Frankfurter Rundschau, 24. März 2006
Kritische Aktionäre: Für Umwelt und Gerechtigkeit
„Bayer muss irreführende Aussagen zum Thema Klimaschutz unterlassen“
Köln – Seit mehr als zwei Dekaden streiten die Kritischen Aktionäre in den Hauptversammlungen deutscher Konzerne für mehr Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit. Mehr als 5.000 Anleger haben inzwischen ihr Stimmrecht den Konzernkritikern übertragen. Anlässlich des 20-jährigen Bestehens des Dachverbandes, dem 29 Organisationen angeschlossen sind, wurden die Topmanager einmal mehr ermahnt, auch an Unternehmensziele jenseits des Shareholder Value zu denken.
„Selbstverständlich haben wir nicht die Illusion, Abstimmungsmehrheiten in Hauptversammlungen erzielen zu können“, sagt Henry Mathews, seit 13 Jahren Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. „Aber wir stellen Öffentlichkeit für rücksichtslose Geschäftspraktiken her und setzen die Manager unter Druck.“ Das führe zu Verbesserungen, weil die Konzerne auf ein positives Image angewiesen seien.
„Über Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit wurde in den Hauptversammlungen deutscher Aktiengesellschaften bis Anfang der 80er Jahre nicht diskutiert“, so Mathews. „Wo früher nur gefragt wurde, warum die Dividende nicht höher ausfällt, mussten die Manager plötzlich beantworten, wie sie umwelt- und gesundheitsschädliche Produkte rechtfertigen wollen.“ Im Laufe der Jahre führte manche Kampagne zum Erfolg. So setzte die Schering AG ihre Arbeiter in Peru nicht mehr giftigem Formaldehyd und schädlicher UV-Bestrahlung aus, und die Deutsche Bank widerrief eine Kreditzusage für ein Projekt in Griechenland, bei dem Gold mittels Zyanid gewonnen werden sollte. UNICEF verweigerte nach Hinweisen der Kritischen Aktionäre DaimlerChrysler wegen Beteiligung am Rüstungskonzern EADS die Aufnahme in seine Sponsoren-Liste. Im vergangenen Jahr strich das UN-Kinderhilfswerk den deutsch-amerikanischen Konzern sogar bis auf weiteres von seiner Lieferantenliste. DaimlerChrysler bestreitet zwar beharrlich, Landminen zu produzieren, doch über die Beteiligungsgesellschaft EADS, die achtgrößte Rüstungsschmiede der Welt, lässt der Konzern Streubombenmunition, Minenverlegesysteme und auch französische Atomraketen bauen.
Die „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ (CBG) fordert zusammen mit Umweltverbänden den Leverkusener Chemie- und Pharmakonzern auf, „irreführende Aussagen zum Thema Klimaschutz zu unterlassen und belastbare Zahlen zum CO2-Ausstoß des Unternehmens vorzulegen“. In seinen Publikationen behauptet Bayer, die „Emission von Treibhausgasen seit Beginn der 90er Jahre um mehr als 60 Prozent reduziert“ zu haben. Damit unterschlage Bayer jedoch, dass die vermeintliche Verringerung zum größten Teil auf den Verkauf einer Tochterfirma sowie den gestiegenen Fremd-Bezug von Energie zurückzuführen sei, so die Kritiker. Professor Jürgen Rochlitz, Mitglied der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission für Anlagensicherheit, empfiehlt, Bayer aufgrund der gemachten Behauptungen zum Klimaschutz aus allen Nachhaltigkeits- und Ethik-Fonds auszuschließen.
Neben dem Thema Kinderarbeit bei Zulieferern deutscher Konzerne schiebt sich bei den Kritischen Aktionären immer mehr die Problematik von Arbeitsplatzabbau und Lohndumping in den Vordergrund. Mathews spricht dabei von einem „Schulterschluss“ zwischen Gewerkschaften und Betriebsräten sowie Kritischen Aktionären. Ulla Lötzer, PDS-Bundestagsabgeordnete und Kritische Aktionärin bei der Deutschen Post AG, prangert das „Management nach Gutsherrenart“ bei dem Logistik-Konzern an. Die Erhöhung der Vorstandsgehälter bei gleichzeitiger Lohnsenkung für die Angestellten sei nicht akzeptabel. Bei der Post-Hauptversammlung am 10. Mai wolle man eine Gegenöffentlichkeit herstellen.
Von Markus Dufner