28.02.2007, Rheinische Post
Krefeld: Die Angst vor dem Kraftwerk
VON MARTIN RÖSE
Die Grünen hatten gestern Abend zur Podiumsdiskussion zum geplanten Kohlekraftwerk in Uerdingen eingeladen. Fast 300 Frauen und Männer kamen. Viele brachten ihre Sorgen vor.
„Sie reden über diese Anlage, als würde Haribo neue Gummibärchen produzieren!“, rief ein Mann entnervt aus dem Publikum. Dann feuerten die Zuhörer mit Wörtern wie Krebsrisiko, Feinstaubbelastung, CO2-Emmission und Klimawandel auf Trianel-Geschäftsführer Martin Hector und Stadtwerke-Vorstand Dr. Dieter Steinkamp. Deren Schutzschilde hießen „vernünftiger Energiemix“, „optimierter Preismix“ und „Synergieeffekt“ – also die Chance, den Uerdinger Hafen durch die Kohlelieferungen aus Australien und anderen Ländern wirtschaftlich wieder flottzumachen.
Der Reihe nach: Die Grünen hatten zur Podiumsdiskussion zum geplanten Kohlekraftwerk geladen. Die Trianel-Gruppe, zu der neben 29 anderen Stadtwerken auch die SWK gehören, will Mitte nächsten Jahres mit dem Bau auf dem Chemiepark-Gelände beginnen, spätestens Ende 2012 soll das Kraftwerk ans Netz gehen. Gut 100 Frauen und knapp 200 Männer besuchten gestern Abend die Veranstaltung im Bayer-Casino. Darunter nicht nur Krefelder: Manche kamen auch aus Duisburg. „Für Duisburger wird die Belastung gravierender sein als für Krefelder“, berichtete Podiumsteilnehmerin Angelika Herster vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland.
Zunächst hatte Trianel-Chef Hector erklärt, warum aus seiner Sicht am Bau des Kraftwerks kein Weg vorbeiführt: „Wir werden in den nächsten Jahrzehnten eine Energie-Deckungslücke bekommen.“ Ein Energie-Mix sei wichtig. „Im Vergleich zu Gas oder Öl war der Kohle-Preis in den vergangenen Jahren sehr stabil.“
Leistung 800 Megawatt – das reicht aus, um 1,5 Millionen Haushalte mit Strom zu versorgen.
Wirkungsgrad Bis 45 Prozent. Zum Vergleich: Ein modernes Gaskraftwerk hat einen Wirkungsgrad von bis zu 60 Prozent.
Ausmaße 50 000 Quadratmeter fürs Kraftwerk und neue Verkehrsflächen, zusätzlich 26 000 Quadratmeter für Kohlelagerung.
Belastung Vier Millionen Tonnen CO2 pro Jahr.
Dem pflichtete Chemiepark-Chef Bieber bei: „Was wäre gewesen, wenn wir in den letzten Jahren nur auf Gas gesetzt hätten? Der Dampfpreis für unsere Kunden wäre enorm gestiegen. Wir stehen aber in einem Wettbewerb.“
Offene Frage
SWK-Chef Steinkamp: „Wenn wir das nicht schaffen, dem Kunden ein attraktives Angebot zu machen, dann sind wir weg vom Fenster.“ Die Zahl der Ökostrom-Bezieher in Krefeld lasse sich an fünfmal zehn Fingern abzählen. „Ich kann das nicht ändern.“
Reiner Priggen, energiepolitischer Sprecher der grünen Landtagsfraktion, erklärte: „Selbst die CDU sagt, dass wir bis Mitte des Jahrhunderts auf 50 Prozent erneuerbare Energien umgestellt haben sollen.“ Er hielte ein kleines Gaskraftwerk im Chemiepark für vernünftiger. Der Gesetzgeber dürfe Kohle nicht länger vor Gas priorisieren – dann sei das Kohle-Kraftwerk auch nicht länger wirtschaftlicher.
Angewidert von der Wirtschaftlichkeitsdebatte zeigte sich eine Lehrerin. „In meiner Klasse haben zehn Prozent der Schüler Leukämie. Wir brauchen gerade hier nicht noch ein Kraftwerk.“