13. Juni 2010, Foonds.com
Die Schindluderei mit den Ökofonds – BP als „Waterloo“ der Ökofonds
Irgendwie ist alles öko
Nachhaltiges Investieren hat viele Pluspunkte: Es beruhigt das Gewissen des Anlegers, der sein Geld in Unternehmen mit sinnvollen Produkten und umweltfreundlichen Produktionsweisen leiten möchte, es konzentriert die finanziellen Ressourcen in umweltfreundlichen Unternehmen, und die Performance war besonders in der Finanzkrise stabiler als bei herkömmlichen Investments.
Kein Grund, sich zurückzulehnen
Dennoch hat die ökologische Investmentbranche derzeit wenig Grund, sich zurückzulehnen. Der BP-Skandal vor der Küste Floridas hat nämlich offenkundig werden lassen, dass BP eine beliebte Anlage in vielen Ökofonds war. Ecoreporter.de nennt hier Dexia, SAM, Pictet. MEAG, Parvest (BNP Paribas) und den katholischen LIGA-Pax Cattolico von Union-Investment. Das Problem ist, dass BP erst am 4.Juni 2010 aus dem DJ Sustainability World Index flog.
Seb Beloe, Leiter des Nachhaltigkeits-Research von Henderson, hält die Ölförderung durch Ölmultis prinzipiell für nicht nachhaltig: „Unternehmen wie BP oder Shell sind zunehmend gezwungen, neue und schwieriger erschließbare Quellen in tiefen Gewässern, in der Arktis oder im Ölsand anzuzapfen. Die Erschließung stößt aber oft an technologische Grenzen. Wir glauben, dass die Wahrscheinlichkeit von Unfällen steigt“ ( http:www.wiwo.de/ ).
Hier scheint also einiges schief zu laufen: Die steigende Nachfrage lockt immer öfter auch schwarze Schafe an: Es gibt kaum einen Fondsanbieter, der sich nicht ein grünes Mäntelchen umhängt, und zumindest einige seiner Produkte grün anfärbt. Das Problem ist, dass es unterschiedliche Auffassungen gibt, was eine nachhaltige (ökologische, grüne, ethische) Veranlagung auszeichnet.
Der Best-of-Class-Ansatz – plötzlich ist alles irgendwie öko und nachhaltig
Das Grundübel ist der Best-in-Class-Ansatz, wo man einfach in jeder Branche die (angeblich) umweltfreundlichsten heraussucht. Das führt dann dazu, dass Unternehmen wie BP, Daimler, der Pestizid- und Gentechnik-Hersteller Syngenta (!), Energieerzeuger wie RWE (betreibt auch Braunkohlekraftwerke) in Ökofonds landen, wo man sich als mit gesundem Hausverstand ausgestatteter Anleger fragt, was das alles noch mit Öko oder Nachhaltigkeit zu tun hat. BP galt sogar als Top-Ten-Investment in 13 Ökofonds ( http:www.greenpeace-magazin.de/ ). Auch Atomkraft wird zunehmend ökosalonfähig, soll sie ja angeblich CO2-arm Energie produzieren (wenn man das ganze CO2 bei der Uranaufbereitung, beim Kraftwerksbau, bei der Entsorgung einfach unter den Tisch fallen lässt). Zumindest solange, bis es wie jetzt bei der Ölindustrie auch dort den ersten Supergau oder eine sonstige Katastrophe gibt (knapp davor stand man ja auch im Westen schon des öfteren). Dann werden wieder alle nach Erklärungsversuchen ringen, warum sich atomkraftnahe Firmen im Portfolio befinden.
Der große Vorteil von Best-in-Class-Ansätzen ist, dass es genug Firmen gibt, in die dann investiert werden kann, dass die Streuung breit ist, und sich ausreichend Blue-Chips (Große der jeweiligen Branche) im Portfolio wiederfinden. Eine gewisse Lenkungsfunktion ist diesem Ansatz auch gar nicht abzusprechen, da er zumindest für die Firmen einen Anreiz bietet, sich „nachhaltig“ zu verhalten. Für den engagierten Ökoinvestor sind solche Ansätze allerdings nicht ernst zu nehmen
Greenwashing als Strategie
Es genügt, dass sich eine Firma verantwortungsvoll präsentiert und schon findet sie sich in gewissen „Öko“-Fonds oder Nachhaltigkeitsindizes. Dabei handelt sich häufig nur um Greenwashing durch die Marketingabteilungen, dass eine Firma plötzlich „nachhaltig“ geworden ist. So soll es etwa der Chemiegigant Bayer in etliche Nachhaltigkeitsindizes geschafft haben, nur weil er seit Anfang der 90er Jahre seine CO2-Emissionen um 70% reduziert hat – durch Beteiligungsverkäufe (!) (Philipp Mimkes – „Coordination gegen Bayer-Gefahren“): „Bei so etwas fragen Ökofonds aber nicht nach!“ Auch nicht gerade vertrauensfördernd.
„Auf verschiedenen Ebenen wird derzeit diskutiert, inwieweit der so genannte Best-in-class-Ansatz für sich allein genommen ein glaubwürdiges Instrument bei der Bewertung von Unternehmen sein kann. Der Fall BP ist Anlass genug, darüber neu nachzudenken“, meint Ingo Scheulen in http://www.oekofinanz-21.de/ .
Die vielen Trittbrettfahren und schwarzen Schafe im Ökofondsbereich sind jedenfalls ein ernstes Problem für die Glaubwürdigkeit der ganzen Branche. Ein Schwachpunkt ist, dass es kein wirklich hilfreiches Ökosiegel für die Fondsauswahl in Europa gibt, denn zu unterschiedlich sind die Auffassungen der diversen Fondsgesellschaften. Dies heißt für den Anleger: Er muss sich selber informieren, die Empfehlungen von Öko-Websites und Ökomagazinen studieren und Fondsprospekte lesen. Und bei Anbietern mit einer glaubwürdigen Öko-Historie investieren. Sonst stellt er auch plötzlich beim nächsten Umweltdesaster fest, dass „sein“ Fonds dick dabei ist, wie diesmal zahlreiche Ökoinvestoren mit Erstaunen bezüglich BP feststellen mussten. Das ist dann nicht nur ärgerlich, sondern kann auch teuer kommen.