Straßen.NRW darf für A1-Ausbau Giftgrab öffnen
Das Bundesverwaltungsgericht hat heute zwei Klagen gegen den Ausbau der Autobahn A1 zwischen Köln-Niehl und dem Autobahn-Kreuz Leverkusen-West abgewisen. Damit machte es für den „Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen“ den Weg frei, im Rahmen der Bau-Maßnahmen BAYERs ehemalige Dhünnaue-Giftmülldeponie wieder zu öffnen. „Es ist unverantwortlich von den RichterInnen, Straßen.NRW Hand an BAYERs Giftgrab legen zu lassen, in dem Millionen Tonnen toxischer Abfälle von Quecksilber über Arsen und Chrom bis hin zu Blei schlummern, und Mensch, Tier und Umwelt damit unkalkulierbaren Gefahren auszusetzen“, kritisiert Jens Wegener von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Entscheidung.
Für das Fundament der Trasse plant Straßen.NRW, eine Erdschicht von 2,70 Meter Tiefe, die rund 90.000 Kubikmeter Giftmüll birgt, abzutragen. Was das Leipziger Gericht „vertretbar“ nannte, weil „die Risiken, die mit der Öffnung der Altablagerung verbunden sind, hinreichend ermittelt und beurteilt“ worden seien, charakterisierte der Straßenbetrieb bei dem Erörterungstermin Anfang Juli 2016 selbst als einen nur „beschränkt optimierten Eingriff“. Ein Techniker bezeichnete damals stattdessen die Auskofferung des ganzen Giftgrabes ganz offen als die „optimale Gründung“ für die A1. In den Altlasten rumort es nämlich bisweilen noch kräftig. Der organische Anteil des Mülls zersetzt sich, weshalb das Volumen abnimmt und mit Boden-Absenkungen zu rechnen ist. Das tut auch Straßen.NRW. In ihren Planungen gehen die IngenieurInnen vorsichtshalber schon einmal von einstürzenden Neubauten aus. „Eine ggf. erforderliche vorzeitige Instandsetzung des Oberbaus ist berücksichtigt“, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme des Landesbetriebs zu der Einwendung, welche die CBG im Rahmen des Genehmigungsverfahrens bei der Bezirksregierung eingereicht hatte.
Die Coordination plädierte stattdessen immer für eine Tunnel-Lösung. Gegen diese aber opponierte BAYER frühzeitig. Angebliche lasse nur eine oberirdische Streckenführung Gefahrgut-Transporte zu, behauptete der Konzern, was ein Gutachten später widerlegen sollte. Bereits im Juli 2013 schrieb die
CURRENTA, ein Tochter-Untenehmen des Multis, einen Brandbrief an den Bundesverkehrsminister, den Landesverkehrsminister und Straßen.NRW. „Eine Tunnel-Lösung im Verlauf der A1, wie sie derzeit in Leverkusen diskutiert wird, würde sich negativ auf unsere Standorte auswirken“ hieß es in dem Schreiben, das eine eindeutige Forderung enthält: „Im Interesse aller an diesen Standorten produzierenden Unternehmen bitten wir Sie daher, von einer derartigen Planung abzusehen.“ Und die Politik hörte die Signale. Der Ministerialrat Michael Heinze sagte den Managern laut Kölner Stadtanzeiger zu, dass „eine Tunnel-Lösung für Leverkusen nicht vorgesehen sei“. Als „eine fein abgestimmte Vorgehensweise“ apostrophierte Gerd Deimel vom „Verband der Chemischen Industrie“ diesen Schulterschluss zwischen Wirtschaft und Politik in der WDR-Sendung „Westpol“. Und auf die Frage des Journalisten: „Dann kann man Ihnen natürlich jetzt Lobbyismus vorwerfen“ antwortete er: „Das könnte man tun, ja.“
„Es ist ein Skandal, dass das Leipziger Bundesverwaltungsgericht diese Mauscheleien jetzt höchstrichterlich beglaubigt“, so CBG-Geschäftsführer Jens Wegener. Die Coordination werde sich auch nach dem Urteil gemeinsam mit den Bürgerinitiativen weiterhin für einen Tunnel einsetzen, bekräftigte er.