Viele Risiken und Nebenwirkungen
Im Dezember 2018 hat Brüssel eine Import-Zulassung für einen neuen Gentechnik-Mais von BAYER ausgesprochen, ohne die Laborfrucht gründlich auf ihr Gefahren-Potenzial untersucht zu haben. Bei früheren Genehmigungsverfahren zeigte die EU sich ebenso großzügig. Die Initiative TESTBIOTECH kritisiert diese Unterlassungen massiv.
Von Christoph Then (TESTBIOTECH)
Die Firma BAYER profitiert von Anbau und Verarbeitung von Gentechnik-Mais, der von der Firma MONSANTO entwickelt wurde und dessen Ernte ein ganzes Arsenal an Giften enthalten kann. Ein Beispiel für solchen Mais ist der sogenannte SMARTSTAX-Mais: Dieser Mais ist eine Kombination aus vier gentechnisch veränderten Events (MON88017, MON89034, 59122, 1507), der sechs Bt-Insektengifte produziert und gegenüber zwei Herbiziden resistent ist. Er wurde 2013 für den Import zugelassen und wird unter dem Namen SMARTSTAX unter anderem in den USA angebaut.
Dieser Mais ist Teil einer Geschäftsstrategie, die darauf beruht, patentiertes Saatgut und Herbizide im Doppelpack zu verkaufen. Dies geht mit erheblichen Belastungen für Mensch und Umwelt einher: Das Erbgut der Pflanzen weist Resistenzgene gegen mehrere Unkrautvernichtungsmittel auf. Daher ist es möglich, die Gentechnik-Pflanzen mit sehr hohen Dosierungen dieser speziellen Unkrautvernichtungsmittel zu spritzen. In der Folge kann auch die Ernte dieser Pflanzen erhebliche Rückstandsmengen dieser Herbizide aufweisen. Zusätzlich finden sich in der Ernte auch mehrere von den Gentechnik-Pflanzen produzierte Bt-Insektengifte. Trotzdem hat die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) keine einzige Fütterungsstudie zur Überprüfung gesundheitlicher Risiken verlangt.
Ende 2018 wurde eine neue Variante dieses Gentechnik-Mais’ für den Import zugelassen: Bei diesem Mais ist die Resistenz gegenüber Glyphosat verdoppelt. Anfang 2019 hat sich die EFSA nun für die Zulassung zweier weiterer Varianten des umstrittenen Gentechnik-Mais’ ausgesprochen: Es geht dabei um Anträge auf die Zulassung von Gentechnik-Mais, bei dem bis zu fünf Kreuzungen durchgeführt wurden, um verschiedene gentechnisch veränderte Eigenschaften zu kombinieren. Im Ergebnis sind diese Pflanzen gegen bis zu vier Wirkstoffgruppen von Herbiziden (Glyphosat, Glufosinat, 2,4-D und AOPP) resistent gemacht und produzieren bis zu sechs Insektengifte. (Abb. 1)
Die EU-Kommission hat bereits mehrere Genmais-Varianten zugelassen, die verschiedene Bt-Insektengifte produzieren und gleichzeitig gegenüber der Anwendung von Herbiziden resistent gemacht sind (siehe Beispiele in Tabelle 1). In keinem Fall wurden bisher die Auswirkungen dieser Kombinationen verschiedener Giftstoffe auf die Gesundheit getestet.
Zwar produzieren die Mitgliedsländer selbst erhebliche Mengen an Mais, dennoch werden noch große Mengen in die EU importiert: So wurden beispielsweise im Jahr 2018 mehr als 21 Millionen Tonnen Mais in die EU eingeführt (Quelle: Eurostat), das meiste davon zur Verwendung als Futtermittel. (Tab. 1)
Dass die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA die gesundheitlichen Risiken, die mit einem Verzehr des Gentechnikmais’ einhergehen, nicht ausreichend untersucht hat, zeigt sich u. a. an den Beispielen (a) möglicher Immunreaktionen, (b) Herbizid-Rückstände und (c) Wechselwirkungen auf der Ebene der Genaktivität.
a) Immunsystem-Reaktionen
Nach aktuellen Forschungsergebnissen vermögen Bt-Toxine, wie sie auch in den in der EU zugelassenen Gentechnik-Pflanzen produziert werden, Allergien auszulösen. Schon länger ist bekannt, dass Bt-Toxine Reaktionen des Immunsystems auf bestimmte Reize verstärken können. Bestimmten Impfstoffen werden Bt-Toxine deswegen als Immunverstärker (Adjuvans) zugesetzt. In ihren Bewertungen weist die EFSA darauf hin, dass für diesen Effekt relativ hohe Konzentrationen von Bt-Toxinen nötig seien und deswegen der Verzehr von Gentechnik-Pflanzen unbedenklich sei. Doch im Falle von Maispflanzen, die gleich sechs Insektengifte produzieren, ist die Gesamtkonzentration der Bt-Gifte wesentlich höher als in Pflanzen, in denen nur einzelne Insektengifte produziert werden. Und im Mais-Gluten, dem wichtigsten Eiweiß-Futtermittel, das aus Mais gewonnen wird, kann die Konzentration der Bt-Toxine noch einmal um mehr als das 10-Fache angereichert werden. Die Konzentrationen unterliegen zudem erheblichen Schwankungen (siehe Abbildung 2). Trotzdem haben weder die EFSA noch die EU-Kommission eingehende Untersuchungen der damit einhergehenden Risiken verlangt. (Abb. 2)
b) Spritzmittel-Rückstände
In den letzten Jahren haben die Aufwendungen an Herbiziden (Menge pro Hektar und Anzahl der Spritzvorgänge) in Zusammenhang mit dem Anbau von Gentechnik-Pflanzen erheblich zugenommen, da sich viele Unkrautarten insbesondere an den Gebrauch von Glyphosat angepasst haben. Für die Risikobewertung ergeben sich daraus mehrere Probleme: Bei der Bewertung der gesundheitlichen Risiken kommt es nicht nur auf die Höhe der Rückstände an, sondern auch darauf, welche Zusatzstoffe und Mischungen in den jeweiligen Anbauregionen eingesetzt werden. Hier sieht sich die EFSA derzeit vor nicht lösbaren Aufgaben: 2018 stellte die Behörde ausdrücklich fest, dass sie keine ausreichenden Daten darüber habe, welche Risiken von den Glyphosat-Rückständen in gentechnisch verändertem Mais und Soja ausgehen. Trotzdem wurden die Importe nicht gestoppt.
Die Firmen wissen natürlich um diese Pro-ble-matik. Bei Freisetzungsversuchen, deren Daten bei Zulassungsverfahren verwendet werden, setzen sie oft wesentlich geringere Mengen an Herbiziden ein, als das in der Praxis üblich ist (siehe Tabelle 2). Damit stimmen diese Daten nicht mit den Produkten überein, die tatsächlich importiert werden sollen. Trotzdem akzeptieren die EFSA und die EU-Kommission diese Daten regelmäßig. Dies ist im Falle des Mais’ MON 87427 x MON 89034 x 1507 x MON 88017 x 59122 besonders heikel: Er weist eine verdoppelte Resistenz gegenüber dem Spritzmittel Glyphosat auf und kann daher mit besonders hohen Dosierungen gespritzt werden. (Tab. 2)
c) Wechselwirkungen
Die Aktivität der zusätzlich eingeführten Gene kann von mehreren Faktoren abhängig sein wie Umwelteinflüssen (Klima, Schadinsekten-Befall), der landwirtschaftlichen Praxis (Spitzmittel- und Düngemittelaufwendungen) und den Wechselwirkungen im Genom. Tatsächlich wurden diese Einflussfaktoren aber nicht im Detail untersucht. So fanden die Freisetzungen nur jeweils für ein Jahr und nur an Standorten in den USA statt. Der Mais wird aber auch in Kanada, Brasilien und Argentinien angebaut. Die Aufwandsmengen an Herbiziden entsprachen nicht den zu erwartenden Bedingungen in der Praxis (siehe oben). Daten, die darauf hinweisen, dass es durch die Genkombination zu erhöhten Genaktivitäten kommen kann, wurden ‚übersehen‘. So gibt es laut EFSA im Falle des Mais’ MON 87427 x MON 89034 x 1507 x MON 88017 x 59122 (Fünffachkreuzung) keine Veränderungen gegenüber der Genaktivität in den Ausgangspflanzen in Bezug auf die Bt-Toxine. Doch vergleicht man die vorliegenden Zahlen zu Blättern und Körnern, zeigt sich im Fall der Fünffachkreuzung eine deutliche Tendenz zu höheren Genaktivitäten der Bt-Toxine (siehe Abbildung 3)
Eine mögliche Erklärung für diese Effekte: Durch die Kreuzung mit dem Mais MON 87427 wird in den Pflanzen auch die Menge des Enzyms EPSPS, das die Resistenz gegenüber Glyphosat verleiht, erhöht. Dieses zusätzlich in den Pflanzen gebildete Enzym führt nach neuen Forschungsergebnissen nicht nur dazu, dass die Pflanzen gegenüber Glyphosat resistent werden. Es greift auch in den Stoffwechsel der Pflanzen ein, der Wachstum und Fruchtbarkeit steuert. Das kann dazu führen, dass Nachkommen der Pflanzen mehr Samen bilden, resistenter gegen Umweltstress sind oder eben mehr Bt-Toxine produzieren. Als mögliche Ursache für die beobachteten Effekte nennen chinesische ForscherInnen eine vermehrte Bildung des Hormons Auxin in den Gentechnik-Pflanzen. Dieses pflanzliche Hormon ist an der Regulation von Wachstum, Fruchtbarkeit und Anpassung an Umweltstress beteiligt. Interessanterweise können Stressfaktoren wie Hitze und Trockenheit diese Effekte verstärken. Diese unerwarteten Nebenwirkungen der gentechnischen Veränderung, die bei ganz vielen der derzeit angebauten Gentechnik-Pflanzen auftreten können, wurden über 20 Jahre lang von den Zulassungsbehörden übersehen.
TESTBIOTECH fordert bereits seit Jahren, dass Gentechnik-Pflanzen einer Art Stresstest ausgesetzt werden müssten, um herauszufinden, wie die Pflanzen auf veränderte Umweltbedingungen reagieren, wie diese u. a. durch den Klimawandel verursacht werden. Bisher bestreitet die EFSA die Notwendigkeit für eingehendere Untersuchungen stets. Wie hoch der Bt-Gehalt in den einzelnen Teilen der Pflanzen unter den Bedingungen des Klimawandels tatsächlich ist, kann auf der Grundlage der vorliegenden Daten nicht beurteilt werden.
Zusammenfassung
Die möglichen gesundheitlichen Auswirkungen eines Verzehrs von Lebens- und Futtermitteln, die von diesen Gentechnik-Pflanzen stammen, wurden nicht ausreichend untersucht. Anstatt dem Schutz von Gesundheit und Umwelt Priorität einzuräumen, gibt die EFSA freie Bahn für internationalen Handel und die Interessen der Konzerne. Die Firma BAYER profitiert von diesen mangelnden Sicherheitskontrollen derzeit am stärksten.
TESTBIOTECH will über den Weg der EU-Gerichte genauere Untersuchungen verpflichtend machen (Verfahren C-82/17 P). Leider sieht es nach einer kürzlich veröffentlichten Stellungnahme des Generalanwaltes des Europäischen Gerichtshofes nicht danach aus, als ob die RichterInnen weitere Untersuchungen zur Auflage machen würden. Die Entscheidung wird für 2019 erwartet. ⎜
Weitere Informationen:
Aktuelle Stellungnahmen der EFSA:
www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/5522
www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/5521
Die Bewertungen zweier aktueller EFSA-Stellungnahmen durch TESTBIOTECH: .testbiotech.org/node/2333
Bericht über aktuelle Forschungsergebnisse zu Risiken von Bt-Toxinen für das Immunsystem:
www.testbiotech.org/pressemitteilung/k-nnen-bt-gifte-allergien-ausl-sen Informationen zum Gerichtsverfahren C-82/17 P:
http:www.testbiotech.org/eugericht
Weitere Quellen:
Eurostat: https:circabc.europa.eu/sd/a/7444b253-5714-4933-9175-7b4445337ce6/cereals-monthly-trade-eurostat_en.xlsx
Monsanto (2013) Application for authorization to place on the market MON 87427 × MON 89034 × 1507 × MON 88017 × 59122 maize in the European Union, according to Regulation (EC) No 1829/2003 on genetically modified food and feed EFSA-GMO-BE-2013-118, EFSA-Q-2013-00926, Part II Scientific information. Made available upon request by EFSA.