Presse Information vom 5. Februar 2014
Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.
Chemie-Konzern BAYER geht auf Kritiker zu:
erstes Gesprächsangebot nach 35 Jahren
Herbert Heitmann, neuer Leiter der Kommunikationsabteilung von BAYER, hat die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) zu einem Treffen eingeladen, um „zu erfahren, was ihre Ziele sind“ und „wie wir gegebenenfalls zusammenarbeiten können“. Es handelt sich um das erste Gesprächsangebot des Konzerns seit 1979. Einen Termin gibt es noch nicht. Bisher war es gängige Praxis von BAYER, KritikerInnen einzuschüchtern und mundtot zu machen. Auch AktivistInnen der CBG wurden mit Prozessen überzogen, bespitzelt und diffamiert.
Axel Köhler-Schnura, Gründungsmitglied der CBG: „Natürlich stehen wir für Gespräche zu Verfügung, so wie stets in den vergangenen 35 Jahren. Da der Konzern jedoch 150 Jahre lang das soziale Zusammenleben, die Gesundheit der Menschen und die Umwelt geschädigt hat, kommen Vieraugen- oder Kamingespräche für uns nicht in Frage. Die Gespräche müssen für die Öffentlichkeit transparent und nachvollziehbar sein.“
Jan Pehrke vom CBG-Vorstand ergänzt: „Auch kann es nicht nur um einen unverbindlichen Gedankenaustausch gehen, der dem Konzern bloß dazu dient, publikumswirksam seine ´Dialogbereitschaft` zu signalisieren.“ Pehrke zufolge macht der Austausch einzig dann Sinn, wenn er zur Lösung aktueller Probleme führt, zum Beispiel in Hinblick auf gefährliche Pharmaprodukte wie die Antibabypille Yasmin. „Seit wir uns im Jahr 1978 anlässlich der großen Unfälle in den BAYER-Werken Wuppertal und Dormagen als Bürgerinitiative gründeten, mussten wir durchgängig feststellen, dass Probleme nicht ausgeräumt, sondern mit Propagandamilliarden und Heerscharen von Anwälten schöngeredet wurden“, so Axel Köhler-Schnura.
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren ging als weltweit agierendes, jedoch weitgehend ehrenamtlich arbeitendes Netzwerk aus der „Wuppertaler Bürgerinitiative gegen BAYER-Umweltgefährdung“ hervor. Die CBG beschäftigt sich mit allen Feldern der Geschäftstätigkeit von BAYER – von den Arbeitsbedingungen in den Werken bis zur Zerstörung der Umwelt, von ASPIRIN bis zu Chemiewaffen, von Gewerkschaftsfeindlichkeit bis zur Steuerung politischer Prozesse.
Der Verein kooperiert mit Umweltschützern, Gewerkschaftern und Betroffenen in über 40 Ländern. Jüngste Kampagnen beschäftigten sich mit dem Bienensterben durch BAYER-Pestizide, der 150-jährigen Geschichte des Konzerns, Gen-Patenten, dem Einfluss der Industrie auf die universitäre Forschung, dem Kampf von BAYER gegen die Gewerkschaften, dem Einsatz von Antibiotika in der Tiermast sowie den Risiken neuer Gerinnungshemmer und Antibaby-Pillen.
Seit Anfang der 80er Jahre bringt die Coordination Jahr für Jahr Gegenanträge zur BAYER-Hauptversammlung ein, konnte sogar einmal durch Stimmrechtsübertragungen in Millionenhöhe die Tagesordnung verändern und verlangt in Redebeiträgen Rechenschaft von den Verantwortlichen für die Kehrseiten der Profit-Milliarden. Die CBG ermöglicht Geschädigten und Opfern aus aller Welt, die Verantwortlichen in Vorstand und Aufsichtsrat direkt zur Rede zu stellen.
Bisher war der Umgang des Unternehmens mit KritikerInnen unerbittlich. Noch vor wenigen Wochen drohte BAYER dem Umweltverband BUND rechtliche Schritte wegen eines kritischen Berichts über Pestizide an. Auch leitete der Konzern mehrfach juristische Schritte gegen die CBG ein. So zwang er den Verein 1988, wegen angeblicher Verwechslungsgefahr den ursprünglichen Namen „BAYER-Coordination“ aufzugeben. Angesichts sechsstelliger Streitwerte musste sich die CBG ebenso fügen wie anno 2001, als das Unternehmen gerichtlich gegen die domain www.BayerWatch.org vorging.
Die langwierigste, und wegen der damit verbundenen Kosten existenz-bedrohende, Auseinandersetzung begann 1987. Wegen eines Zitats aus einem Flugblatt („In seiner grenzenlosen Sucht nach Gewinnen und Profiten verletzt BAYER demokratische Prinzipien, Menschenrechte und politische Fairness. Missliebige Kritiker werden unter Druck gesetzt, rechte und willfährige Politiker werden unterstützt und finanziert“) forderte BAYER unter Strafandrohung „von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten bzw. einer Geldstrafe von bis zu DM 500.000“ eine Unterlassungserklärung.
Die CBG ließ es auf einen Prozess durch alle Instanzen ankommen und verlor zunächst, obwohl sie stichhaltige Beweise für Bespitzelungen und Bestechungen vorlegen konnte. Nun blieb nur noch ein Weg – der vor das Bundesverfassungsgericht -, den die Coordination ungeachtet der bis dahin aufgelaufenen Verfahrenskosten von 150.000 DM einschlug. Der Mut zum Risiko zahlte sich aus: 1992 hob der Erste Senat unter Roman Herzog die vorangegangenen Urteile auf und gab der CBG Recht (siehe hierzu ein Artikel im SPIEGEL).
Wie der Konzern mit unliebsamer Kritik umgeht, zeigt auch ein firmeninternes Strategiepapier, das 2009 im Rahmen einer Untersuchung des US-Kongresses beschlagnahmt wurde. Darin wird skizziert, wie BAYER nach einem tödlichen Störfall unliebsame Kritiker und Journalisten „marginalisieren und als irrelevant erscheinen lassen“ wollte. Ziel von BAYER war es, ihre „Kritik als unanständig erscheinen“ zu lassen. Der US-Kongress kam zu dem Ergebnis: „In den Monaten nach der Explosion setzte BAYER Öffentlichkeitsarbeit und juristische Mittel ein, um Enthüllungen über das Vorgehen der Firma zu verhindern. BAYER versuchte zudem, Informationen über die Explosion zu verheimlichen.“
bereits 1988 veröffentlichte die CBG Grundsätze für einen Dialog mit BAYER
siehe auch: die tageszeitung „Glasnost beim Chemieriesen“