an den Vorstand und die zuständigen Stellen des BAYER-Konzerns
Am 24. Juni gab der BAYER-Konzern die Einigung im Mediationsverfahren zur Beilegung der Klagen von Glyphosat-Geschädigten in den USA bekannt. Mit der Zahlung von 8,8 bis 9,6 Milliarden US-Dollar sollen laut Konzernaussage drei Viertel der anhängigen 125.000 Krebsklagen abgeschlossen werden. 1,25 Milliarden hält BAYER für potenzielle künftige Vereinbarungen mit Personen vor, die an Lymphdrüsenkrebs erkrankt sind.
Dieser Betrag hört sich, durchaus im Sinne der BAYER-PR, nach einer riesigen Summe an. Für die Krebs-PatientInnen sind es aber nur erbärmliche Brotkrumen. Die US-amerikanische Journalistin Carey Gillam von der Initiative U.S. Right to Know kritisiert: „Nach Abzug der Anwaltshonorare und -kosten werden einige KlägerInnen sehr wenig Geld erhalten, verglichen mit den großen Urteilen, die wir bisher gesehen haben in den drei Fällen, die bisher vor Gericht kamen. Außerdem arbeitet BAYER daran, dass künftige KlägerInnen ihre Ansprüche nicht vor einer Jury geltend machen können.“
Nach einer ersten Schätzung der Coordination gegen BAYER-Gefahren(CBG), vorbehaltlich der intransparenten Zahlen von BAYER, landen bei den einzelnen KlägerInnen lediglich 60.000 bis 70.000 Dollar. In Rechnung gestellt, dass die von Glyphosat verursachten Krebserkrankungen, die hohe physische und psychische Belastungen sowie umfangreiche materielle Schäden nach sich ziehen, den Betroffenen ungefähr zwanzig Jahre Lebenszeit rauben, bleiben da gerade einmal 300 US-Dollar pro verlorenem Monat.
Von einer angemessenen Entschädigung kann also keine Rede sein. Die ausgezahlten Geldbeträge würdigen den Verlust von Gesundheit und Lebensqualität der Betroffenen in keinster Weise. Sie reichen darüber hinaus nicht einmal annähernd für die erheblichen medizinischen und anderen Folgekosten, unter denen die Glyphosat-Geschädigten und ihre Familien zu leiden haben. Der Zynismus dieser Rechnung ist menschenverachtend. Zum Vergleich: In dem ersten Gerichtsverfahren zu zum hauptsächlich unter dem Label Roundup vermarkteten Glyphosat erhielt der US-amerikanische Hausmeister Dewayne Johnson erst-instanzlich einen Schadensersatz von 39 Millionen Dollar zugesprochen.
Um zukünftige Klagen auszuschließen, strebt BAYER ein sogenanntes „Class Science Panel“ an. Dieses soll entscheiden, ob Glyphosat Lymphdrüsenkrebs verursachen kann, und falls ja, welche Expositionsniveaus hierfür mindestens erreicht sein müssen, damit die Betroffenen ein Recht auf Entschädigungen haben. Wir weisen darauf hin, dass diese Beweise von der internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) bereits 2015 vorgelegt wurden und etliche Studien die von dem herbiziden Wirkstoff ausgehende Krebs-Gefahr belegen. Die Einrichtung eines solchen Panels ist also ein Schritt zur Bekämpfung bereits vorhandener Erkenntnisse.
BAYER will Geschädigten mit diesem angeblich „wissenschaftlichen“ Panel den Rechtsweg verbauen und einen Schlussstrich unter das Kapitel „Glyphosat“ ziehen, ohne einen Schlussstrich unter BAYERs Produktion, den Verkauf und die Profite mit Glyphosat zu ziehen. Dabei gilt es im Gegenteil, der Vielzahl der Glyphosat-Betroffenen in Lateinamerika, Europa und dem Rest der Welt erst einmal eine Möglichkeit zu schaffen, ihre Schädigungen juristisch geltend zu machen! Darum appellieren die UnterzeichnerInnen dieses Schreibens an die BAYER-Verantwortlichen: „Beenden Sie diesen unwürdigen, menschenverachtenden und zynischen Umgang mit menschlicher Gesundheit und dem menschlichen Leben! Ermöglichen Sie allen Geschädigten faire juristische Möglichkeiten, ihre Schäden einzuklagen!“
Der US-Richter Vince Chhabria, der das Mediationsverfahren angeregt hatte und das Ergebnis absegnen muss, äußerte dann auch bereits massive Zweifel an BAYERs Versuch, den Glyphosat-Komplex zu einem extra-legalen Abschluss zu bringen. Er zeigte sich alles andere als überzeugt davon, „ob es verfassungsgemäß (oder generell gesetzmäßig) wäre, die Entscheidung der Kausalitätsfrage (d. h. ob – und wenn ja, ab welcher Dosis – Roundup in der Lage ist, Krebs zu verursachen) über Richter und Jurys hinweg an ein Gremium von Wissenschaftlern zu delegieren“. Zwar zog der BAYER-Konzern den Antrag auf vorläufige Genehmigung des Übereinkommens auf die Kritik des Richters hin zurück, er hält jedoch weiter an seiner Forderung fest, zukünftige Verfahren zu verhindern. Das ganze Paket will das Unternehmen auf keinen Fall wieder aufschnüren, sondern lediglich „einige Anpassungen“ vornehmen.
Der BAYER-Konzern leugnet weiterhin beharrlich und wider alle offenkundigen Beweise seine Verantwortung, und die seiner Tochter Monsanto, für die durch das Glyphosat angerichteten Schäden. Auch im aktuellen Vergleich findet sich keinerlei Eingeständnis einer Schuld oder eines Fehlverhaltens. Dies hat BAYER auch öffentlichkeitswirksam mitgeteilt. Neben den oben bereits aufgeführten Studien finden sich allerdings sogar in firmeninternen Dokumenten von MONSANTO eindeutige Beweise für die Gefährlichkeit von Glyphosat. Beispielsweise informierte im Jahr 2008 ein Beschäftigter die US-Toxikologin Donna Farmer über eine Untersuchung zum Zusammenhang zwischen Glyphosat und dem Lymphdrüsenkrebs „Non-Hodgkin-Lymphom“: „Die Fall-Kontroll-Studie ergibt ein Chancen-Verhältnis von 2,02 bei Glyphosat-Exposition (eine verdoppelte Wahrscheinlichkeit, die Krankheit zu bekommen)“, heißt es in der fraglichen Mail. Auch existierte eine MONSANTO-interne Studie, die bei Glyphosat ausgesetzten Versuchstieren ein signifikant erhöhtes Risiko auswies, an Nierenkrebs zu erkranken. Dieses frühzeitige Wissen MONSANTOs um die Gefährlichkeit des Agrargifts war es auch, welche die Gerichte in den bisherigen drei Verfahren dazu bewog, in ihren Urteilen nicht nur Entschädigungen für die KlägerInnen, sondern auch drastische Strafzahlungen zu verhängen.
Neben der moralischen Bankrott-Erklärung ist die weitere Produktion von Glyphosat auch ökonomisch potenziell eine Katastrophe. Zwar wurde der jetzige Vergleich mit dem Ziel abgeschlossen, das Kapitel „Glyphosat“ im Sinne der Groß-AktionärInnen abzuschließen. Jedoch sind allein in den USA noch ca. 35.000 durch den Vergleich nicht abgedeckte Klagen anhängig. Auch ist es höchst fraglich, ob die von BAYER veranschlagte Zahl von neu hinzukommenden Verfahren gehalten werden kann, nicht zuletzt deshalb, weil der Konzern in unverantwortlicher Weise an der Herstellung des Pestizids festhält. Bei einer jährlichen Produktion von 770.000 Tonnen kommen täglich neue Geschädigte in großer Zahl hinzu. Ein beträchtlicher Teil der Opfer des BAYER-Pestizids lebt aber nicht in den USA, sondern in Europa und, vor allem, in Lateinamerika und hatte bislang keine Möglichkeit, vor Gerichten eine Entschädigung zu fordern.
Es wäre also klüger und weitsichtiger, einen Kurswechsel einzuläuten und Glyphosat nicht noch mehr Schaden für Mensch, Tier und Umwelt anrichten zu lassen. Glyphosat ist auch ein großer Klima-Killer. Dass BAYERs Kohlendioxid-Emissionen im Geschäftsjahr 2019 um 830.000 Tonnen auf 3,71 Millionen Tonnen gestiegen sind, geht zu einem Großteil auf die extrem energie-intensive Glyphosat-Produktion am Standort Soda Springs zurück. Es ist also an der Zeit zu handeln, bevor die humane Katastrophe sowie die ökonomischen Schäden den Rahmen, den der Konzern bewältigen kann, sprengen. Dies wäre nicht nur im Interesse der Glyphosat-Geschädigten, sondern nützte auch den Beschäftigten, deren Arbeitsplätze durch das Festhalten an der Giftproduktion gefährdet werden, sowie Klein-AktionärInnen, deren Wertanlagen auf dem Spiel stehen.
Vor dem Hintergrund der hier dargestellten Sachverhalte stellen wir an den Vorstand des BAYER-Konzerns die folgenden Forderungen:
1. Glyphosat sofort stoppen! Betroffene & Familien entschädigen!
1.1 Stellen Sie die Produktion und den Vertrieb von Glyphosat unverzüglich ein. Beenden Sie sofort jegliche Werbung und jegliches Lobbying für Glyphosat. Stellen Sie sich einer unabhängigen Prüfung des Risiko-Potenzials Ihrer sonstigen Pestizide. Beenden Sie gegebenenfalls auch deren Produktion.
1.2 Zahlen Sie den Geschädigten Ihres Produktes Glyphosat, sowie deren Familien & Hinterbliebenen gerechte Entschädigungen für das erlittene Leid und die gesundheitlichen Schäden und Folgekosten.
2. Öffnung aller Akten! Vollständige Information der Öffentlichkeit!
2.1 Legen Sie ALLE Fakten, die BAYER/MONSANTO über Glyphosat bekannt sind, offen. Dies schließt den internen Schriftverkehr, der bei BAYER und MONSANTO zu Glyphosat geführt wurde, ein. Ebenso muss die interne MONSANTO-Studie über Nierenkrebs der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
2.2 Legen Sie sämtliche Methoden der Fake Science bzw. Wissenschaftsmanipulation offen, mit denen Sie die Erstellung von Glyphosat-Studien beeinflusst haben. LobbyControl deckte bereits im Dezember 2019 die geheime Finanzierung von Studien zum angeblichen ökologischen Nutzen von Glyphosat am Institut für Agribusiness in Gießen durch MONSANTO auf.
3. Juristische Aufarbeitung der „Akte Glyphosat“! Verantwortliche bestrafen!
3.1 Sorgen Sie für eine umfassende Aufarbeitung der Glyphosat-Verbrechen. Stellen Sie sich einer unabhängigen juristischen und wissenschaftlichen Untersuchung der durch Glyphosat angerichteten Schäden an Mensch, Tier und Umwelt.
3.2 Sorgen Sie für die juristische Verfolgung der Verantwortlichen.
Düsseldorf, 31. Juli 2020
Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG)
Vorstand
Uwe Friedrich/Brigitte Hincha/Axel Köhler-Schnura/Jan Pehrke
Marius Stelzmann (Geschäftsführer CBG)
Aktion Agrar
Block BAYER
Dachverband der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre
Fridays for Future Leverkusen
Institute for Responsible Technology
James Hayes (Glyphosat-Geschädigter)
Slow Food Youth Deutschland
Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany)
Umweltinstitut München
Wir haben es satt!-Bündnis