Schlüpfrige Kampagne erfolgreich
BAYER stoppt Endosulfan
Seit zwanzig Jahren verlangt die Umweltbewegung ein Verbot von Endosulfan. Immer wieder wurden tödliche Vergiftungen und schwere Umweltschäden durch das Insektizid dokumentiert. Während der Gebrauch des Präparats in Europa seit langem untersagt ist, steigt der Verbrauch in Ländern des Südens sogar noch an. Nun kam BAYER den Forderungen endlich nach und kündigte als letztes westliches Unternehmen einen Verkaufs-Stopp an.
Von Philipp Mimkes
Die Aktion war nicht nach jedermanns Geschmack: die britische Gruppe PANTS TO POVERTY, die sich für ökologischen Baumwoll-Anbau einsetzt und Unterwäsche aus fairer Produktion vertreibt, forderte ihre UnterstützerInnen Anfang Juli auf, gebrauchte – aber gewaschene – Unterhosen an BAYER zu senden. Damit protestierte die Initiative gegen die Risiken und Nebenwirkungen des Ackergift-Einsatzes auf den Baumwoll-Plantagen. Ihrer Forderung an den Leverkusener Multi, endlich den Verkauf des Uralt-Pestizids Endosulfan zu beenden, schlossen sich in Indien hunderte Baumwollfarmer und Textilarbeiter an. Zudem unterstützten die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG), das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) und die ENVIRONMENTAL JUSTICE FOUNDATION die schlüpfrige Kampagne.
„Höschen-Hetze gegen BAYER“ titelte daraufhin der Spiegel, dabei offensichtlich Täter und Opfer verwechselnd. Endosulfan ist nämlich einer der großen Killer auf den Baumwoll-Plantagen in Asien und Afrika. Allein im kleinen westafrikanischen Land Benin führte der Einsatz des Pestizids innerhalb von zwei Jahren zu über 50 Todesfällen. In Indien kommt es beinahe täglich zu Vergiftungen. Jüngst starben fünf Schüler, nachdem sie mit Endosulfan vergiftete Milch getrunken hatten.
Der Wirkstoff wirkt direkt auf das zentrale Nervensystem und führt zu epilepsie-artigen Krämpfen, Schäden des Hormonsystems, Erblindungen sowie Leber- und Nierenschäden. Darüber hinaus steht Endosulfan im Verdacht, Krebs auszulösen. Zudem werden viele Vergiftungsfälle indirekt verursacht, durch kontaminiertes Wasser und belastete Nahrungsmittel. Umweltgruppen fordern seit rund zwei Jahrzehnten, den Verkauf von Endosulfan einzustellen, da eine gefahrlose Anwendung, besonders unter Armutsbedingungen, prinzipiell nicht möglich ist. Rund 99 % aller Pestizid-Vergiftungen treten denn auch in Entwicklungsländern auf.
In Deutschland besitzt das Nervengift seit 1991 keine Zulassung mehr. Dennoch vermarktet BAYER den Wirkstoff in anderen Ländern unter den Handelsnamen MALIX, PHASER und THIODAN als letztes westliches Unternehmen weiter, überwiegend für den Einsatz im Baumwollanbau. In das BAYER-Sortiment war das in mittlerweile 62 Ländern verbotene Insektizid im Jahr 2002 durch die Übernahme von AVENTIS CROPSCIENCE gelangt.
Eine Woche nach der Unterhosen-Aktion erreichte ein Mitglied der CBG eine Nachricht der Abteilung „Investor Relations“ von BAYER. Nach dem für den Leverkusener Multi äußerst ungewöhnlichen Eingeständnis: „Wir sind uns dabei bewusst, dass der sachgerechte Umgang mit Pflanzenschutzmitteln unter bestimmten Bedingungen in einigen Ländern der Dritten Welt nicht immer gewährleistet ist“, folgt die Ankündigung, „die Vermarktung des Wirkstoffes Endosulfan bis zum Jahresende 2010 sukzessive in den Ländern, in denen er noch registriert ist, zu beenden.“ Ein großer Erfolg jahrzehntelanger Kampagnen und Lobbyarbeit. Carina Weber, Geschäftsführerin von PAN Germany kommentiert: „Immer wieder haben wir BAYER darauf aufmerksam gemacht, dass Endosulfan viele Schäden und Todesfälle verursacht. Die Entscheidung, die Vermarktung zu beenden, ist daher überfällig.“
Nicht nur auf die menschliche Gesundheit, sondern auch auf die Umwelt hat Endosulfan immense Auswirkungen. Bereits geringe Konzentrationen genügen, um Pflanzen- und Tierwelt nachhaltig zu schädigen. Anfang des Jahres wurde aus Australien ein großes Fischsterben nach einem Einsatz von Endosulfan in Nuss-Plantagen gemeldet. Rund 10 Tonnen Endosulfan waren auch an Bord der philippinischen Fähre „Princess of the Stars“, die im Juni 2008 in einen Taifun geriet und sank, wobei 800 Menschen den Tod fanden. Die Ladung musste aufwendig geborgen werden, um eine Meeres-Verseuchung zu verhindern.
Da der Patentschutz abgelaufen ist, wird der Wirkstoff mittlerweile auch in Entwicklungsländern produziert. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass der Einsatz von Endosulfan und die Zahl der Vergiftungsfälle besonders in Indien dramatisch ansteigt. Die meisten LandarbeiterInnen dort haben keinerlei Zugang zu Schutzkleidung. In solchen Gebieten, in denen der Endosulfan-Einsatz verboten wurde, sank hingegen die Rate von Totgeburten, Missbildungen und neurologischen Schäden deutlich.
Durch den Vermarktungs-Stopp von BAYER rückt nun auch eine internationale Ächtung des Agrogiftes näher. Bislang waren alle Versuche gescheitert, Endosulfan in die betreffenden Konventionen von Stockholm und Rotterdam aufzunehmen. Die beiden Abkommen sehen die Eindämmung des Exports von Giftmüll und von gefährlichen Chemikalien vor. Beide Verfahren scheiterten im Fall von Endosulfan trotz Unterstützung der EU-Kommission bislang an der indischen Regierung. Das Argument, dass schließlich auch westliche Konzerne das Insektizid verkaufen, fällt mit dem Einlenken von BAYER jetzt weg. Deshalb könnte die Vertragsstaaten-Konferenz im Jahr 2011 das globale Aus für Endosulfan einläuten.