Liebe Leserinnen und Leser,
Seit mehr als fünf Jahren betreibt die Firma H. C. STARCK in Laufenburg eine Versuchsanlage, in der sie im Auftrag von BAYER winzig kleine Kohlenstoff-Röhrchen – so genannte Nanotubes – herstellt. Mitte Januar nun hat das Unternehmen, das früher selber zum Leverkusener Multi gehörte, beim Regierungspräsidium Freiburg einen Antrag auf einen dauerhaften Betrieb sowie auf eine Kapazitätserweiterung gestellt. Die zuständige „Abteilung Umwelt“ hält das für eine reine Formsache. Da „keine schweren, komplexen, irreversiblen oder grenzüberschreitende, erheblich nachteilige Unweltauswirkungen auf den Standort (…) zu erwarten“ seien, will sie auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung verzichten und im Genehmigungsverfahren lediglich immissionsschutzrechtliche Aspekte berücksichtigen und eine Erheblichkeitsuntersuchung durchführen.
Dagegen protestieren der Verein LEBENSWERTER HOCHRHEIN und die ÖKOLOGISCHE ÄRZTE-INITIATIVE HOCHRHEIN IM BUND. Die Gruppen befürchten nämlich sehr wohl negative Auswirkungen. Es wäre nicht das erste Mal in der Menschheitsgeschichte, dass bei einer Neuentwicklung mit Blick auf den verlockenden steigenden Umsatz erste Hinweise auf bedeutsame Gesundheitsgefahren nicht beachtet werden. Man denke nur an Asbest, die Atomkraft und Holzschutzmittel. Und bei der Nano-Technologie gibt es solche Anzeichen, denn sie lässt Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen, wodurch diese unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften entwickeln. So konstatiert das „Fraunhofer Institut für Toxikologie“: „Einige Untersuchungen weisen daraufhin, dass bestimmte Nano-Tubes mit speziellen Eigenschaften beim Einatmen ähnlich krebserregend sein könnten wie Asbest-Fasern.“ Und der BAYER-Konzern selber hält in dem Sicherheitsdatenblatt zu den „BAYTUBES C 70P“ fest: „Achtung – noch nicht vollständig geprüfter Stoff“ und warnt vor einem Kontakt mit dem Material, denn: „Toxikologische Untersuchungen am Produkt liegen nicht vor.“
Zudem kommen bei der Herstellung von BAYTUBES brennbare Gase wie Ethen und Wasserstoff zum Einsatz, die sich teilweise neben nano-haltigen Feinstäuben und dem krebsauslösenden Kobalt in der Abluft wiederfinden.
Uns ist nicht verständlich, warum bei derart hochexplosiven Einsatzstoffen und gesundheitsgefährdenden Abgasen und angesichts eines Produkts, für das noch keine ökotoxologische Untersuchungen vorliegen, eine solche Anlage nicht zwingend der Störfallverordnung unterliegen muss und eine Umweltverträglichkeitsprüfung zu durchlaufen hat. Noch dazu, wo sie laut Regierungspräsidium mitten in einem „sensiblen Umfeld“ liegt (zwei Kindergärten und zwei Schulen, Wohngebiete und der Rhein in unmittelbarer Nähe!).
Hier drängt sich der Verdacht auf, dass der Regierungspräsident mit einer solchen Unterlassungshandlung die Produktionsfreudigkeit der Industrie begünstigen will – zum Nachteil von Mensch und Umwelt. Wir fordern hingegen den Nachweis der Unbedenklichkeit und die Offenlegung aller BAYER-Studien zu den Nanotubes. Eine Betriebsgenehmigung auf Basis einer derart oberflächlichen Einschätzung des Gefährdungspotenzials halten wir für nicht verantwortbar. Und dieses werden wir auch auf dem für den 21. März angesetzten Erörterungstermin deutlich machen.
Barbara Dohmen ist Allgemein- und Umweltmedizinerin und gehört dem Vorstand der Vereine LEBENSWERTER HOCHRHEIN und ÖKOLOGISCHE ÄRZTE-INITIATIVE HOCHRHEIN IM BUND an.