Presse Information vom 3. April 2008
Coordination gegen BAYER-Gefahren
BAYER: Marketing für Hormonpräparate in der Kritik
unlautere Werbemethoden / auch Männer im Visier / Gegenantrag zur Hauptversammlung
Durch die Übernahme der Schering AG ist der Bayer-Konzern zum weltweit größten Anbieter von Verhütungsmitteln und Hormonen geworden. Auch die ehemalige DDR-Dopingschmiede Jenapharm, mittlerweile Marktführer für orale Kontrazeptiva in Deutschland, gehört nun zum Leverkusener Unternehmen.
Für das neue Geschäftsfeld initiiert der Konzern im Wochentakt neue Werbeaktionen: Bayer gibt laufend Umfragen zu den Themen Familienplanung und Sexualität in Auftrag, sponsort eine Unzahl von Internetforen zu Gesundheitsthemen, organisiert Pressegespräche, finanziert Kampagnen wie den „Weltverhütungstag“ und fördert Kongresse zum Thema Familienplanung.
Dabei schreckt das Unternehmen vor unbewiesenen Behauptungen nicht zurück. Mal heißt es, dass 30% aller Männer unter einem zu niedrigen Testosteron-Spiegel leiden, ein andermal soll durch Hormonspritzen „das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich gesenkt“ werden, dann wiederum sollen nur bei zwei von zehn Männern „die vitalen Körperfunktionen problemlos funktionieren“. Auch auf Nachfrage kann das Unternehmen zu keiner dieser Aussagen ernstzunehmende Belege liefern.
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) hat daher einen Gegenantrag zur Bayer-Hauptversammlung am 25. April eingereicht. Die Konzernkritiker fordern, dem Vorstand wegen des verantwortungslosen Pharma-Marketings die Entlastung zu verweigern. Hubert Ostendorf vom Vorstand der CBG: „Laien sind häufig nicht in der Lage, die haltlosen Versprechungen der Pharma-Produzenten zu durchschauen. Werbung für Pharmazeutika in Medien und im Internet muss daher verboten werden. Die Information über Medikamente gehört in die Hände von Ärzten und unabhängigen Prüfern – die Pharmaindustrie kann aufgrund ihrer kommerziellen Interessen nicht ausgewogen informieren.“
Glaubt man der Bayer-homepage, so treibt den Konzern die Sorge um Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit um („weltweit Armut bekämpfen, die Umwelt schützen, die Globalisierung gerechter gestalten“). Tatsächlich geht es Bayer wohl eher darum, Hormonpräparate weltweit als Standard-Verhütungsmittel zu etablieren – denn die Gewinne sind gigantisch: die „Pille“ ist mit einem jährlichen Umsatz von über einer Milliarde Euro mittlerweile die wichtigste Produktgruppe des Konzerns. Durch das Marketing-Feuerwerk sollen die mitunter schweren Nebenwirkungen – Thrombosen, Embolien, Depressionen, Brust- und Gebärmutterhalskrebs – in den Hintergrund gedrängt werden.
In jüngster Zeit geraten immer mehr die Männer in das Visier der Hormon-Produzenten. Die Bayer-Werbeabteilung lancierte hunderte Artikel in aller Welt, in denen Hormontherapien gepriesen werden. Die Artikel kommen meist als „Gesundheitsberatung“ oder „Telefonsprechstunde“ daher. Analog zum Prä-Menstruellen Syndrom erfanden die Hormonproduzenten sogar eine neue „Krankheit“, das Testosteron-Mangel-Syndrom. Als mögliche Indikationen für eine Behandlung werden Zunahme des Bauchfetts, verringerte Libido, Haarausfall oder eine Abnahme der Knochendichte genannt – alles Symptome, die noch vor fünf Jahren als normale Alterserscheinungen galten. Von Bayer initiierte websites wie www.get-back-on-track.com („wieder in die Spur kommen“) oder www.testosteron.de versprechen denn auch, dass „die Testosteron-Ersatztherapie die Lebensqualität und Gesundheit des Mannes entscheidend verbessern und langfristig erhalten“ kann und dass „das psychische und physische Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit erheblich gesteigert werden“.
Dabei gibt es keinerlei Langzeit-Untersuchungen zu den Risiken einer Testosteron-Behandlung. Untersuchungen mit kürzerer Laufzeit erbrachten Hinweise darauf, dass Testosteronprodukte Prostatakrebs fördern und die Leber schädigen können. Fachärzte empfehlen daher, nicht ohne ausreichenden medizinischen Grund in den Hormonhaushalt einzugreifen. „Es kann gut sein, dass niedrigere Testosteronkonzentrationen bei älteren Männern irgendeinen Sinn haben, den wir noch nicht kennen. Da wäre es doch blöd, wenn wir den gleichen Fehler machen würden wie vor Jahren bei der Hormontherapie für Frauen“, so der Würzburger Endokrinologe Bruno Allolio.
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert verbindliche Kontrollen aller bereits zugelassener Pharmazeutika und Industrie-unabhängige Studien bei Neuzulassungen. Aufsichtsbehörden müssen materiell und gesetzgeberisch gestärkt werden, um Nebenwirkungen von Medikamenten systematisch erfassen und risikoreiche Mittel vom Markt nehmen zu können.
Weitere Informationen:
=> Artikel „Das Pharma-Marketing von BAYER“
=> DER SPIEGEL: „Bayers merkwürdige Männer-Pillen“
=> Gegenantrag zur Bayer-Hauptversammlung