekraft medizinischer Diagnosen mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz vor einem Dilemma“, meldet finanzen.at: „Um die dafür eingesetzten Algorithmen zu trainieren, benötigt der Pharma-Gigant möglichst Zugang zu großen Mengen an Patienten-Daten und anderen sensiblen Informationen. Allerdings ist der Zugang häufig nicht zugänglich, oder BAYER läuft Gefahr, Europas strikte Richtlinien beim Datenschutz zu verletzen.“

Doch es gibt eine Lösung, die GOOGLEs ALPHABET erdacht hat: „Föderiertes Lernen“. Bei diesem Daten-Föderalismus müssen die Informationen nicht zentral zusammengeführt werden. Sie bleiben, wo sie sind, und die KI lernt jeweils lokal. Aber weil überall die gleichen Modell-Parameter zur Anwendung kommen, gelingt eine „kollaborative Schulung“ über mehrere Geräte oder Server hinweg.

Das erste Projekt des Leverkusener Multis nach diesem Prinzip läuft unter der Ägide des Start-ups Owkin. Dieses koordiniert den Austausch der Substanz-Datenbanken von zehn Pharma-Multis, damit die jeweiligen KI-Systeme voneinander lernen können. 

Radiologie: KI-Kooperation mit GOOGLE

BAYER hat gemeinsam mit GOOGLE eine KI-Plattform für RadiologInnen entwickelt, die die in den Praxen anfallenden Bilddaten analysiert und so angeblich das Stellen von Diagnosen vereinfacht. „Angesichts der langen Erfahrungen von BAYER in der Radiologie mit jahrzehntelangen Beiträgen zur Innovation in diesem Bereich und durch die Zusammenarbeit mit GOOGLE CLOUD werden wir Organisationen im Gesundheitsbereich dabei helfen können, die wachsenden Datenmengen in wertvolle und aussagekräftige Erkenntnisse umzuwandeln“, verspricht der Leverkusener Multi. Bei der Aufbereitung der eigenen Daten zum „Radiology Data Lake“ arbeitete der Konzern mit dem Computertechnologie-Giganten NVIDIA zusammen, der dabei sein Tool zum „Förderierten Lernen“ (s. o.), das „CLARA FEDERATED LEARNING, zur Anwendung brachte.

E.L.Y. für LandwirtInnen

Bereits Anfang 2023 registrierte BAYER die ersten Erfolge von ChatGPT. Davon inspiriert entwickelte der Leverkusener Multi gemeinsam mit MICROSOFT als seinem langjährigen Partner in digitalen Angelegenheiten (siehe Ticker 1/22) ein speziell auf Fragen der Landwirtschaft zugeschnittenes Tool: E.L.Y. (Expert Language for You). Der Chatbot, den der Global Player über die Plattform „Azure AI Foundry“ vermarktet,  hält angeblich Antworten auf alles, was Bauern und Bäuerinnen so bewegt, bereit. Die Profite aus der „digitalen Wertschöpfung“ muss der Agro-Riese sich allerdings mit MICROSOFT teilen.

POLITIK & EINFLUSS

Anderson bei Trumps Amtseinführung

BAYER-Chef Bill Anderson nahm an der Amtseinführung von Donald Trump teil. Während die Chefs von Henkel, SAP, Siemens, Lufthansa, Deutsche Telekom, RWE und DHL es vorzogen, der Veranstaltung fernzubleiben, legte Anderson offenbar als einziger Wert auf persönliche Anwesenheit. Von keinem weiteren seiner KollegInnen vermeldete die Presse im Vorfeld entsprechende Pläne. „Bill Anderson nimmt über mehrere Wochen diverse Termine in Washington wahr und wird auch die Amtseinführung besuchen“, verlautete aus der Firmen-Zentrale.

Der Leverkusener Multi will den Fall „Glyphosat“ – noch immer stehen rund 67.000 Entschädigungsklagen zur Entscheidung an – nunmehr politisch lösen und setzt dabei auf Trump. Mit 122.000 Dollar hatte er die Republikaner im Wahlkampf unterstützt und zeigte sich mit dem Ausgang zufrieden. Von einem Umfeld, dass dem Fortschritt förderlich ist, sprach Anderson. „Und wir erwarten, diesen Fortschritt 2025 zu sehen“, erklärte er. 

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kritisierte seine Anwesenheit bei der Inauguration Trumps massiv. „BAYER ist offenbar bereit, alles zu tun, um die Glyphosat-Krise zu beenden, ohne Rücksicht auf politische Verluste“, hieß es in ihrer Presseerklärung.

BAYER will Arzneigesetz ändern

Der von BAYER gegründete „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) will einen anderen Regelungsrahmen für Medikamente. Er mahnt eine Änderung des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) von 2011 unter der Prämisse an, es fortan als Standort-Faktor zu begreifen. So fordert der VFA etwa bessere Preise für neue Pharmazeutika mit gar keinem oder nur geringen Zusatznutzen: „Ist in den Beschlüssen der frühen Nutzen-Bewertung festgestellt worden, dass ein Versorgungsbedarf besteht und ein Arzneimittel einen wichtigen Beitrag zu seiner Abdeckung leistet, so ist die notwendige Flexibilität für die Vereinbarung eines Erstattungsbeitrags nach § 130b SBG V zu ermöglichen.“ 

Auch bei den für die Zulassung eines Mittels relevanten Studien gibt es nach Ansicht des Verbandes noch Luft nach unten. „Besondere Therapie-Situationen, für die Studien höchster Evidenz-Stufe unmöglich oder unangemessen sind, bedürfen daher einer Sonderstellung im AMNOG-Verfahren“, meint der Verband.

DRUGS & PILLS

YAZ-Rückruf in Südafrika

BAYER musste in Südafrika Chargen seines Verhütungsmittels YAZ zurückrufen. „Die fehlerhaften Packungen enthalten nur vier statt 24 Hormontabletten und bieten nicht die erwartete empfängnisverhütende Wirkung“, meldete der Konzern in dem „Urgent Medicine Recall“.

Immer wieder STIVARGA-Nebenwirkungen

BAYERs Krebsmedikament STIVARGA mit dem Wirkstoff Regorafenib kommt als Mittel zweiter Wahl zur Behandlung von fortgeschrittenem Darmkrebs sowie zur Therapie von GIST – einer bestimmten Art von Verdauungstrakt-Tumoren – zur Anwendung. Dabei treten immer wieder unbekannte Nebenwirkungen auf, die die Aufsichtsbehörden auf den Plan rufen. Momentan prüft die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA Hinweise auf die Herausbildung des Nephrotischen Syndroms – einer Nierenschädigung – durch STIVARGA. Ein weiteres Signal-Verfahren haben Meldungen über Fälle von thrombotischer Mikroangiopathie unter STIVARGA ausgelöst. Dabei handelt es sich um eine Erkrankung, bei der es zu Blutgerinnseln in den kleinsten Blutgefäßen kommt. Dies kann zu massiven Durchblutungsstörungen und in der Folge zum Tod der PatientInnen führen. 

NIMOTOP-Wechselwirkungen

BAYERs Calcium-Antagonist NIMOTOP (Wirkstoff: Nimodipin) stärkt die Gefäße und kommt laut Konzern „zur Behandlung von hirnorganisch bedingten Leistungsstörungen im Alter mit deutlichen Beschwerden wie Gedächtnis-, Antriebs- und Konzentrationsstörungen sowie Stimmungsschwankungen“ zum Einsatz. In ihren aktuellen Risiko-Informationen warnt das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ vor Wechselwirkungen von nimodipin-haltigen Präparaten mit bestimmten Mitteln gegen Pilzinfektionen, den Azol-Antimykotika. Die gleichzeitige Einnahme kann den Nimodipin-Spiegel im Blut erhöhen und zu einer Unterversorgung einzelner Organe oder des ganzen Körpers mit Sauerstoff führen (Hypoxie), wovor auch schon der Beipackzettel von NIMOTOP warnt.

XARELTO-Wechselwirkungen

Wenn BAYERs Blutgerinnungshemmer XARELTO zusammen mit solchen Antidepressiva eingenommen wird, die als Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) wirken, erhöht sich das Blutungsrisiko. Die SSRI-Präparate blockieren nämlich das Enzym CYP3A4, das eine wichtige Rolle beim Abbau von Arznei-Stoffen spielt. Arbeitet dieses Enzym nicht ordnungsgemäß, steigt der XARELTO-Spiegel im Blut und damit auch die Gefahr von Blutungen.

EU-Zulassung für Acoramidis

Der von dem US-amerikanischen Pharma-Unternehmen BRIDGEBIO neu entwickelte Wirkstoff Acoramidis kommt bei der seltenen Krankheit ATTR-CM (Transthyretin-Amyloidose mit Kardiomyopathie) zum Einsatz, die im fortgeschrittenen Stadium den Herzmuskel schädigen kann. Anfang April 2024 erwarb der BAYER-Konzern von der Firma die Vertriebsrechte für Europa. Rund sechs Monate später empfahl die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA der EU-Kommission die Zulassung. 

Anschluss-Verwendungen für Elinzanetant

BAYER & Co. ist es gelungen, die Wechseljahre zu einer Krankheit zu erklären. KritikerInnen bezeichnen das als „die Medikalisierung körperlicher Umbruchphasen im Leben von Frauen“. Der Leverkusener Multi aber erschließt diesen Markt unverdrossen. So hat er im Jahr 2020 die Biotech-Firma KANDY gekauft, die ein ohne Hormone auskommendes Mittel gegen Wechseljahres-Beschwerden in der Pipeline hatte: Elinzanetant. Der Leverkusener Multi will das Pharmazeutikum nun gegen Hitzewallungen einsetzen und hat einen entsprechenden Zulassungsantrag gestellt. Zudem strebt er Zweitverwertungen an. Da Hitzewallungen auch als Begleiterscheinung von Hormontherapien zur Brustkrebs-Behandlung auftreten, sieht der Pharma-Riese hier eine Anschluss-Verwendung für das Medikament und unternimmt entsprechende Arznei-Tests. Auch einen Einsatz bei Schlafstörungen strebt er an.

Beitragserhöhung wg. Arznei-Preisen

Zum Jahreswechsel haben DAK, AOK & Co. ihre Zusatzbeiträge um durchschnittlich 2,9 Prozent erhöht. Neben Mehrkosten für die Krankenhaus-Versorgung geben die Krankenkassen als zweiten Grund für die Entscheidung die gestiegenen Medikamenten-Preise an. „[D]ie Arzneimittel-Ausgaben explodieren“, klagte Doris Pfeiffer, die Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbands der deutschen Krankenkassen in der Rheinischen Post

Im Jahr 2023 legten sie um 1,1 Milliarden auf 54 Milliarden Euro zu. 53 Prozent der Summe entfallen dabei auf patent-geschützte Präparate, obwohl diese nur einen kleinen Teil der Versorgung ausmachen. „Dort sind wir den Erpressungen der Pharma-Industrie ausgeliefert, die praktisch jeden Preis verlangen kann“, konstatiert Jens Baas von der „Techniker Krankenkasse“. So beliefen sich etwa die Kosten für eine Jahrestherapie mit BAYERs Lungenhochdruck-Präparat Adempas (Wirkstoff: Riociguat) auf mehr als 18.000 Euro.

Deal mit CYTOKINETICS

Einst galt Deutschland als Apotheke der Welt. Das ist aber schon lange her. Heute konzentrieren sich die Pharma-Konzerne auf wenige, besonders lukrative Indikationsgebiete. Bei BAYER blieben nur noch „Krebs“, „Herz/Kreislauf-Erkrankungen“, „Neurologie“, „seltene Krankheiten“ und „Immunologie“ übrig. Das Segment „Herz/Kreislauf-Erkrankungen“ stärkt der Leverkusener Multi jetzt durch einen Deal mit CYTOKINETICS. Er hat mit dem US-amerikanischen Biotech-Unternehmen einen Vertrag zur exklusiven Vermarktung des Wirkstoffs Aficamten in Japan abgeschlossen. 

Die Substanz ist zur Behandlung einer zumeist genetisch bedingten Herzmuskel-Erkrankung vorgesehen, der obstruktiven und nicht obstruktiven hypertrophen Kardiomyopatie (HCM). CYTOKINETICS hat einen Zulassungsantrag bei der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA gestellt und will das in Kürze auch bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA tun. 

AGRO & CHEMIE

HHPs: BAYER vs. PAN

Mitte Dezember 2024 hat das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) eine aktualisierte Liste der hochgefährlichen Pestizide vorgelegt. Zu diesen Highly Hazardous Pesticides (HHP) zählt es solche, die „akut extrem giftig sind, Krebs verursachen, die Fruchtbarkeit schädigen oder Kinder im Mutterleib schädigen können oder die unter Anwendungsbedingungen schwerwiegende Gesundheits- und Umweltschäden bewirken“. 

Unter den 358 Agro-Chemikalien, die diese Kriterien erfüllen, befinden sich auch viele BAYER-Produkte. Darum zeigte sich der Leverkusener Multi not amused. Er kritisiert die Form der Klassifizierung, die PAN wählte, als „eine dogmatische Herangehensweise“ und widerspricht „mit Nachdruck der Methodik hinter der so genannten Highly Hazardous Pesticides-Liste (HHP) von PAN“. Besonders Glyphosat möchte der Agro-Riese nicht als HHP bezeichnet wissen und wähnt sich dabei „von Zulassungsbehörden auf der ganzen Welt stark unterstützt“.

GENE & KLONE

Polen schlägt Gentech-Kompromiss vor

Mitte Juli 2023 hat die Europäische Union einen Vorschlag für eine neue Verordnung präsentiert, die das Ziel hat, den neuen genomischen Techniken (NGT) den Weg auf die Äcker zu erleichtern. Sie gab damit dem Lobby-Druck der Agro-Riesen nach, die „sehr aktiv“ (O-Ton BAYER) Lobby-Arbeit für die Deregulierungen gemacht haben. 

Künftig will die EU-Kommission Pflanzen, denen die Unternehmen mit Genscheren wie CRISPR/Cas oder TALEN keine Gene artfremder Organismen verpasst haben, wie in der Natur vorkommende oder mit Hilfe konventioneller Verfahren gezüchtete Gewächse behandeln und von Risiko-Prüfungen ausnehmen. In diese Kategorie NGT1 fallen über 90 Prozent der Schnippel-Produkte. Ein Copyright beanspruchen BAYER & Co. aber trotzdem, denn ausreichend Profite garantiert nur die Patentierbarkeit. Auch Kennzeichnungspflichten sollen entfallen, was den VerbraucherInnen die Wahlfreiheit im Supermarkt nehmen würde. Die Kategorie NGT2 gilt hingegen für solche Laborfrüchte, an denen die Konzerne mehr als 20-mal herumgeschraubt haben. Nur dafür möchte die Kommission noch die alten Gentechnik-Bestimmungen angewendet wissen (SWB 4/23). 

Allerdings hatte sich innerhalb der EU viel Widerstand gegen die Regelung erhoben. Eine qualifizierte Mehrheit dafür kam deshalb lange nicht zustande. Im Januar 2025 aber präsentierte Polen, das in der ersten Hälfte des Jahres 2025 die Ratspräsidentschaft innehat, einen Kompromiss-Vorschlag. Dieser widmete sich vor allem der besonders umstrittenen Patent-Frage und sah eine Informations- und Kennzeichnungspflicht für patentiertes oder zum Patent angemeldetes NGT1-Saatgut vor. Zudem gestand er den einzelnen Mitgliedsländern das Recht zu, den Anbau der Labor-Pflanzen zu verweigern (Opt-out). 

Gentech-kritische Initiativen übten Kritik. „[E]in schwacher Vorschlag“, befand etwa TESTBIOTECH. Das hinderte Polen aber nicht daran, ihn weiter abzuschwächen. In der Mitte Februar präsentierten Vorlage Nr. 3 blieb nur noch die Informationspflicht übrig. Die Kennzeichnungspflicht fiel ebenso weg wie die Opt-out-Möglichkeit. „Auch der dritte polnische Vorschlag löst die Patent-Problematik nicht, stattdessen ist er noch schwammiger geworden“, konstatierte die ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT. 

Trotzdem oder gerade deshalb hat er im Ausschuss der ständigen VertreterInnen der EU-Mitgliedsstaaten eine qualifizierte Mehrheit bekommen und muss jetzt nur die Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Kommission, Europäischem Rat und EU-Parlament überstehen.

Neues Patent-Gutachten

Die neuen genomischen Techniken (NGT), die mit Genscheren wie CRISPR/Cas oder TALEN operieren, haben für BAYER & Co. nur dann eine Geschäftsgrundlage, wenn sie auf die mit deren Hilfe entstandenen Pflanzen Patente erheben dürfen. Der „Deutsche Bauernverband“ und der „Bundesverband deutscher Pflanzenzüchter“ (BDP) fürchten sich vor solchen Schutzrechten. Sie sehen dadurch den uneingeschränkten Zugang zu biologischem Material und damit auch Züchtungsfortschritte massiv gefährdet. „Die Schutzsysteme für das geistige Eigentum in der Pflanzenzüchtung müssen in den Blick genommen und eine schnelle, rechtsverbindliche Lösung geschaffen werden, nach der biologisches Material, das auch in der Natur vorkommen oder entstehen könnte, nicht patentiert werden kann“, fordert BDP-Geschäftsführer Dr. Carl-Stephan Schäfer deshalb. Und Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied mahnt ebenfalls: „Es darf nicht zu Patenten auf Pflanzen kommen.“

Rückendeckung erhalten die beiden jetzt von einem neuen Rechtsgutachten, das der grüne Bundestagsabgeordnete Karl Bär bei Dr. Axel Metzger von der Berliner Humboldt-Universität in Auftrag gegeben hat. Demnach gibt das Europäische Patentabkommen der EU die Möglichkeit, patentierte NGT-Pflanzen von den geplanten Lockerungen wie dem Wegfall von Kennzeichnungspflicht und Risiko-Prüfungen (s. o.) auszunehmen.

WASSER, BODEN & LUFT

Wasserverschmutzung in Mexiko

Innerhalb einer 4.000 Quadratkilometer großen Industrie-Region in Mexiko, die sich über die Bundesstaaten Tlaxcala und Puebla erstreckt, gibt es eine Enklave namens Nueva Alemania bzw. New Germany. Dort befinden sich Ansiedlungen deutscher Multis mit Adressen wie Hamburgo, Munich oder Berlín. Mexikanische und internationale Initiativen machen diese Konzerne für die Verunreinigung des Atoyac-Flusses und viele weitere Umweltschäden verantwortlich. „Die Umweltverschmutzung durch transnationale Unternehmen wie Volkswagen, Bayer, Basf und ThYssen-Krupp hinterlässt ihre Spuren auf dem Land und in den Körpern der Menschen. Mehrere toxikologische Studien zeigen, dass in Gemeinden wie Villa Alta, Tepetitla, Santa Apolonia, Teacalco, Ixtacuixtla und San Rafael Tenanyécac die Zahl der Fälle von Krebs, Nierenversagen, Erbgut-Schäden, Bioakkumulation [die Anreicherung von Chemikalien im Körper] und Fehlgeburten viel höher ist als im nationalen Durchschnitt“, halten die Gruppen fest. 

Der Leverkusener Multi, der in Tlaxcala Antipilzmittel auf biologischer Basis für die Landwirtschaft herstellt, weist die Vorwürfe zurück. „[E]s werden vor Ort keine chemischen Produkte produziert“, erklärt der Konzern. Er würde sein Abwasser einer Vorbehandlung unterziehen, und die Behörden hätten bei ihren Inspektionen noch nie etwas zu beanstanden gehabt, so der Agro-Riese. „Der Standort erfüllt alle geltenden Vorschriften und die weltweiten internationalen Standards des Unternehmens“, hält der Global Player abschließend fest.

Enormer Wasserbedarf

Der Wasserbedarf des BAYER-Konzerns blieb mit 53 Millionen Kubikmetern auch im Jahr 2024 enorm hoch. Überdies stellt der Leverkusener Multi hohe Qualitätsansprüche und greift bevorzugt auf Grundwasser zu. 20,9 Millionen Kubikmeter entnahm er. Dazu kamen noch 9,6 Millionen Kubikmeter Oberflächen-Wasser und 3,4 Millionen Kubikmeter Trinkwasser. 

In früheren Nachhaltigkeitsberichten führte der Leverkusener Multi noch auf, wie viel Wasser er in Gebieten bezieht, die zu den wasserarmen Regionen zählen, 2023 waren das drei Millionen Kubikmeter, aber in der neuesten Ausgabe fehlen solche Angaben.

Den größten Durst hatte mit 44 Millionen Kubikmetern seine Agrar-Sparte. Die Pharma-Abteilung bezog sechs Millionen Kubikmeter und „Consumer Health“ zwei Millionen Kubikmeter. Die kostbare Ressource nutzt der Global Player hauptsächlich als Kühlwasser und zur Bewässerung von Versuchsfeldern. 

32 Millionen m3 Abwasser

Von den 53 Millionen Kubikmetern Wasser, die bei BAYER viele Nutzungen durchlaufen und dafür auch diverse Mal wieder aufbereitet werden, blieben 2024 32 Millionen Kubikmeter Abwasser übrig. 2023 waren es 33 Millionen Kubikmeter.

Mehr Schadstoff-Einleitungen

Die Schadstoff-Einleitungen BAYERs in die Gewässer erhöhten sich 2024 gegenüber dem Vorjahr durchgängig. So leitete der Konzern 430 Tonnen Phosphor ein (2023: 300 Tonnen). Auch die Belastungen mit Stickstoffen (390 Tonnen gegenüber 320 Tonnen), Schwermetallen (30 Tonnen gegenüber 26 Tonnen), gebundenen organischen Kohlenstoffen, sogenannte TOCs, (2.000 Tonnen gegenüber 1.500 Tonnen) und Anorganischen Salzen (175.900 Tonnen gegenüber 164.400 Tonnen) nahmen zu.

Nein zum Trainingszentrum

Der Trainingscampus von BAYER 04 Leverkusen muss dem Ausbau der Autobahn A1 weichen. Bereits seit Längerem sucht der Club deshalb einen neuen Standort. Ein Gelände in Langenfeld schied dabei eigentlich schon aus, weil es in einem 22 Hektar großen Wasserschutzgebiet liegt. Aber das Areal kam auf Wiedervorlage – als frischgebackener deutscher Fußballmeister hatte die Werkself gegenüber der Bezirksregierung als Genehmigungsbehörde nämlich einen besseren Stand. 

Das Ansinnen stieß jedoch auf Kritik. „Die gesamte Anlage – immerhin 13 Fußball-Plätze plus Internat plus sämtliche Anlagen, die zur Sache dazugehören, Parkplätze und Parkhäuser – alles steht direkt neben unseren Brunnen und fließt sofort unseren Brunnen zu“, gab der Langenfelder Bürgermeister Frank Schneider (CDU) zu bedenken. Und Rudolf Gärtner vom Verbandswasserwerk Langenfeld-Monheim hatte vor allem wegen der Risiken und Nebenwirkungen der Rasenpflege mit Dünger und Pestiziden Befürchtungen: „Das ist ein ehemaliges Rheinbett, hier sind Sande und Kiese unter der Oberfläche, und in diesen Sanden und Kiesen fließt eben Grundwasser sehr schnell. Insofern sind Schadstoffe, die von oben nach unten durchsickern, auch sehr schnell im Grundwasser drin.“ Der zusätzliche Wasserverbrauch durch ein Trainingsgelände an dieser Stelle macht ihm ebenfalls Sorgen. Schließlich stellte sich auch der Langenfelder Stadtrat mit einer Resolution gegen das Projekt.

Das machte auf die Bezirksregierung Düsseldorf offensichtlich Eindruck. Sie verweigerte dem Vorhaben die Genehmigung, weil es dadurch zu Verunreinigungen des Grundwassers kommen könnte. Der BAYER-Konzern erwägt nun, das Trainingszentrum in unmittelbarer Nähe seiner Monheimer Cropscience-Zentrale zu errichten.

Grünstrom-Deal mit CURRENTA

Beim selbsterzeugten Strom setzt BAYER immer noch hauptsächlich auf klimaschädliche fossile Energieträger. Nur beim zugekauften Strom tut sich ein bisschen etwas. So schloss der Konzern einen Vertrag mit den Wuppertaler Stadtwerken über die Belieferung der Standorte Darmstadt, Weimar, Bitterfeld, Bergkamen, Berlin und Wuppertal mit Wind- und Solarstrom in einem Umfang von 120 GWh ab (Ticker 4/24). Und eine entsprechende Vereinbarung mit der CURRENTA für Leverkusen, Dormagen und Monheim umfasst jetzt sogar 180 GWh.

STANDORTE & PRODUKTION

Neues Lager in Bergkamen

Die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg haben die Verwundbarkeit der Lieferketten von BAYER & Co. aufgezeigt. Die Global Player seien „Opfer ihrer eigenen Entscheidungen geworden, bei denen sie sich nur an Kosten-Effizienz orientierten“, konstatierte die „Stiftung Wissenschaft und Politik“ in ihrer Studie „Die neue Geopolitik der Lieferketten“. Deshalb steht seit geraumer Zeit „sicherer Handel“ und „Lieferketten-Souveränität“ auf der Tagesordnung. „Just-in-Case“ statt „Just-in-Time“ lautet die Devise. 

Also investieren die Konzerne in Vorratshaltung. Der Leverkusener Multi etwa errichtet zurzeit gemeinsam mit DHL SUPPLY CHAIN das „Kombinierte Lager Bergkamen“ für die dortige Arznei-Produktion sowie für diejenige in Wuppertal. 15.000 Qua-dratmeter für 25.000 Paletten mit festen und flüssigen Rohstoffen, Zwischenprodukten und Wirkstoffen stehen ab 2026 zur Verfügung. 

Aber DHL baut nicht nur mit, der Post-Tochter als „Kontraktlogistik-Dienstleister“ gehört das Ganze auch. „Im Rahmen eines Leasing-Modells wird BAYER das Lager nach dessen Fertigstellung mit eigenen Mitarbeitenden betreiben“, verlautet aus Leverkusen.

BAYER verkauft Kunst

Der BAYER-Konzern verkauft einen großen Teil seiner Kunstsammlung. Den Grundstein zu dieser hatte einst der Generaldirektor Carl Duisburg gelegt. Das Bilder-Reservoir galt ihm als Standortfaktor. Die Aussicht, am Arbeitsplatz Werke von berühmten KünstlerInnen hängen zu haben, sollte mit dazu beitragen, Fachkräfte in die eher schnöde Stadt zu locken. 

Aber in Zeiten von Homeoffice und Großraumbüros hat es die Kunst am Konzern schwer. „In den vergangenen Jahren hat sich die Art und Weise, wie und wo in Unternehmen gearbeitet wird, stark verändert“, sagt die Pressesprecherin des Auktionshauses, bei dem die Werke im Juni unter den Hammer kommen. 

Überdies üben viele der alten Schinken auf eine neue Generation von ManagerInnen keine große Anziehungskraft mehr aus. „Ein Stillleben von Max Beckmann wirkt heute nicht mehr mutig, überrascht nicht mehr“, so BAYERs Kunstbeauftragte Andrea Peters. Jetzt setzt der Agro-Riese auf junge Kunst für junge Beschäftigte und verlagert den Schwerpunkt seiner Kulturförderung ansonsten mehr auf die Musik und die darstellenden Künste. 

Der Schuldentilgung dient die ganze Sache aber nicht. Dafür bräuchte es Milliarden statt Millionen.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Stoffaustritt in Wuppertal

In BAYERs Wuppertaler Pharma-Forschungszentrum ereignete sich am 7. Februar 2025 ein Störfall. Eine Chemikalie trat aus. Drei Beschäftigte klagten daraufhin über Atembeschwerden, Schwindel und Kopfschmerzen; 13 weitere Personen „wurden vorsorglich beobachtet“, teilte der Konzern mit. Ansonsten wiegelte er wie gewohnt ab: „Es bestand zu keiner Zeit Gefahr für Anwohner und die Öffentlichkeit.“

Kesselalarm in Berkeley

Am BAYER-Sitz Berkeley kam es in der Nacht zum 9. Dezember 2024 wieder einmal zu Funktionsstörungen in einem Kessel zur Dampf-Erzeugung. Wie bereits am 28. März 2023 musste das Werk deshalb einen Sirenen-Alarm auslösen, der die Anwohner-Innen aufschreckte. Die Verantwortlichen beschwichtigten aber in der üblichen Manier: Es habe zu keiner Zeit ein Risiko für die Bevölkerung bestanden.

Die Pharma-Industrie nutzt Dampf unter anderem zur Sterilisation, zur Reinigung, zur Trocknung von Arzneien und zur Energieversorgung.

EU verwarnt Deutschland

Deutschland vernachlässigt es nach Meinung der EU, ausreichend Vorsorge zur Verhinderung von Störfällen in Industrie-Anlagen zu treffen. Trotz mehrfacher Aufforderungen hat die Politik die Seveso-Richtlinie von 2012 „zur Beherrschung schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen“ immer noch nicht vollständig umgesetzt. Mitte Dezember 2024 forderte Brüssel die Ampelkoalition deshalb nochmals auf, die nationalen Rechtsvorschriften „vollständig mit dem EU-Recht in Einklang zu bringen“ und machte Druck: „Andernfalls kann die Kommission beschließen, den Gerichtshof der Europäischen Union anzurufen.“ 

An der Verschleppung haben auch BAYER & Co. einen Anteil. So meldete der „Verband der Chemischen Industrie“ etwa noch Gesprächsbedarf bei der von der Bundesregierung avisierten Art der Umsetzung des Artikels 15 der Richtlinie an, der bei der Ansiedlung neuer Betriebe oder größerer Umbauten öffentliche Konsultationen und eine Öffentlichkeitsbeteiligung am Entscheidungsverfahren vorsieht. Als „zu bürokratisch und nicht angemessen“ beurteilt der VCI die vorgesehenen Maßnahmen und befindet: „Das deutsche Planungs- und Genehmigungsrecht mit den Vorgaben zur Öffentlichkeitsbeteiligung hat sich bewährt.“

RECHT & UNBILLIG

Rechtsgutachten zu Patenten

BAYER & Co. melden immer mehr Patente selbst auf solche Pflanzen an, die nicht mit Hilfe der Gentechnik, sondern mittels konventioneller Verfahren entstanden sind. So erhielt der Leverkusener Multi jüngst das Schutzrecht für einen Brokkoli, der durch eine Kreuzung mit einer wilden Art aus Sizilien entstand und dadurch mehr gesundheitsfördernde Bitterstoffe enthält (Ticker 1/24). 

Solche Patente schränken ZüchterInnen massiv ein. Sie müssen aufwendig prüfen, ob sie eventuell das Copyright der Großkonzerne verletzen und allzu oft auch teure Lizenzen erwerben, wenn sie ihre Arbeit fortsetzen wollen. Die Politik hat aber die Möglichkeit, ihren Status zu stärken. Das zeigt ein Rechtsgutachten, das der grüne Bundestagsabgeordnete Karl Bär bei Dr. Axel Metzger von der Berliner Humboldt-Universität in Auftrag gegeben hat (siehe auch GENE & KLONE). Die EU kann beispielsweise die europäische Biopatent-Richtlinie ändern und Patente auf Gene oder Eigenschaften, die in der Natur vorkommen, verbieten oder festlegen, dass die Schutzrechte nur für das Verfahren, nicht aber für die Eigenschaft selbst gelten. Zudem hätten die nationalen Parlamente und Gerichte Metzger zufolge das Recht, die Preise für Lizenz-Gebühren festzulegen.

Rechtsgutachten zur NGT-Haftung

Die EU-Kommission plant, die Auflagen für die neuen genomischen Techniken (NGT) zu senken. Sie will Pflanzen, denen BAYER & Co. mit Genscheren wie CRISPR/Cas oder TALEN keine Gene artfremder Organismen verpasst haben, wie in der Natur vorkommende oder mit Hilfe konventioneller Verfahren gezüchtete Gewächse behandeln und von Risiko-Prüfungen und Kennzeichnungspflichten ausnehmen (siehe GENE & KLONE). Das Haftungsrisiko hätten dann die Lebensmittel-Hersteller zu tragen, wie ein vom „Verband Lebensmittel ohne Gentechnik“ bei der Kanzlei GGSC in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten ergab. 

„Die Gentechnik-Pläne der EU-Kommission sind nicht etwa ‚wirtschaftsfreundlich‘, wie oft behauptet, In Wahrheit verschiebt die Kommission Kosten und Risiken höchst unfair von einem Wirtschaftsbereich auf einen anderen. Das ist völlig untragbar und kann zu einem großen Problem für die gesamte EU-Lebensmittelbranche, nicht nur den Bio- und den ‚Ohne Gentechnik‘-Sektor werden“, konstatiert der GGSC-Jurist Dr. Georg Buchholz.

DUH-Klage in Sachen „Flufenacet“

Der Pestizid-Wirkstoff Flufenacet, der unter anderem in den BAYER-Produkten ARTIST, ASPECT, BAKATA und BANDUR FORTE enthalten ist, hat es in sich. Das Ackergift, das im Jahr 2023 mit 683 Tonnen zu den meistverkauftesten Mitteln in Deutschland zählte, gehört zu den hormonschädigenden Substanzen, den sogenannten Endokrinen Disruptoren (EDC). Zudem entsteht bei seiner Zersetzung der PFAS-Stoff Trifluoressigsäure (TFA) als Metabolit. Und das ist nicht nur ein PFAS, sondern das PFAS. In fast jedem Gewässer findet sich diese Ewigkeitschemikalie. „Derzeit sind die TFA-Konzentrationen um Größenordnungen höher als die von anderen PFAS – und um Größenordnungen höher als die von anderen Pestiziden und Pestizid-Metaboliten“, konstatieren Hans Peter H. Arp und seine MitautorInnen in der Studie „The Global Threat from the irreversible Accumulation of Trifluoroacetic Acid (TFA)“. Der Leverkusener Multi selbst hat die Trifluoressigsäure bei der von der Chemikalien-Verordnung REACH vorgeschriebenen Gefahrenbewertung als „vermutlich reproduktionstoxisch beim Menschen“ bezeichnet. Öffentlich aber behauptet er, „dass es keine Hinweise auf ein Risiko für die menschliche Gesundheit oder für die Umwelt gibt“. 

Nicht umsonst hat das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) im Oktober 2024 den Widerruf der Zulassung von Flufenacet angekündigt. Im März 2025 zog die EU nach.

Geschehen ist hierzulande allerdings noch nichts. Deshalb zog die DEUTSCHE UMWELTHILFE jetzt vor Gericht. Zudem erreichte sie eine Beiladung zu dem Eilrechtsschutz-Verfahren, mit dem BAYER sich gegen ein vorzeitiges Flufenacet-Aus wappnen will.  „Es ist ein Skandal, dass das BVL nach der Ankündigung im Herbst zum Widerruf sämtlicher Flufenacet-Zulassungen einfach untätig bleibt (…) Einmal mehr zeigt sich, wie die Interessen der Pestizid-Konzerne über den Schutz der Bürgerinnen und Bürger gestellt werden“, so DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch zur Begründung der Klage. 

BAYER klagt in Sachen „XARELTO“

Das Patent für BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO lief im April 2024 aus und damit auch die Lizenz zum Gelddrucken: Allein im Jahr 2023 sorgte die Arznei für einen Umsatz von über vier Milliarden Euro. Für einige Dosierungsarten gelang es dem Leverkusener Multi mit Hilfe seiner WinkeladvokatInnen allerdings, eine Verlängerung der Schutzrechte durchzusetzen. Nicht jedoch für XARELTO in Kapselform. 

Trotzdem klagte der Pharma-Riese gegen eine Listung dieser Darreichungsart in der Datenbank der „Informationsstelle für Arznei-Spezifitäten“ (IFA), ohne die kein Unternehmen ein Nachahmer-Präparat mit dem gleichen Wirkstoff auf den Markt bringen darf. Das hatte zunächst auch Erfolg. Aber im Dezember 2024 hob das Bayerische Oberlandesgericht das Urteil des Landesgerichts München auf und erklärte die vom Global Player erwirkte einstweilige Verfügung für ungültig. 

Daneben laufen mehrere gerichtliche Auseinandersetzungen mit Firmen, die Generika-Versionen von XARELTO anbieten wollen. Gegen STADA und ALIUD erwirkte der Leverkusener Multi einstweilige Verfügungen, die ein Münchner Gericht im Februar 2025 bestätigte. Gegen ZENTIVA und GLENMARK kam er damit vorerst auch durch. Weitere Prozesse finden im europäischen Ausland statt. In Österreich, den Niederlanden, Schweden und Belgien endeten sie zugunsten von BAYER, in England und Österreich verlor der Konzern. Aber endgültige Urteile ergingen bisher noch nicht.

Glyphosat-Klage in Australien

Glyphosat steht schon lange im Verdacht, das Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) – eine bestimmte Form des Lungenkrebses – zu verursachen. Ein Gericht in Australien entschied jedoch im Fall „McNickle“, dass die wissenschaftlichen Datenlage keinen Zusammenhang zwischen Glyphosat-Einsatz und NHL belege. In der Folge dieser Entscheidung gab auch der Kläger im Fall „Fenton“ auf und stellte einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens gegen die BAYER-Tochter MONSANTO, dem das Gericht zustimmte. Damit fand das letzte offene australische Verfahren in Sachen „Glyphosat“, das dort unter dem Markennamen „Roundup“ vertrieben wird, sein Ende. Das verwundert nicht groß. Im Vergleich mit den USA gelten die australischen Gerichte als, vorsichtig ausgedrückt, zögerlicher, wenn es darum geht, Multis zu verurteilen.

Börsenfreude über Verurteilung

BAYER wurde Mitte Januar 2025 von einem US-amerikanischen Gericht zur Zahlung von 100 Millionen Dollar Schadenersatz wegen der Folgen von PCB verurteilt – eine Chemikalie, die unter anderem von der jetzigen BAYER-Tochter Monsanto produziert und bis in die 1980er Jahre massenhaft in Gebäuden, Isoliermassen, Kondensatoren von Lampen und vielem mehr verbaut wurde. PCBs zählen dabei zum „Dreckigen Dutzend“, einer Gruppe von besonders gefährlichen Stoffen und verursachen vor allem Schäden im Nervensystem, aber auch weitere Folgekrankheiten. 

Ironischerweise sorgt die Verurteilung von BAYER jedoch für Freude bei den AktionärInnen. Der Wert der Aktie steigt – ganz anders, als es bei vormaligen Verurteilungen gelaufen ist. Der Grund dafür ist so zynisch wie einfach: Mit dem Urteil wurden die Ansprüche von elf weiteren KlägerInnen abgewiesen, was andere Geschädigte davon abhalten könnte, ihr Recht zu suchen.

Von den ursprünglich in Rede stehenden vier Milliarden Dollar Schadenersatz blieben jetzt nur noch 100 Millionen, und davon bekommen die Betroffenen nur 25 Millionen. Bei dem Rest handelt es sich um Strafzahlungen, die an den Bundesstaat Washington gehen. Dessen Recht, diese sogenannten punitive damages zu erheben, zweifelt der Leverkusener Multi jedoch gerade juristisch vor dem Obersten Gerichtshof des Bundesstaates an. Gewänne der Konzern, müsste er bei verlorenen Glyphosat-Prozessen künftig viel weniger zahlen. 

Bisher kamen dem Global Player seine gefährlichen Stoffe nämlich bereits öfter teuer zu stehen: So endeten die Verfahren von 2.500 Kommunen in den USA wegen Gewässerverunreinigungen durch PCB mit einem 650 Mio. US-Dollar teuren Vergleich. Seattle selbst machte diesen Vergleich 2022 nicht mit und erhielt 2024 nochmal 160 Millionen US-Dollar im Kampf gegen die PCB-Verunreinigung. Und auch Sammelklagen wie die des Sky Valley Education Center (im Umkreis von Seattle) endeten mit Zahlungen von mehreren hundert Millionen. 

Die Rechtsstreitigkeiten um die MONSANTO-Altlasten sorgen also für erhebliche Verunsicherungen an den Börsen. Es bleibt einstweilen abzuwarten, ob sich die BAYER-AktionärInnen sich über die jüngste Entscheidung nicht vielleicht zu früh gefreut haben. 

Eine gute Wahl für BAYER

CBG Redaktion

Eine Große Koalition für die Konzerne

Die Regierung wechselt, die Ziele bleiben gleich: Es geht auch nach der Wahl in der deutschen Politik vor allem um Wirtschaftsinteressen und deren für die Großindustrie bestmögliche Durchsetzung in Zeiten des angespannten internationalen Kräfteverhältnisses. IndustrievertreterInnen schreiben bereits einen Wunschzettel nach dem anderen an die neue Regierung – und da ist auch BAYER nicht weit. 

Von Bernd Tabuch

Die äußerst unpopuläre Ampel-Regierung wurde im Rahmen der vorgezogenen Bundestagswahlen ordentlich abgestraft, klare Wahlgewinner sind (überraschenderweise) DIE LINKE und (unüberraschender- und bedauerlicherweise) die CDU und die AfD. Die Zeichen stehen deutlich auf „Große Koalition“; ein großer Politikwechsel wird wohl ausbleiben. Das kommt einigen Damen und Herren aber ausgesprochen gelegen, die schon fleißig dabei sind, ihre Wunschzettel an die kommende Regierung zu verfassen. Die Rede ist natürlich von den VertreterInnen der Wirtschaftsinteressen, die unter Überschriften wie „Ein neues Betriebssystem für Deutschland“ ein „Programm für die neue Zeit“ entwerfen wollen. Dieser FAZ-Artikel z. b., in dem „wettbewerbsfähige Energiepreise“, „Sicherheit stärken – strategisch und europäisch“ oder „Unternehmenssteuern senken, Investitionen erleichtern“ gefordert wird, stammt vom SIEMENS-Chef Roland Busch.

Damit haben Busch und Konsorten bei Friedrich Merz, dem Kanzler in spe, gute Karten. Den vielbeschriebenen „Drehtüreffekt“ verkörpernd, war er nicht nur Aufsichtsratschef des deutschen BLACKROCK-Ablegers, sondern auch Unternehmensanwalt bei der Kanzlei „Mayer Brown“. „Merz nutzte seine engen Kontakte zur deutschen Wirtschaft, um Mandanten zu gewinnen: Er managte bedeutende Klienten, vor allem DAX-Konzerne“, sagt sein früherer Kollege John. P. Schmitz, den der designierte Kanzler einst bei einem Dinner der BAYER AG kennengelernt hatte. Hauptsächlich küm-merte Friedrich Merz sich allerdings um die rechtlichen Angelegenheiten des Chemie-Multis BASF, der „Mayer Brown“ immer noch die Treue hält. Aktuell arbeiten die JuristInnen für ihn in Brüssel daran, ein PFAS-Verbot abzuwenden.

Obwohl BASF und BAYER auf einigen Gebieten in Konkurrenz zueinanderstehen, verfolgen sie als Kapitalfraktion in der Bundesrepublik doch gleiche Interessen, die wiederum mit denen der Hightech-Industrien Überschneidungen aufweisen, besonders in der Frage der Energiepreise. Da hört es aber längst nicht auf. So nutzte die Arbeit„geber“-Bundesvereinigung BDA, der auch BAYER angehört, ebenfalls die FAZ, um ihre Begehrlichkeiten zu adressieren. Eine Senkung der Sozialbeiträge mahnte die Vereinigung an. Das klingt erst mal positiv, die Unterüberschrift jedoch zeigt schon an, wohin es gehen soll: „Länger arbeiten und eine effizient gesteuerte Gesundheitsversorgung“. Oder, noch konkreter: „höheres Renteneintrittsalter und geringere jährliche Rentenerhöhungen; zugleich Einschränkungen der freien Arztwahl für gesetzlich Krankenversicherte, jedenfalls im Standardtarif.“ Davon erhofft die BDA sich eine Senkung der „Lohnnebenkosten“, also des Sozialbeitrags, den die Konzerne zu zahlen haben. 

Auch in Sachen „Gesundheitssystem“ hört Merz die Signale der Industrie. So trat er zuletzt dafür ein, die Höhe der Krankenkassen-Beiträge an die Nutzung der elektronischen Patientenakten zu koppeln. Auf diese Weise möchte er für ihre flächendeckende Verbreitung sorgen und ihren Wert für BAYER & Co. steigern, die es gar nicht abwarten können, die „Daten-Schätze“ zu heben.

Trotz der Möglichkeit, derartige Wunschlisten zu schreiben, spricht der Präsident des „Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Peter Leibinger, von „miserabler“ Stimmung im Land. Darum rief er auch Ende Januar zu „Demonstrationen“ für die Wirtschaft auf. Dieser „Wirtschaftswarntag“, bei denen die deutsche Kapitalseite vor allem für niedrigere Energiepreise und „Bürokratie-Abbau“ demonstrierte, ist eine eigenartige Form von Demonstration – als hätte die Ampel nicht schon vorzugsweise im Sinne der Industrie regiert. Da sich jedoch die liberalen Integrationsmechanismen der Ampel abzunutzen scheinen, schlägt der BDI nun einen anderen Ton an. Fordernder ist er und eindeutiger in der Begründung: Niedrigere Energiepreise heißt staatliche Zuschüsse auf die Preise der Energiemonopolisten. Daran haben vor allem BASF, BAYER und andere Firmen aus der energie-intensiven Chemiebranche, aber auch die Unternehmen aus der deutschen Leitindustrie, dem Automobilsektor, ein massives Interesse. 

Konkret äußert sich Heike Prinz, Personalvorständin der BAYER-AG, im Interview mit der Rheinischen Post dazu – und belässt es nicht dabei: „Die Energiekosten müssen runter, Genehmigungsverfahren müssen schnell werden, die Infrastruktur muss saniert und das Bildungssystem muss besser werden. Die neue Regierung steht vor großen Aufgaben.“ 

Darum verlangt EVONIK-Chef Christian Kullmann auch frank und frei ein „Sofortprogramm für die ersten 100 Tage“ – hier steht ebenfalls wieder der Industriestrompreis im Mittelpunkt, denn: „Ein Blick auf die chemische Industrie zeigt einen Abschwung, der in seiner Tiefe und Dauer beispiellos ist.“ Subventionen für „Kohlenstoff-Management“-Verfahren – vorgeblich der Umwelt zuliebe – hätte der Manager, der auch der unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier stehenden und von der Fritz-Thyssen-Stiftung unterstützten „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ angehört, ebenfalls gerne. Zur Begründung seiner Ansprüche bemüht Kullmann sich redlich, die Chemieindustrie ins rechte Licht zu rücken, und stellt sie als „Grundlage für Deutschlands wirtschaftliche Stärke“ dar.

Monolithisch ist die Kapitalseite in ihrer Bewertung einer zu erwartenden CDU-Regierung jedoch nicht. So äußern einige ManagerInnen Befürchtungen, dass Merz` harter Kurs gegenüber der Volksrepublik China den wichtigen Handelspartner vergraulen könnte. Entsprechend kurz angebunden gab sich die „deutsche Handelskammer“ in Beijing zur Wahl. Sie sprach lediglich davon, dass nun eine größere Klarheit des Wahlergebnisses abzusehen sei, was sie erfreue. Im Interesse der deutschen Chemie-Industrie wäre ein solcher Wechsel in der Außenwirtschaftspolitik nicht. Sie hat im Reich der Mitte fast ebenso hohe Investitionen getätigt wie VW & Co. ManagerInnen von BAYER und BASF durften deshalb noch auf keiner KanzlerInnen-Reise nach Peking fehlen.

Zur Amtseinführung von Donald Trump reiste BAYER-Chef Bill Anderson dagegen alleine. Aus der Riege seiner deutschen KollegInnen mochte ihn keine/r begleiten, und PolitikerInnen auch nicht. Aber der Leverkusener Multi setzt auf ihn (siehe S. 22 f.). Die CDU macht sich mittlerweile allerdings schon Gedanken über eine Verbesserung der Beziehungen zu dem großen Bruder. „Ideal wäre, wenn sich die 30 oder 50 Manager aus Deutschland, die beste Kontakte in die USA haben, miteinander und mit der Politik abstimmen würden. Die Initiative dazu sollte von der Politik, am besten dem Kanzleramt ausgehen“, so äußerte sich Jens Spahn. Und an Trump-Landsmann Bill Anderson dürfte der Ex-Gesundheitsminister, der in der kommenden Regierung vielleicht eine wichtige Rolle spielen wird, nicht als letztes gedacht haben. 

Insgesamt scheint es da nicht zu schaden, dass die ehemalige grüne Baerbock-Referentin Britta Jacobs, die 2023 zu BAYER wechselte und den Konzern bis September 2024 unter anderem zu Fragen der Chinapolitik und geopolitischen Entwicklungen beriet, nicht in den Bundestag gekommen ist. PolitikerInnen zur Durchsetzung der Interessen von BAYER & Co. wie sie scheint es in diesem Land genug zu geben. Im vom Webportal Telepolis veröffentlichten Sondierungspapier von CDU und SPD heißt es unter anderem: „Es wird ein Sondervermögen Infrastruktur Bund/Länder/Kommunen geschaffen, das mit einem Volumen von 500 Milliarden Euro ausgestattet wird und eine Laufzeit von 10 Jahren hat. […] Dies umfasst insbesondere Zivil- und Bevölkerungsschutz, Verkehrs- Infrastruktur, Krankenhaus-Investitionen, Investitionen in die Energieinfrastruktur, in die Bildungs-, Betreuungs- und Wissenschaftsinfrastruktur, in Forschung und Entwicklung und Digitalisierung.“ 

Die Forderungen nach einem Industriestrompreis, „Bürokratie-Abbau“ und Freihandel haben die GroßkoalitionärInnen natürlich ebenfalls aufgenommen. Die Chemie darf sich also trotz der Kriegskredite in Milliarden-Höhe auf einiges an Geschenken freuen. Zahlen dürfen das dann andere. ⎜

Die v-Fluence-Leaks

CBG Redaktion

Bespitzelung von AktivistInnen

Das Public-Relations-Unternehmen v-Fluence sammelte Daten über konzernkritische AktivistInnen, WissenschaftlerInnen und InfluencerInnen. Darüber hinaus organisierte es eine Plattform für gemeinschaftliche Angriffe der Chemielobby auf Konferenzen und weitere Veranstaltungen, die Kritik an den Geschäftspraktiken von BAYER & Co. äußerten. Nun wurden durch die beiden Webportale The New Lede und Lighthouse Reports eine ganze Reihe von Dokumenten geleakt. Was steht drin, und wo hat BAYER seine Hände mit im Spiel? 

Von Bernd Tabuch

„Wir werden fast immer als die Bösewichter in solchen Szenarios dargestellt“, so zitiert die britische Zeitung The Guardian Jay Byrne aus einer Rede, die er 2016 auf einer Industriekonferenz gehalten hat. Leicht hat es der ehemalige Clinton-Vertraute und MONSANTO-Kommunikationschef dieser Tage tatsächlich nicht: Das von ihm gegründete „Public relations“-Unternehmen V-FLUENCE sieht sich harter Kritik ausgesetzt. Grund dafür sind geleakte E-Mails und Dokumente, die beweisen, dass durch V-FLUENCE und das von der Firma gegründete Social Network „Bonus Eventus“ (Latein für „glücklicher Ausgang“) Informationen über Aktivist-Innen der konzernkritischen Bewegung, UN-MitarbeiterInnen und viele mehr gesammelt und Mitgliedern zugänglich gemacht wurden. Die Nachrichtendienst-Leistungen umfassten beispielsweise Details zu Ehe und Familie, Privatadressen, Telefonnummern und Hobbys. Doch nicht nur das – über das Netzwerk wurden auch gemeinsame Strategien für die „Öffentlichkeitsarbeit“ entwickelt. 

Zu den Mitgliedern des Netzwerks zählten US-RegierungsmitarbeiterInnen, ManagerInnen agrochemischer Großkonzerne und LobbyistInnen. Der Guardian geht von über 1.000 Mitgliedern aus. Die The New Lede-Journalistin Carey Gillam, die federführend an der Enthüllung der Vorgänge rund um V-FLUENCE beteiligt war, bestätigte auf Nachfrage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, dass sich auch mehrere BAYER-ManagerInnen auf der Verteilerlliste von „Bonus Eventus“ befunden haben. Ein Artikel zu den Enthüllungen fasste das Vorgehen von V-FLUENCE wie folgt zusammen: „Das Profiling war Teil des Versuchs, Pestizidgefahren runterzuspielen, GegnerInnen zu diskreditieren und das internationale Vertragswesen zu unterlaufen […]“. 

Zudem bahnte V-FLUENCE für die Branche Kontakte mit der Politik an. So organisierte die Firma etwa eine Zusammenkunft von BAYER- und SYNGENTA-RepräsentantInnen sowie anderen Branchen-VertreterInnen mit US-amerikanischen Handelsbeauftragten, „um die Pestizid-Handelspolitik für das Jahr 2018 zu erörtern“. 

Tatort Nairobi

Ein besonders reges Interesse hegte V-FLUENCE offensichtlich für Afrika, wo die Agentur vermittels des USAid-Programms unter dem Vorwand der Entwicklungshilfe kräftig die Werbetrommel für die Pestizidproduzenten zu rühren versuchte. Jedoch ist der gesamte Kontinent nicht nur politisch tief gespalten, sondern auch teilweise dem Zugriff der westlichen Agro-Riesen entzogen, wodurch sich die Ausdrucksformen der Einflussnahme deutlich verschärften. Als 2019 eine Konferenz des „World Food Preservation Center“ in Kenia anberaumt war, gingen deshalb bei „Bonus Eventus“ die Alarmglocken an. So warnte Margaret Karembu, Chefin der afrikanischen Sektion der Gentech-Organisation „International Service for the Acquisition of Agri-biotech Applications“ über das Netzwerk, auf dieser Konferenz würden Gilles-Éric Seralini und Hans Herren sprechen, bekannt durch seine Glyphosat-Studien der eine, als Mitgründer des MONSANTO-Tribunals der andere.

Zu den EmpfängerInnen der Mail gehörten neben Beschäftigten des US-Departments für Landwirtschaft auch die BAYER-ManagerInnen Godwin Lemgo, der inzwischen bei der „Bill and Melinda Gates Foundation“ angeheuert hat, und Jimmy Kiberu, BAYERs Mann in Kenia. Kiberu teilte die Einschätzung Karembus und mahnte: „Obgleich wir vielleicht nicht ihre langfristigen Pläne und Strategien kennen, dürfen wir nicht ihre Fähigkeit unterschätzen, Unruhe zu stiften und Zweifel zu säen, was in diesen schwierigen Zeiten Auswirkungen auf einflussreiche Personen und die Politik haben könnte.“ Darum schlug er umgehend ein Treffen zur Planung von Gegenstrategien vor. 

Kurz darauf zogen sich zahlreiche SponsorInnen wie z. B. Afrikanische Entwicklungsbank aus der Organisation der Konferenz zurück, worüber auch Byrne eifrig in seinem Netzwerk „informierte“. Er bestritt jedoch jegliche Einmischung in diese Entwicklung. Das US-Departement für Landwirtschaft und USAid enthielten sich jeweils einer Stellungnahme. Der veröffentlichte Mailverkehr beweist dennoch mindestens, dass sich hier Funktionär-Innen der Agroriesen und ihrer Interessensvertretungen mit US-Regierungsbehörden absprachen und offensichtlich mindestens teilweise in der ein oder anderen Form gegen die Konferenz aktiv wurden. Auch die Lighthouse Reports schildern dieses Vorgehen: „Wir erhielten einen Hinweis, dass die US-Regierung in einen Versuch involviert sei, eine wissenschaftliche Konferenz in Nairobi, Kenia, zu sabotieren, die nachhaltige Lösungen für Pestizidprobleme vorstellen sollte.“ Die Diskreditierung von Seralini und Herren als „unwissenschaftliche“ WissenschaftlerInnen, die in den Mails betrieben wird, gemahnt außerdem an die von MONSANTO initiierte Kampagne gegen Seralinis Studien zu Genmais.

Der MONSANTO-Vertrag

Gleichfalls interessant sind die geleakten Details aus dem 2014 geschlossenen Vertrag zwischen V-FLUENCE und dem seit 2018 zu BAYER gehörendem MONSANTO-Konzern. Sie vermitteln nämlich einen plastischen Eindruck davon, wie Unternehmen versuchen, sich in der Öffentlichkeit ein positiveres Image zu geben. So heißt es wörtlich im Anhang I des Vertrags unter dem Titel „Work Plan“: „V-FLUENCE wird mit bestehenden akademischen und verwandten NGO-Netzwerken zusammenarbeiten, um ein hochrangiges, glaubwürdiges akademisches öffentliches Engagement in wissenschaftlichen Fragen zu fördern, um ein besseres Verständnis für die Landwirtschaft und genetisch veränderte (transgene) Nutzpflanzen zu erreichen.“ Auch Kommunikationstrainings standen auf dem Programm, um eine „effektive Zusammenarbeit mit der Presse, bei öffentlichen Veranstaltungen und über soziale Medienkanäle zu fördern“. So wollte die Agentur MONSANTO schließlich „ermöglichen, sich in den entsprechenden öffentlichen Dialogen stärker zu engagieren, sichtbar zu werden und Einfluss zu nehmen“.

So offen kann mensch das beschreiben. Was hinter diesen Maßnahmen zur Kommunikationsförderung steckt, dürfte niemanden überraschen. V-Fluence tritt hier als bevorzugtes PR-Unternehmen der Agrochemie auf. Das lässt sich offensichtlich auch die US-amerikanische „Entwicklungshilfe“ einiges kosten – über 400.000 US-Dollar flossen zwischen 2013 und 2019 an die „Public-Relations“-ExpertInnen von V-FLUENCE. Darunter lief natürlich nicht nur reine Öffentlichkeitsarbeit, sondern eben auch die gezielte Desinformation über Risiken von Pestiziden und Gentechniken, wie aus den Recherchen von Lighthouse Reports hervorgeht. 

Bei ihren Nachrichtendienstleistungen könnten Byrne & Co. auch die allgemeinen Datenschutzrichtlinien der EU verletzt haben – V-FLUENCE beauftragte zuletzt eine Anwaltskanzlei, um sich hier rechtlich abzusichern. Für Wendy Wagner, Professorin für Rechtswissenschaften an der Universität von Texas, stellen sich durchaus juristische Fragen. „Ich bin mit der von Unternehmen initiierten Schikanierung von Wissenschaftlern, die unliebsame Forschungsergebnisse vorlegen, durchaus vertraut, und manchmal werden dabei auch persönliche Informationen über die Wissenschaftler ausgegraben, um ihre Arbeit weniger glaubwürdig erscheinen zu lassen“, sagte Wagner. „Aber ich bin noch nicht auf die Verwendung größerer Datenbanken gestoßen, in denen persönliche Daten von zahlreichen Kritikern eines Unternehmens (einschließlich unabhängiger Wissenschaftler und Journalisten) gespeichert werden. Es ist schwer, die Relevanz von persönlichen Details zu erkennen, wenn sie nicht zur Schikanierung verwendet werden.“

Die MONSANTO-Listen

In Europa wurde so etwas aber schon aktenkundig, im Jahr 2019, und wieder war MONSANTO mit dabei. Die sogenannten MONSANTO-Listen machten Schlagzeilen. Die PR-Agentur FLEISHMAN HILLARD hatte für das US-Unternehmen im Vorfeld der für 2017 anstehenden Entscheidung der EU über eine Zulassungsverlängerung für Glyphosat eine ausführliche Kartierung der politischen Landschaften der Mitgliedsstaaten erstellt. Allein zu Frankreich legte die Agentur ein Dossier mit Namen von 200 JournalistInnen, PolitikerInnen, Verbands- und NGO-VertreterInnen sowie WissenschaftlerInnen mitsamt Kontakt-Daten und Hobbys für ihren Auftraggeber an. Minutiös verzeichnete sie die Haltung der Betreffenden zu Themen wie „Landwirtschaft“, „Ernährung“, „Gentechnik“, „Umwelt“, „Gesundheit“ und „Pestizide“. Die Glaubwürdigkeit der Personen, ihren Einfluss und ihre Haltung zu MONSANTO bewertete FLEISHMAN dabei mit Noten von „0“ bis „5“. Diese detaillierten Profile dienten dann als Ansatzpunkte, um passgenau „Vertrauen zu MONSANTO aufzubauen“. 

Der Leverkusener Multi entschuldigte sich damals bei den Betroffenen und erklärte: „Dies ist nicht die Art, wie BAYER den Dialog mit unterschiedlichen Interessensgruppen und der Gesellschaft suchen würde.“ Offenbar aber doch, wie jetzt der V-FLUENCE-Skandal zeigt.

Die Firma will jetzt ihre Richtlinien ein bisschen überarbeiten, „um künftige Fehlinterpretationen unseres Arbeitsprodukts zu vermeiden.“ Darüber hinaus hat sie das Profiling eingestellt und zudem ihre Mitglieder vor den investigativen Recherchen gewarnt, die rund um das bedenkliche Netzwerk stattfinden. Auch Stellen musste der Nachrichtendienstleister streichen. Schuld auch hier wieder, so Byrne, die AktivistInnen, die „ (…) unsere MitarbeiterInnen, PartnerInnen und KlientInnen mit Drohungen und Falschdarstellungen“ belästigten. So uneinsichtig gibt sich der v-FLUENCE-Chef ebenfalls bezüglich der Offenlegungen. Er spricht von einer „Schmierkampagne“ und „Falschdarstel-lungen“, die von „keinen Fakten oder Beweisen“ gestützt seien. Einige tausend Seiten Dokumente sprechen da jedenfalls eine andere Sprache.  ⎜ 

BAYERs prekäre Lieferketten

CBG Redaktion

Kinderarbeit, Arbeitsschutz-Mängel, Umweltschädigungen

BAYERs Lieferketten-Bericht offenbart ein Bild des Schreckens. Zahlreiche Meldungen über Verstöße gegen Menschenrechte sowie Sozial- und Umweltstandards führt er auf. Aber politischen Druck in der Causa muss der Konzern weniger denn je fürchten. Brüssel will die europäische Lieferketten-Richtlinie aushöhlen, und die CDU hat in ihrem Wahlprogramm angekündigt: „Das deutsche Lieferketten-Gesetz schaffen wir ab.“

Von Jan Pehrke

Kinderarbeit, Behinderung gewerkschaftlicher Tätigkeit, Arbeitsschutz-Verletzungen, gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen, Lohnraub, Diskriminierung am Arbeitsplatz, Umweltschädigungen – die Liste der Vergehen bei den Lieferanten von BAYER umfasst eine Fülle unterschiedlicher Tatbestände und ist lang. Zahlreiche Meldungen über Verletzungen von Menschenrechten sowie Sozial- und Umweltbestimmungen erhielt der Konzern. 

61 Beschwerden über die Missachtung von Arbeitsschutz und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren betrafen Zulieferer und 64 galten seinem eigenen Geschäftsbereich. Das geht aus dem vom deutschen Lieferkettensorgfaltspflichten-Gesetz vorgeschriebenen Bericht des Agro-Riesen für das Jahr 2023 hervor, der Antworten auf einen umfangreichen Fragenkatalog enthält. 

Insgesamt registrierte BAYER 1.345 Meldungen. Kein anderes Unternehmen wartet mit einer so hohen Zahl auf. Adidas etwa führt „nur“ 207 an, SAP 142, VW 104, BASF vier und Siemens drei. Das dürfte allerdings weniger an deren saubereren Lieferketten als vielmehr an unsaubererer Berichterstattung liegen. So erklärte Lothar Harings von der Kanzlei Graf von Westfalen, der die vorliegenden Reports untersucht hat, gegenüber dem Handelsblatt: „Unsere Analyse zeigt ganz klar, dass die Unternehmen ‚menschenrechtliches oder umweltrechtliches Risiko‘ unterschiedlich auslegen.“

Kinderarbeit

Der BAYER-Konzern hat offensichtlich genauer hingesehen und einen zugänglichen Beschwerde-Mechanismus, was nicht gegen ihn verwendet werden sollte. Details zu den einzelnen Vorkommnissen braucht er im Lieferkettenbericht allerdings nicht anzugeben. Später bekundete der Leverkusener Multi, bei einem Großteil der 1.345 Meldungen hätte es sich lediglich um solche zum Thema „IT-Sicherheit“ gehandelt. 

Nur zum Punkt „Verbot von Kinderarbeit“ finden sich in dem Report genauere Informationen. Auf die Frage: „Um welches konkrete Risiko geht es?“ antwortet das Unternehmen: „Kinderarbeit in der Saatgut-Lieferkette“ und nennt Bangladesch, Indien und die Philippinen als mögliche Tatorte. BAYER hat einen Fall dingfest gemacht. Die Dunkelziffer dürfe allerdings höher liegen, zumal der Konzern hier in der Vergangenheit bereits öfter auffällig wurde. 

So brachte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) 2003 gemeinsam mit der deutschen Sektion des GLOBAL MARCH AGAINST CHILD LABOUR flächendeckende Kinderarbeit in der indischen Baumwollsaatgut-Produktion an die Öffentlichkeit, indem sie eine Studie des indischen Instituts „Glocal Research and Consultancy Services“ übersetzten. Der Autor Dr. Davuluri Venkateswarlu untersuchte darin die Herstellung hybriden Baumwoll-Saatguts im Bundesstaat Andhra Pradesh. Dabei handelt es sich um nicht fortpflanzungsfähige Saaten, deren Fertigung sehr arbeitsintensiv ist, weil bei jedem Keim der eigene Samen entfernt und der fremde Samen aufgetragen werden muss. Um Kosten zu sparen, griffen die Farm-Betriebe deshalb bevorzugt auf Kinder, zumeist Mädchen im Alter von 6-14 Jahren, zurück und banden sie oft auch noch in Schuldknechtschaft an sich. Zehntausende arbeiteten zwölf Stunden am Tag bei den Zulieferern von MONSANTO, UNILEVER, SYNGENTA, ADVANTA und der BAYER-Tochter PROAGRO. In mittelbaren BAYER-Diensten standen dabei 2.000 Kinder.

„Es macht wütend, dass Konzerne wie BAYER nicht einmal vor der Ausbeutung von Kindern Halt machen. Schuldknechtschaft – also Kinder in Sklavenarbeit – für goldene Bilanzen! Für die Agrokonzerne wäre es ein Leichtes, durch Zahlung angemessener Abnahmepreise, konsequente Kontrollen und vertragliche Bedingungen dafür zu sorgen, dass arbeitslose Erwachsene zu menschenwürdigen Löhnen die Arbeit der Kinder übernehmen. Aber: Das würde ja die Profite schmälern“, erklärte Axel Köhler-Schnura damals. 

Der Global Player stritt erst einmal alles ab. Dann gelobte er leiseweinend Besserung und leitete einige Maßnahmen in die Wege. Aber das Problem blieb virulent. Im Jahr 2010 gab der Agro-Riese die Zahl der KinderarbeiterInnen im Saatgut-Bereich mit 105 an. Eine wirkliche Besserung trat erst 2021 ein – da verkaufte die Aktien-Gesellschaft ihre indische Saatgut-Sparte nämlich.

Die Pharma-Lieferketten

2017 deckte die Coordination dann auf, was für skandalöse Zustände bei den ersten Gliedern von BAYERs Pharma-Lieferketten herrschen, die der Pharma-Riese im Zuge der Globalisierung nach Asien verlegt hatte, weil dort niedrigere Kosten und geringere Umwelt- und Sozialstandards lockten. 

Im indischen Hyderabad etwa leiten viele Firmen, die Grund- oder Zwischenstoffe für Big Pharma herstellen, ihre Produktionsrückstände ungereinigt oder nur marginal aufbereitet in die Gewässer ein. Darum türmen sich auf manchen Flüssen weiße Schäume bis zu einer Höhe von neun Metern auf. Andere Emissionen aus den Fabriken verfärben das Wasser gelb, rot oder braun. Und am Grund mancher Seen setzt sich tiefschwarzes, teeriges Sediment ab.

Als besonders gesundheitsgefährdend erweisen sich dabei die Antibiotika-Reste. Durch die hohen Dosen von Ciprofloxacin (Wirksubstanz von BAYERs CIPROBAY) und anderen Substanzen gewöhnen sich die Krankheitserreger nämlich an die Stoffe und bilden Resistenzen heraus. 2014 stieß ein ForscherInnen-Team in einem See unweit der Pharma-Fabriken auf 81 Gen-Typen von Bakterien, gegen die kein einziges Antibiotikum-Kraut mehr gewachsen war. Sie tummelten sich dort in einer Konzen-tration, welche diejenige in einem schwedischen See, der als Vergleichsmaßstab diente, um das 7.000-Fache überstieg. Und das alles bleibt nicht ohne Folgen: 2013 starben in Indien 58.000 Babys, weil sie mit solchen Keimen infiziert waren.

Die Regulierung

Die weltweiten Produktionsnetzwerke anderer Branchen sorgten für ähnliche Verwerfungen. Darum erkannten die Vereinten Nationen im Jahr 2011 Handlungsbedarf und hielten ihre Mitgliedsländer dazu an, Maßnahmen gegen solche Risiken und Nebenwirkungen der Globalisierung zu ergreifen. Die zu diesem Zeitpunkt regierende Große Koalition sah dabei zunächst davon ab, übermäßigen Druck auf die Konzerne auszuüben und setzte auf Freiwilligkeit. Sie hob 2016 den Nationalen Aktionsplan (NAP) aus der Taufe und machte sich daran, erst einmal ein Lagebild zu erstellen. Dazu starteten CDU und SPD eine Umfrage unter den Betrieben und erbaten Informationen darüber, ob – und wenn ja – in welcher Form sie entlang ihrer weltumspannenden Lieferketten die Einhaltung der Menschenrechte gewährleisten. 2020 wiederholten die Parteien das Ganze. Der Befunde fielen jeweils ernüchternd aus. Nur ein Bruchteil der angeschriebenen Firmen antwortete überhaupt, und von diesen genügte beim sogenannten Supply Chain Management kaum eines den sozialen und ökologischen Anforderungen. „Das Ergebnis zeigt eindeutig: Freiwilligkeit führt nicht zum Ziel“, resümierte der damalige Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller (CSU) und konstatierte: „Wir brauchen einen gesetzlichen Rahmen“. Und den bereitete die Politik dann auch vor, was die Industrie-VertreterInnen in Panik versetzte. „Hier wird eine faktische Unmöglichkeit von den Unternehmen verlangt: Sie sollen persönlich für etwas haften, was sie persönlich in unserer globalisierten Welt gar nicht beeinflussen können“, echauffierte sich die „Bundesvereinigung der Arbeitgeber-Verbände“ (BDA) umgehend. In der Folge taten die LobbyistInnen der Industrie alles, um das Schlimmste zu verhindern. Sie mahnten eine Beschränkung des Paragrafen-Werks auf direkte Zulieferer an und lehnten eine Haftungsregelung vehement ab. Mit Erfolg: Im Lieferkettensorgfaltspflichten-Gesetz, das 2023 in Kraft trat, fehlt beides. Zudem müssen BAYER & Co. etwaige Mängel nicht abstellen. „Unternehmen werden nicht zur Garantie eines Erfolges verpflichtet“, hält die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ fest. Die Konzerne sind „im Rahmen des konkret Machbaren und Angemessenen“ lediglich gehalten, sich zu bemühen: „Von keinem Unternehmen darf etwas rechtlich und tatsächlich Unmögliches verlangt werden.“ Die europäische Lieferketten-Richtlinie von 2024 sieht dagegen härtere Bestimmungen vor. Sie enthält eine Haftungsregelung und bezieht auch indirekte Zulieferer mit ein.

Die Deregulierung

Ursprünglich sollte die Implementierung in deutsches Recht bis 2026 erfolgen. Aber daraus wird nichts. Noch vor Vollendung des mühsamen Prozesses der Regulation beginnt schon wieder die Deregulation. In dem Omnibus-Paket stellt die EU die Lieferketten-Richtlinie gemeinsam mit der Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung und der Taxonomie-Verordnung, die finanzmarkt-relevante Kriterien für ein „Green Economy“-Label festlegt, zur Disposition. Sie begründet das mit dem „neuen und schwierigen Kontext“ und verweist dabei auf den Ukraine-Krieg, die dadurch gestiegenen Energiepreise und zunehmende Handelsspannungen. 

Dadurch gerät ihr zufolge nicht nur die Ökonomie unter Druck, sondern gleich das große Ganze: „Die Fähigkeit der Union, ihre Werte zu bewahren und zu schützen, hängt unter anderem von der Fähigkeit ihrer Wirtschaft ab, sich in einem instabilen und manchmal feindseligen geopolitischen Umfeld anzupassen und zu konkurrieren.“  Zum „Polarstern“ ihrer zweiten Amtszeit hat Ursula von der Leyen deshalb die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit auserkoren. Und da erweist sich nicht nur die Lieferketten-Richtlinie als Störfaktor. „Deshalb hat die Kommission bei einigen EU-Vorschriften Anpassungen vorgenommen, mit denen das Wachstum gefördert und für eine kosteneffizientere Verwirklichung der politischen Ziele der EU gesorgt werden soll“, erklärte die Europäische Kommission in einem Q&A zu ihren Plänen.

Den Grundstein dafür – und nicht nur dafür – legte der von Mario Draghi verfasste Report zur Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit der EU. Die Lieferketten-Richtlinie und die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung kamen in dem 2-bändigen, über 600 Seiten starken Kompendium nicht eben gut weg. Der ehemalige GOLDMAN-SACHS-Banker und Präsident der Europäischen Zentralbank bezeichnete diese als „große Quelle regulatorischer Bürden“ mahnte eine Vereinfachung an. 

Und die EU tat wie geheißen. So erklärte etwa der neue EU-Energiekommissar Dan Jørgensen bei seiner Amtseinführung nur halb scherzhaft: „Ich musste auf den Draghi-Bericht schwören.“ In der „Erklärung von Budapest zum Neuen Deal für die Europäische Wettbewerbsfähigkeit“ vom November 2024 versprach Brüssel „die Einleitung eines revolutionären Vereinfachungsprozesses, der für einen klaren, einfachen und intelligenten Regelungsrahmen für Unternehmen sorgt und den Verwaltungs-, Regulierungs- und Meldeaufwand (…) drastisch verringert“. Ende Januar 2025 konkretisierte die Europäische Union ihre Pläne. In einem „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“ stellte Brüssel „weitreichende Vereinfachungen“ der Lieferketten-Richtlinie, der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und der finanzmarkt-relevanten Kriterien für ein „Green Economy“-Label in Aussicht. „Wir können nicht erwarten, dass wir weltweit konkurrieren können, während wir uns gleichzeitig mit unnötigen Beschränkungen und Einschränkungen überfrachten“, erklärte der EU-Kommissar Valdis Dombrovskis zur Begründung. 

Extrem-Lobbyismus

Natürlich kam ihm diese Einsicht ebenso selbst wie seinen KommissionskollegInnen. Die Industrie hat den neuen Kurs der EU wesentlich mitbestimmt. Schon auf den Draghi-Report nahm sie Einfluss. So gehört BAYER zur langen Liste der Konzerne, die Input gaben und dafür vom Italiener gewürdigt werden. „Ich bin folgenden Personen und Organisationen dankbar, die in Meetings konsultiert wurden oder schriftliche Eingaben machten“ – danach beginnt eine lange Aufzählung der europäischen Multis von AIRBUS bis ZF. Gegen die „Bürokratie-Monster“ haben BAYER & Co. natürlich auch einen immensen Lobby-Druck entfaltet. EmissärInnen des Leverkusener Multis etwa sprachen am 2. Dezember 2024 persönlich in Brüssel vor. Sie trafen auf Michael Hager aus dem Kabinett von Dombrovskis. Auf der Tagesordnung stand laut Transparenz-Register „Vereinfachung“. Im selben Monat präsentierte die „Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände“ (BDA) der Europäischen Union „Vorschläge für eine Reduzierung von Auflagen“. Den Geltungsbereich der Lieferketten-Richtlinie etwa wollte der BDA auf Betriebe mit mehr als 5.000 Beschäftigten begrenzt wissen. Zudem verlangte er, die Berichtspflicht auf direkte Zulieferer zu beschränken und bei Verstößen nicht länger eine einklagbare Haftungspflicht vorzusehen. Der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) ging darüber noch hinaus. In einem gemeinsam mit den italienischen und französischen Industrieverbänden MEDEF und CONFINDUSTRIA verfassten Positionspapier forderte er eine Klausel zur „maximalen Harmonisierung“ ein, die es den Regierungen der Mitgliedsstaaten verbietet, die Regelungen bei der Umsetzung in nationales Recht zu verschärfen. „Bürokratie-Abbau bedeutet Wachstumschancen zum Nulltarif“, erklärte der BDI in seiner Pressemitteilung zu den Verordnungen und nahm die EU in die Pflicht. „Die Europäische Kommission muss mit dem angekündigten Omnibus nicht nur die Berichtspflichten abbauen, sondern auch die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, das EU-Lieferkettengesetz sowie die Taxonomie-Verordnung substanziell ändern. Weitere Entlastungsinitiativen müssen folgen“, hieß es in dem Statement.

Im Dienste der Industrie

Dabei gelang es den Unternehmen wieder einmal, die deutschen PolitikerInnen in Dienst zu nehmen. So drangen die Noch-Minister Volker Wissing, Jörg Kukies, Robert Habeck und Hubertus Heil am 17. Dezember 2024 in einem Brief an die EU darauf, die Deadline für die Übertragung der Nachhaltigkeitsrichtlinie in nationales Recht um zwei Jahre zu verschieben. Überdies setzten sie sich dafür ein, die Berichtspflichten auszudünnen, um „unnötige Belastungen für die Unternehmen zu vermeiden und den Unternehmen die Möglichkeit zu geben, ihre Ressourcen zum Nutzen von nachhaltigem Wachstum und Innovation in der EU einzusetzen“. Gleiches galt in ihren Augen für die Taxonomie-Richtlinie.

Die Lieferketten-Richtlinie bezogen sie in ihre Kritik allerdings nicht mit ein – anders als Olaf Scholz. In seinem Schreiben an Ursula von der Leyen lobte er die Kommissionspräsidentin dafür, „den Abbau von Bürokratie zu den zentralen Schwerpunkten Ihrer neuen Amtszeit machen zu wollen“ und sagt auch gleich, warum. „Die deutsche Wirtschaft hat hier zu Recht weiteren dringenden Handlungsbedarf angezeigt, insbesondere hinsichtlich der Belastungen im Rahmen der Nachhaltigkeitsrichtlinie (CSRD), der EU-Taxonomie und der Europäischen Lieferketten-Richtlinie (CSDDD)“, hält er fest.

Und die EU deckte den Bedarf. Ende Februar 2025 präsentierte sie die Omnibus-Verordnungen, die Hand an alle drei Regelungen legten. Die Lieferketten-Richtlinie schreibt BAYER & Co. jetzt bloß noch vor, die Einhaltung von Sozial-, Umwelt- und Menschenrechtsstandards bei ihren direkten Zulieferern zu kontrollieren, und das auch nur alle fünf Jahre. Die Regelung der Haftungsfrage fällt nun ins Belieben der Mitgliedsländer – also vorzugsweise weg. Auch müssen die Unternehmen sich nach der Aufdeckung von Missständen nicht mehr zwingend von ihren Vertragsfirmen trennen. Damit nicht genug, können sich die EU-Staaten die Richtlinie jetzt mit der Umsetzung in nationales Recht Zeit bis 2028 lassen. 

Zunächst einmal müssen da noch das EU-Parlament und der Europäische Rat zustimmen. Trotzdem zeigten sich die Konzerne erst einmal zufrieden. „Es ist gut, dass die EU-Kommission die Umsetzung der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und des EU-Lieferkettengesetzes temporär aussetzen will, damit keine Belastungen entstehen“, erklärte der BDI. Der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) schloss sich in seiner „Mehr wirtschaftliche Freiheit wagen“ überschriebenen Presseerklärung an: „Dass die EU-Kommission mit ‚Omnibus-Verfahren‘ Bürokratie abbauen will, ist aus VCI-Sicht sehr erfreulich.“ Und die FAZ hielt fest: „Mehr ‚Kettensäge’ ist unter den Brüsseler Randbedingungen nicht möglich.“

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kritisierte die Aufweichungen dagegen scharf. „Kinderarbeit, Druck auf GewerkschaftlerInnen, Lohnraub, Ungleichbehandlung von Mann und Frau, mangelhafter Arbeitsschutz und Umweltverschmutzung – auf all das will Brüssel jetzt nicht mehr so genau blicken, weil es angeblich den Wirtschaftsstandort Europa gefährdet. Das ist ein Skandal“, hieß es in ihrer Presseerklärung. 

Der BUND protestierte ebenfalls: „Erst im vergangenen Jahr haben die EU-Institutionen in einem demokratischen Verfahren die EU-Lieferkettenrichtlinie beschlossen. Dass die EU-Kommission sie nun in einem noch nie dagewesenen Schnelldurchlauf bis zur Bedeutungslosigkeit verwässern will, ist skandalös.“ Und der Betriebswirtschaftsprofessor Patrick Velte von der Lüneburger Leuphana-Universität konstatierte: Diese Omnibus-Pläne der EU-Kommission führen zu einer Aushöhlung der CSRD, CSDDD und der Taxonomie-Verordnung und gefährden das Gelingen des Green-Deal-Projekts sowie das Ziel einer klima-neutralen Wirtschaft bis 2050.“ Auch dem deutschen Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetz droht Ungemach. Noch-Wirtschaftsminister Robert Habeck kündigte Anfang Oktober 2024 auf dem Unternehmertag des deutschen Außenhandelsverbandes BGA an, ihm in Milei-Manier zu Leibe rücken zu wollen. Er erachtete es als notwendig, „die Kettensäge anzuwerfen und das ganze Ding wegzubolzen“. Dabei hatte sich seine Partei in ihrem Programm zur Bundestagswahl 2021 noch für „eine Ausweitung der erfassten Unternehmen, aber auch eine Erweiterung der umweltbezogenen Sorgfaltspflichten“ ausgesprochen. Olaf Scholz störte sich ebenso wenig am SPD-Programm, das es noch als einen großen Erfolg gefeiert hatte, „dass ein nationales Lieferketten-Gesetz auf den Weg gebracht werden konnte“ und sich damit noch nicht einmal zufriedengeben wollte: „Wir werden es konsequent weiterentwickeln.“ Im Oktober 2024 sagte er auf dem Arbeitgebertag zu dem Paragrafen-Werk: „Das haben wir ja gesagt, das kommt weg.“ Eine Überarbeitung des Gesetzes ließen die beiden Politiker ihren großen Worten zwar nicht mehr folgen, aber Habeck setzte zumindest die Berichtspflicht für die deutschen Unternehmen bis zur Implementierung der europäischen Lieferketten-Richtlinie in deutsches Recht aus.

Dagegen steht zu befürchten, dass CDU und CSU sich an ihre Wahlversprechen halten. „Das deutsche Lieferketten-Gesetz schaffen wir ab“, heißt es in ihrem Programm unter dem Punkt „Belastungen sofort stoppen“ kurz und knapp. Aber die Coordination wird alles daransetzen, die Abbruch-Arbeiten auf nationaler und europäischer Ebene zu verhindern. ⎜

BAYERs Trump-Deal

CBG Redaktion

Bessere Zeiten für Glyphosat

BAYER hatte den Republikanern im Wahlkampf 122.000 Dollar gespendet. Diese Investition scheint sich bereits jetzt auszuzahlen, denn der Leverkusener Multi verbucht deutliche Fortschritte bei seinem Vorhaben, Straffreiheit für Glyphosat zu erwirken. Und Trump & Co. zeigen sich auch sonst erkenntlich.

Von Jan Pehrke

BAYER machte mal wieder die Ausnahme: Als einziger Vorstandsvorsitzende eines deutschen DAX-Unternehmens wohnte Bill Anderson der Amtseinführung von Donald Trump bei. „Die USA sind mit einem Umsatz-Anteil von über 30 Prozent mit Abstand unser größter Markt. Entsprechen wichtig ist es, mit der Politik im Gespräch zu sein“, mit diesen Worten rechtfertigte Personalvorständin Heike Prinz das Vorgehen ihres Vorgesetzen. Und auch die „Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapier-Besitz“ (DSW) hatte nichts gegen die rechtsoffene Konzern-Politik in den USA einzuwenden: „Wenn es die Chance gibt, die Glyphosat-Klagewelle zu stoppen, dann mit Trump“, hielt DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler fest. Sogar der IG-BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis gab seinen Segen: „Es ist eine gute Idee, dass BAYER Zugang zu der neuen Administration hat.“

Zu allem Überfluss kam Anderson nicht allein zu der feierlichen Zeremonie. US-Chef Sebastian Guth begleitete ihn. Auf dem Portal LinkedIn konnte der sich gar nicht einkriegen vor Begeisterung. „Heute habe ich zum ersten Mal persönlich an der Amtseinführung eines US-Präsidenten teilgenommen. Während der Ansprache von Präsident Trump habe ich vor allem über eine Zeile nachgedacht. ‚Das Unmögliche ist das, was wir am besten können‘“, postete er. Dem folgte dann ein Bekenntnis. Guth machte sich bereit, „meinen Teil dazu beizutragen, mit der Trump-Administration zusammenzuarbeiten, um das Unmögliche für alle Amerikaner möglich zu machen“.

Damit handelte er sich einige böse Kommentare ein. „Wie kann ein politisch ungebundenes Unternehmen die Wahl eines Präsidenten feiern, der in vielerlei Hinsicht wirklich schlecht für alle Nationen ist. Schauen Sie sich an, was er in den letzten drei Wochen getan hat. Ehrlich gesagt sollte sich BAYER schämen, wenn ein hochrangiger Unternehmensvertreter solche Aussagen macht“, schrieb ein einst beim Leverkusener Multi Beschäftigter. Ein weiterer Ex machte sich vor allem Sorgen um die Belegschaftsangehörigen, die Minderheiten angehören. „Ich frage mich, wie sich all dies auf die Kollegen aus der LGBTQ-Gemeinschaft, die Einwanderer und all die Communities auswirkt, die Präsident Trump ins Visier nimmt. Bitte unterstützen Sie sie“, bat er Guth. 

Der Ehemalige hatte dabei vor allem die Programme für Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion – Diversity, Equity, Inclusion (DEI) – im Sinn, dessen Einstellung Trump angeordnet hat. Etliche Firmen fügten sich dem schon.  NOVARTIS, ROCHE, GSK, DELOITTE, KPMG, UBS, META und AMAZON etwa schredderten ihre DEIs ab oder veränderten sie stark. BAYER wartet einstweilen ab. „Die rechtliche Situation in den USA ist weiterhin in Bewegung. Wir beobachten sie sehr aufmerksam, um zu prüfen, inwieweit sie sich auf unser Geschäft auswirken könnte. Wir unternehmen die erforderlichen Schritte, um geschäftlich weiterhin erfolgreich zu sein und gleichzeitig unseren Werten treu zu bleiben“, erklärte der Konzern.

Das erste Unmögliche, das in den Trump-Zeiten ein wenig möglicher zu werden droht, ist die Straffreiheit für Glyphosat. Direkt nach der Wahl gefragt, ob der Sieg der Republikaner sich positiv auf den Fall auswirken könne, bejahte Anderson. „Ich bin mir nicht sicher, ob das einen direkten Einfluss auf die laufenden Verfahren hat“, antwortete er zuerst noch etwas zögerlich, um dann nach längeren Ausführungen zu resümieren: Darum denken wir, dass das Umfeld dem Fortschritt förderlich ist. Und wir erwarten, diesen Fortschritt 2025 zu sehen.“

Die Erwartungen trogen nicht. Die kostspieligen Bemühungen des Konzerns, die Einstufung von Glyphosat als nicht krebserregend durch die staatliche Umweltbehörde EPA als bindend für alle Gerichte erklären zu lassen, beginnen sich auszuzahlen. So winkte der Bundesstaat Georgia ein entsprechendes Paragrafen-Werk durch. Die Geschworenen eines dortigen Gerichts ließen sich dafür einstweilen jedoch nicht beeindrucken. Sie verurteilten BAYER im März 2025 erstinstanzlich zu einer Zahlung von 2,1 Milliarden Dollar.

Auf zentralstaatlicher Ebene treibt der Konzern indessen den „Agricultural Labeling Uniformity Act“ voran, der es untergeordneten politischen Einheiten verbietet, ohne EPA-Autorisierung Warnhinweise auf Pestizid-Verpackungen anzuordnen. Und auch das bleibt nicht ohne Wirkung. Bereits am Tag des Amtsantritts von Trump leitete die EPA unter ihrem neuen Chef Lee Zeldin erste Schritte ein, um das US-amerikanische Pestizid-Gesetz FIFRA, das Bundesstaaten und Kommunen zu eigenständigem Handeln ermächtigt, zu ändern. Als unsicherer Kantonist bei der Glyphosat-Resozialisierung gilt nur noch Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr., der in der Vergangenheit stets vor dem Herbizid warnte und es als „Gift“ bezeichnete. 

Aber Zeldin hielt noch mehr Wohltaten bereit. Mitte März 2025 legte er Hand an 31 Umweltgesetze. „Heute ist der größte Tag der Deregulierung, den unsere Nation je erlebt hat. Wir stoßen einen Dolch ins Herz der Klima-Religion“, tönte er und gab die CO2- und Methan-Emissionen frei. Auch der Stickoxid- und Quecksilber-Ausstoß in die Luft darf wieder steigen. Ähnliches Ungemach droht dem Wasser. Damit nicht genug, wollen die Republikaner die ganze Forschungsabteilung der Umweltbehörde abwickeln.

Eine Senkung der Unternehmenssteuern hatte Trump den Konzernen schon vor der Wahl in Aussicht gestellt. Zusätzlich Luft nach unten verschaffte ihm die Aufkündigung des „Global Tax Deals“, der Vereinbarung der OECD-Staaten über eine Mindestbesteuerung. Sogar Bestechung im Ausland will er den US-amerikanischen Unternehmen und den multinationalen Konzernen wieder erlauben, wenn‘s dem Profitmachen dient. 

Und vor den Importzöllen braucht BAYER auch keine Angst zu haben. Die meisten Produkte aus der Agrar-Sparte und der „Consumer Health“-Sektion stellt der Leverkusener Multi vor Ort her. Nur bei Pharma verhält sich das ein wenig anders. Die Prostatakrebs-Arznei Nubeqa etwa, mit der der Global Player 2024 einen Umsatz von 1,5 Milliarden Euro machte, kommt aus einem finnischen Werk. „Wenn es also Zölle zwischen der EU und den USA gäbe, wäre das wahrscheinlich etwas, womit wir etwas mehr zu kämpfen hätten“, sagte Bill Anderson in einem Gespräch mit InvestorInnen. Die Wohltaten, die Trump & Co. ansonsten für den Konzern bereithalten, wiegen das allerdings dicke auf. ⎜