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Offener Brief

CBG Redaktion

An den Vorstand, Aufsichtsrat

und zuständige Stellen des BAYER-Konzerns

Am 15. September 2023 werden die EU-Mitgliedsstaaten in einer Sondersitzung des Ständigen Ausschusses für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (SCoPAFF) erneut über die Zukunft von Glyphosat debattieren, um in der nächsten regulären Sitzung am 12./13. Oktober über die Wiederzulassung des Totalherbizids in der EU abzustimmen. Glyphosat ist seit seiner Einführung in der Formulierung ROUNDUP im Jahre 1974 sowohl in der EU als auch weltweit das am weitesten verbreitete Herbizid. Bereits 2015 stufte die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation es als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen” ein.
Die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA veröffentlichte Anfang Juli im Rahmen des Glyphosat-Zulassungsverlängerungsverfahrens ihre Risiko-Bewertung. In ihrem Statement erklärte die EFSA, dass ihr wichtige Informationen zur Beurteilung der Gefährlichkeit des Mittels für Mensch, Tier und Umwelt fehlten. Auf mehr als 20 Gebieten machte die Behörde „Daten-Lücken“ aus.
Der BAYER-Konzern behauptet in allen seinen Veröffentlichungen, dass das Herbizid sicher sei und nimmt für sich in Anspruch, das auch wissenschaftlich unterfüttern zu können. Daher ist das Unternehmen nun in der Pflicht, auf die von der EFSA beschriebenen Datenlücken zu reagieren. Auf die Fragen, die diese aufwerfen, muss der Konzern Antworten geben, wenn er eine fortlaufende Zulassung für Glyphosat erreichen will. Wir fordern Vorstand, Aufsichtsrat und sonstige zuständige Stellen des Konzerns auf, der europäischen Zivilgesellschaft folgende Fragen zu beantworten:
1. Die EFSA hat bezüglich der Entwicklungsneurotoxizität von Glyphosat eine Datenlücke ausgemacht. Kann BAYER hier Studienergebnisse oder sonstige entlastende Materialien vorlegen, die zweifelsfrei eine Unbedenklichkeit in Hinsicht auf Entwicklungsneurotoxizität belegen?
1.1. Die EFSA hat bezüglich der Entwicklungsneurotoxizität von Glyphosat in der Formulierung ROUNDUP und sonstigen Formulierungen eine Datenlücke festgestellt. Kann BAYER hier Studienergebnisse oder sonstige entlastende Materialien vorlegen, die zweifelsfrei eine Unbedenklichkeit in Hinsicht auf Entwicklungsneurotoxizität belegen?
2. Die EFSA hat eine Datenlücke zu möglichen Beeinträchtigungen von Zellteilungsprozessen und Schädigungen von Chromosomen durch Glyphosat ausgemacht. Kann BAYER durch Studienergebnisse oder sonstige entlastende Materialien zweifelsfrei belegen, dass es zu solchen Beeinträchtigungen nicht kommt?
2.1. Die EFSA hat eine Datenlücke zu möglichen Beeinträchtigungen von Zellteilungsprozessen und Schädigungen von Chromosomen durch Glyphosat in der Formulierung ROUNDUP und sonstigen Formulierungen. Kann BAYER durch Studienergebnisse oder sonstige entlastende Materialien zweifelsfrei belegen, dass es zu solchen Beeinträchtigungen nicht kommt?
2.2. Die EFSA hat eine Datenlücke zu möglichen Beeinträchtigungen von Zellteilungsprozessen und Schädigungen von Chromosomen durch das Glyphosat-Abbau-Produkt AMPA ausgemacht. Kann BAYER durch Studienergebnisse oder sonstige entlastende Materialien solche Beeinträchtigungen zweifelsfrei ausschließen?
3. Die EFSA hat eine Datenlücke zum ernährungsbedingten Risiko für Verbraucher ausgemacht, da keine Informationen zu Glyphosat-Rückständen auf Karotten, Weizen und Salat vorliegen. Kann BAYER diese nachreichen?
3.1. Welche Erkenntnisse hat der BAYER-Konzern generell über Glyphosat-Rückstände auf Karotten, Weizen, Salat und sonstigen mit Glyphosat behandelten Nutzpflanzen?
3.2. Die EFSA hat eine Datenlücke zum Gefährdungspotential durch Verunreinigungen von Glyphosat durch andere Substanzen ausgemacht. Um welche Substanzen handelt es sich dabei und wie es um deren Sicherheitsprofil bestellt?
4. Die EFSA hat eine Datenlücke zur Toxizität eines Zusatzstoffes von Glyphosat. Kann BAYER durch Studienergebnisse oder sonstige entlastende Materialien zweifelsfrei die Unbedenklichkeit dieses Zusatzstoffes belegen?
5. Die EFSA hat eine Datenlücke zu den Effekten von Glyphosat auf den Mikroorganismus-Haushalt des Menschen. Kann BAYER durch Studienergebnisse oder sonstige entlastende Materialien eine Schädigung des Mikroorganismus-Haushaltes ausschließen?
5.1. Die EFSA hat eine Datenlücke zu den Effekten von Glyphosat in der Formulierung ROUNDUP und sonstigen Formulierungen auf den Mikroorganismus-Haushalt des Menschen. Kann BAYER durch Studienergebnisse oder sonstige entlastende Materialien zweifelsfrei eine Schädigung des Mikroorganismus-Haushaltes ausschließen?
5.2. Die EFSA hat eine Datenlücke zu den Langzeitfolgen von Glyphosat für Bienen und andere Insekten? Kann BAYER durch Studienergebnisse oder sonstige entlastende Materialien belegen, dass es durch Glyphosat zu keinen Langzeitfolgen für Bienen kommt?
5.3. Die EFSA hat eine Datenlücke zu den Langzeitfolgen von Glyphosat in der Formulierung ROUNDUP und sonstigen Formulierungen für Bienen und andere Insekten. Kann BAYER durch Studienergebnisse oder sonstige entlastende Materialien zweifelsfrei belegen, dass es durch Glyphosat zu keinen Langzeitfolgen für Bienen kommt?
5.4. Die EFSA hat eine Datenlücke zu den indirekten Effekten von Glyphosat in der Formulierung ROUNDUP und sonstigen Formulierungen, die sich aus den Wirkungen von Glyphosat auf die Flora auf Feldern und Äckern ergeben. Kann BAYER durch Studien oder sonstige entlastende Materialien solche indirekten Effekte zweifelsfrei ausschließen?
6. Falls der BAYER-Konzern Erkenntnisse zu diesen Fragen besitzt, warum hat er diese nicht proaktiv der EFSA zugänglich gemacht, als diese öffentlich gemacht hat, dass ihr zu diesen Fragen Informationen fehlen?
7. Wenn der BAYER-Konzern zu diesen Fragen keine Erkenntnisse besitzt, wie kann der Konzern dann öffentlich behaupten, dass Glyphosat in der Formulierung ROUNDUP oder sonstigen Formulierungen sicher sei?
Die EFSA hat konstatiert, dass es ihr zu einer Bewertung der Umweltschäden durch Glyphosat an einer belastbaren Datengrundlage mangelt. Die verfügbaren Monitoring-Datensätze betrachtet sie als unzureichend. Deshalb „sind die Ergebnisse mit Vorsicht zu genießen“, so die Behörde.
1. Hat BAYER Kenntnis von dieser Datenlücke der EFSA? Falls ja, wie hat der Konzern darauf reagiert? Falls er nicht darauf reagiert hat, wieso ist eine Reaktion unterblieben?
2. Speziell konnte die EFSA keine Aussage darüber treffen, inwieweit Glyphosat das Grundwasser belastet, wenn es über Ufer-Infiltration in die Oberflächen-Gewässer gelangt. Daher nun unsere Frage: Kann BAYER zu dieser Frage Entlastungsmaterial vorlegen? Falls ja, welcher Art? Wieso wurden diese Erkenntnisse nicht der EFSA zugänglich gemacht?
3. Verfügt der BAYER-Konzern über Studien, die eine Gefährdung von Wasserpflanzen und Moos durch Glyphosat ausschließen?
3.1. Verfügt der BAYER-Konzern über Studien, die eine Gefährdung von Wasserpflanzen und Moos durch Glyphosat in der Formulierung ROUNDUP und sonstigen Formulierungen ausschließen?
4. Kann der BAYER-Konzern der EFSA Studien vorlegen, die eine Belastung von Böden durch Glyphosat ausschließen?
4.1. Kann der BAYER-Konzern der EFSA Studien präsentieren, die eine Belastung von Böden durch Glyphosat in der Formulierung ROUNDUP und sonstigen Formulierungen ausschließen?
5. Welche Erkenntnisse hat der BAYER-Konzern zur Verweildauer des Glyphosat-Abbauproduktes AMPA in der Erde?
5.1. Die EFSA geht davon aus, dass das Glyphosat-Abbauprodukt AMPA eine mäßige bis sehr hohe Persistenz in der Erde aufweist. Die Persistenz von Glyphosat selbst schätzt die EFSA gering bis hoch ein. Hat der BAYER-Konzern Kenntnis von diesen Einschätzungen der EFSA? Teilt er diese Sicht? Mit welchem Verfahren ist BAYER zu diesen Erkenntnissen gelangt?
Die EFSA betont, dass sie lediglich die verfügbaren Daten zu dem Herbizid zusammengetragen hat. Die Entscheidung liege weiter bei der EU-Kommission. Die Kommission muss der EFSA zufolge auch die Entscheidung treffen, ob aufgrund der vielen Datenlücken das Vorsorgeprinzip zu Anwendung kommen muss. Die EU-Kommission aber überlässt den Umgang damit jetzt den Mitgliedsländern und trifft ansonsten hinter den Kulissen Vorbereitungen für eine erneute Genehmigung des Herbizids. Den Mitgliedsstaaten der EU sind jedoch im Rahmen einer EU-Wiederzulassung enge rechtliche Grenzen gesetzt. BAYER hat in der Vergangenheit bereits gegen das Land Luxemburg eine Klage geführt und auch gewonnen. Es ist absehbar, dass der Konzern in Deutschland ebenso vorgehen würde, wenn die deutsche Regierung versucht, die Zulassung zu verweigern.
Zudem hat BAYER bereits seit Jahren Millionensummen an Lobby-Geldern investiert, um Glyphosat auf dem Markt zu halten. Neben eigenen Anstrengungen hat der Konzern noch auf spezielle Agenturen wie etwa die RUD PEDERSEN GROUP zurückgegriffen. Auch die „Glyphosate Renewal Group“ und diverse Branchen-Verbände konzentrieren ihre Lobby-Anstrengungen auf die Zulassungsverlängerung.
Vor dem Hintergrund der hier dargestellten Sachverhalte stellen wir an den Vorstand, Aufsichtsrat und sonstige zuständige Stellen des BAYER-Konzerns die folgenden Forderungen:
1. Präsentieren Sie die Ihnen vorliegenden Erkenntnisse zu den obenstehenden Fragen! Nehmen Sie Stellung zu den kritischen Studien, die die Gefährlichkeit von Glyphosat belegen!
2. Nehmen Sie Abstand von Ihren Lobby-Bemühungen, die darauf abzielen, eine Wiederzulassung von Glyphosat zu erreichen!
3. Sehen Sie von Klagen gegen demokratisch gewählte Regierungen ab, wenn diese aus Gründen des Schutzes Ihrer BürgerInnen Produkte von Ihnen verbieten.

Düsseldorf, d. 14.9.2023
Coordination gegen BAYER-Gefahren
Vorstand
Uwe Friedrich/Brigitte Hincha-Weisel/Jan Pehrke