Die mageren Jahren sind vorbei:
BAYER & Co. machen NRW-Umweltpolitik
Die nordrhein-westfälische Landesregierung pflegt in Sachen „Umweltpolitik“ einen „neuen Stil“ im Umgang mit den Konzernen und setzt auf Kooperation statt auf Konfrontation. Der Umweltminister Eckhard Uhlenberg hat zu diesem Zweck den „Dialog Wirtschaft und Umwelt“ ins Leben gerufen, bei dem BAYER ein gehöriges Wort mitredet, während Naturschutz-Belange keinen Fürsprecher haben.
Von Jan Pehrke
„Es gab immer ein Spannungsverhältnis zwischen Umweltschutz und Wirtschaft“, blickte der nordrhein-westfälische Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) in seiner Rede vor der Düsseldorfer „Industrie- und Handelskammer“ auf die Politik seiner Vorgängerin Bärbel Höhn zurück und kündigte eine neue Entspannungspolitik an. Er setzt auf Kooperation statt auf Konfrontation, auf freiwillige Vereinbarungen statt auf Ordnungsrecht und Gesetze und auf beschleunigte Genehmigungsverfahren statt auf „Regulierungswut“. „Wir müssen mehr für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft tun, damit sie die hohen Umweltstandards auch weiterhin halten kann“, meint der CDU-Politiker. Umweltschutz als Luxusartikel, den BAYER & Co. sich ab und zu mal gönnen, wenn das Geschäft besonders floriert, darauf läuft die „mit marktwirtschaftlichen Instrumenten“ betriebene schwarz-gelbe Umweltpolitik hinaus. Das ist umso fataler, als von „hohen Umweltstandards“ im Lande wahrlich nicht gesprochen werden kann. Entsprechend begeistert reagierten BAYERs Bernward Garthoff, seine Kollegen von HENKEL, PROVINZIAL, THYSSEN und die Vertreter des „Verbandes der Chemischen Industrie“ im Auditorium. „Ich freue mich sehr über ihre Bemerkung man muss mehr für die Wettbewerbsfähigkeit tun, klopfte der als Moderator fungierende DEGUSSA-Mann Jochen Rudolph Uhlenberg auf die Schulter.
Auch an der bisherigen Bilanz des CDUlers gibt es für BAYER & Co. nichts auszusetzen. Uhlenberg kämpfte wacker gegen Windkrafträder, „entschlackte“ die Bundesimmissionsschutzverordnung auf dem kleinen Dienstweg und bekannte sich klar zur grünen Gentechnik. Bei umweltpolitischen Vorgaben aus Brüssel macht er Dienst nach Vorschrift und setzt Richtlinien nur noch 1:1 um. Im Falle des Chemikaliengesetzes REACH erreichte sein Ministerkollege Michael Breuer durch zahlreiche Interventionen sogar erhebliche Aufweichungen. Zudem brachte der Umweltminister ein Landschaftsgesetz auf den Weg, das Eingriffe in die Natur erleichtert, den Schutz von Biotopen einschränkt und das Klagerecht von Umweltverbänden beschneidet. Die Grünen haben Uhlenberg deshalb schon einen „Abbruchunternehmer für den Naturschutz“ genannt. Schließlich leitete der Umweltminister eine Verwaltungs„reform“ ein. Er hob die Selbstständigkeit der Umweltämter auf und schlug sie den Bezirksregierungen zu und löste das Landesamt für Ökologie, Bodenschutz und Forsten sowie das Landesumweltamt auf. Darüber hinaus schaffte der Politiker systematische Kontrollen im Lebensmittelsektor ab und zentralisierte Genehmigungsverfahren. Allein von dem Kahlschalg im vermeintlichen „Zuständigkeitsdschungel“ erwartet der Umweltminister einen größeren Innovationsschub, als ihn ein Investitionsprogramm auslösen könnte. Erstes Opfer der umweltpolitischen Wirtschaftsförderung wurden die MitarbeiterInnen der einzelnen Ressorts, 1.000 Arbeitsplätze fielen im Umweltbereich des Landes weg.
Als reichte dies alles noch nicht, hielt der Umweltminister für die bei der IHK versammelte Manager-Mannschaft noch ein paar zusätzliche Schmankerl bereit. Er stellte ihnen die Abschaffung des Wassercents in Aussicht, sicherte weitere Erleichterungen beim Emissionshandel zu und sprach sich für verlängerte AKW-Laufzeiten aus. Auch den weiteren Ausbaus des Rheins, der für Jochen Rudolph bloß eine „Wasser-Autobahn“ ist, befürwortete der Landwirt. Darüber hinaus versprach er, Angela Merkel dafür zu gewinnen, sich bei der EU für die Möglichkeit einer flexibleren Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie zu verwenden, nach der die Bundesländer eine bestimmte Anzahl von Flächen als Naturschutzgebiete ausweisen müssen.
Zur ideologischen Verpackung der Konzern-Beglückung bediente er sich geschickt grassierender Ressentiments gegen „Regulierungswut“ im Besonderen und den so genannten Amtsschimmel im Allgemeinen. „Umweltschutz darf nicht mehr allein Sache des Staates sein“, lautete seine Devise, und „Politik mit dem Bürger“ nannte er, was de facto „Politik mit BAYER & Co.“ ist.
Einen offiziellen Charakter hatte Eckhard Uhlenberg diesem Schulterschluss bereits am 14. Juni verliehen. An diesem Tag unterzeichneten der BAYER-Vorstand Wolfgang Plitschke, andere Unternehmensvertreter, Uhlenberg und die Wirtschaftsministerin Christa Thoben die Vereinbarung „Dialog Wirtschaft und Umwelt“. „Die Dialogpartner sind überzeugt, dass nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Innovation und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen mit Hilfe einer zuverlässigen Kooperation von Staat und Wirtschaft besser erreicht werden können als nur durch staatliches Regulieren“, heißt es darin unter anderem. Das „Gemeinsam sind wir stark“ sollen als erstes Berlin und Brüssel zu spüren bekommen. Die unheilige Allianz will industriepolitische Interessen made in NRW bei Bundesregierung und EU künftig gemeinsam vertreten, „damit wir dort ernster als bisher genommen werden“, wie Thoben bekundete. Zur Abstimmung der Arbeit hat sich ein Koordinierungskreis auf Staatssekretär- und Geschäftsführer-Ebene gebildet, und zur Praxis schreiten die Dialogisten auch schon recht bald. Sie gaben die Gründung von Arbeitskreisen zu Immissionsschutz, Abfall/Bodenschutz, Ressourceneffizienz und Gewässerschutz bekannt, in deren Hand künftig wohl ein guter Teil der nordrhein-westfälischen Umweltpolitik liegt. Die Gruppe zum Gewässerschutz leitet mit Frank Andreas Schendel ein BAYER-Mann, womit mal wieder ein Bock zum Gärtner wird. Das Leverkusener Werk des Multis allein verbraucht mehr Wasser als die ganze Stadt Köln und verunreinigt mit seinen Einleitungen den Rhein und andere Flüsse massiv. Nicht umsonst wehrte der Konzern sich sogar gerichtlich dagegen, dem Land Nordrhein-Westfalen eine Fernabfrage der Emissionen per Daten-Highway zu ermöglichen und verweigert der Initiative VSR GEWÄSSERSCHUTZ Einblick in seine Abwasserfrachten. Zudem betreibt der Pharmariese in Leverkusen-Bürrig noch ein Gemeinschaftsklärwerk. Die rot-grüne Landesregierung wollte diese Art der Abwasser-Behandlung eigentlich nicht mehr erlauben, da industrielles Schmutzwasser nach einer ganz anderen Aufbereitungstechnologie verlangt als kommunales, erteilte BAYER aber eine Ausnahmegenehmigung. So konnte die Anlage unlängst ihren 40. Geburtstag begehen. Und zu dem aus diesem unfeierlichen Anlass veranstalteten Symposion gab Uhlenberg per Grußwort seinen Segen. So schließt sich der Kreis.
Von Stichwort BAYER im Anschluss an seine IHK-Vortrag zur Rede gestellt, ob der jüngste Skandal um die Perfluorierten Tenside (PFT) im Rhein nicht eher dafür spräche, die Kontrolldichte zu erhöhen, statt Arbeitsplätze im Umweltbereich abzubauen und auf Kooperationen mit Konzernen wie BAYER zu setzen, deren Sündenregister in puncto Wasserverschmutzung lang ist, wich der Umweltminister aus. Er äußerte sich nur zu den Stellenstreichungen. „Es kann keine Rede davon sein, dass die Neustrukturierung der Umweltverwaltung in Nordrhein-Westfalen und der Abbau von Arbeitsplätzen im Verwaltungsbereich und nicht im Vollzugsbereich dazu führt, dass Umweltstandards in Nordrhein-Westfalen gesenkt werden und von daher die Umweltpolitik eine geringere Bedeutung hat“, so der Minister. Sein Krisenmanagement beim PFT-Skandal zeigte aber genau dies. Nach Ansicht des Grünen-Politikers Johannes Remmel leitete die Landesregierung nämlich nicht die nötigen Maßnahmen ein. „Man muss annehmen, dass sie es mit Vorsatz tut“, kritisierte er. Remmel forderte eine Kommunalkonferenz „Sauberes Trinkwasser“ und warf Uhlenberg vor, den Versorgern in den betroffenen Gebieten nicht die Wasserentnahme-Erlaubnis entzogen zu haben und sie nicht in die Pflicht zu nehmen, in eine bessere Filtertechnik zu investieren. Dabei konnte er bis vor kurzem sogar noch auf einen Verbündeten in Uhlenbergs Ministerium setzen, aber der Umweltexperte verlor seinen Job – seiner Darstellung nach eben wegen seiner kompromisslosen Ansichten zur Verbesserung der Wasserqualität. Das weist sein ehemaliger Arbeitgeber natürlich entschieden zurück. Was Uhlenberg kundtat, als er Gebiete, die eigentlich zum Schutz vor Überschwemmungen dienen sollten, wieder für die landwirtschaftliche Nutzung freigab – „Ein Restrisiko bleibt immer“ – scheint auch seine Haltung in Sachen „Rhein“ zu bestimmen.
Aber nicht nur die Umwelt nimmt durch die Kooperation Uhlenbergs mit den Konzernen Schaden, sondern auch die Demokratie. Durch sie macht die Landesregierung nämlich eine Politik vorbei an den eigentlich dafür vorgesehenen Institutionen wie dem Landtag, mit Akteuren, die weder das Mandat der WählerInnen haben noch sich vor ihnen verantworten müssen, und entzieht sie darüber hinaus noch den Blicken der Öffentlichkeit. Aus diesen Gründen wird die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gemeinsam mit Bündnispartnern alles tun, um es der Kuschelrunde ein wenig ungemütlicher zu machen.